Kinder mit einem Solarmodul
Symbolbild: Stecker-Solarmodule ermöglichen die Teilhabe an der dezentralen Energiewende. (Foto: Jugendherberge Brilon)

Mit so viel Euphorie wird ein Normierungsverfahren wohl selten bejubelt. Ein "längst überfälliger Durchbruch für die Solarenergie in deutschen Städten" sei das, was der Verband der Elektrotechnik (VDE) und die Deutsche Kommission Elektrotechnik (DKE) Ende Oktober fertiggestellt haben. Das Zitat stammt von Sönke Tangermann, Vorstand des Hamburger Ökostromversorgers Greenpeace Energy, und meint die Neufassung der DIN-Norm VDE 0100- 551.

So erklärt sich Tangermanns Freude: VDE und DKE erarbeiten gemeinsam die Sicherheitsbestimmungen für elektrotechnische Geräte. Dazu zählen auch steckbare Mini-Solarmodule, von denen sich unter anderem Greenpeace Energy einen Schub für den weiteren Ausbau der Photovoltaik (PV) erhofft, besonders in Städten.

Seit der Markteinführung der Kleinst-Solarsysteme, die in der Regel über eine Leistung von 150 bis 300 Watt verfügen, hat es um den Gebrauch der auch als "Balkon-PV" oder "Plug-in-PV" bezeichneten Anlagen Streit gegeben. Auf der einen Seite stehen Unternehmen wie Greenpeace Energy und die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) sowie Modul-Hersteller, auf der anderen regionale Verteilnetzbetreiber wie Westnetz oder Stromnetz Hamburg. Letztere untersagten immer wieder, die Balkonmodule zu nutzen, und machten dabei Sicherheitsbedenken und das Fehlen klar definierter Normen geltend.

Netzbetreiber blockieren Nutzung

Einige dieser Fälle beschäftigen immer noch die Gerichte. Unter anderem läuft am Landgericht Hamburg ein Verfahren von Greenpeace Energy gegen Stromnetz Hamburg, weil der Netzbetreiber die Nutzung eines steckbaren Solarmoduls nicht gestattete. Die neue VDE-Norm könnte den Richtern nun womöglich als Entscheidungshilfe dienen.

Um die Geräte ohne Einschränkungen der Sicherheit schnell auf die Balkone zu bringen, hatte der VDE 2016 mit der Überarbeitung der besagten DIN-Norm begonnen. Sie beschreibt die Anforderungen für den "Anschluss von Stromerzeugungseinrichtungen für den Parallelbetrieb mit anderen Stromquellen, einschließlich dem öffentlichen Stromverteilungsnetz". An dem Verfahren waren auch die DGS, Vertreter des Elektrohandwerks, der Versicherungswirtschaft, Komponentenhersteller, Netzbetreiber sowie wissenschaftliche Institute beteiligt.

Als Ergebnis gibt es nun erst einmal eine sogenannte Vornorm, die Plug-in-Systeme einbezieht. "Die technischen Voraussetzungen zum Anschluss solcher Einrichtungen an Endstromkreise, und darum geht es in der Vornorm DIN VDE 0100-551-1, sind in der aktuellen Normausgabe noch nicht für Stecker-Solarmodule ausgelegt", sagt Alexander Nollau, Abteilungsleiter für Energie und Mobilität bei VDE und DKE. Die Anschluss-Norm beschreibt allerdings nur einen von mehreren Aspekten, die bei der Nutzung von Balkonmodulen als relevant gelten.

Zurzeit arbeiten VDE und DKE auch an einer Produktnorm, um die sicherheitstechnischen Anforderungen an die steckbaren Solarmodule festzulegen. Damit ist voraussichtlich aber erst 2019 zu rechnen. Zudem stehen auch noch die Veröffentlichung eines VDE-Standards zu speziellen Energiesteckvorrichtungen für die Einspeisung in separate Stromkreise und die Neufassung der VDE-Anwendungsregel 4105 aus, die technische Mindestanforderungen für den Anschluss von Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz definiert. Sie sollen im Frühjahr 2018 erscheinen.

Vor allem in der Stecker-Frage, also wie die Verbindung vom Solarmodul zum Stromnetz ausgestaltet sein muss, sind sich die Hersteller von Plug-in-Modulen und die Verteilnetzbetreiber uneins. Stellvertretend für den österreichischen Balkon-PV-Anbieter Oekostrom, dessen 150-Watt-Modul Greenpeace Energy an seine Kunden vertreibt, argumentiert der Stromanbieter, dass für die Sicherheit des Geräts schon eine Verbindung über einen handelsüblichen Schuko-Stecker ausreicht.

"In der neuen Norm steht, dass die Module an jeden Stromkreis angeschlossen werden dürfen", sagt Greenpeace-Energy-Sprecher Michael Friedrich. Was auf der Hausseite des Stromzählers passiert, gehe die Verteilnetzbetreiber damit schlicht nichts an. Deren Zuständigkeit ende auf der Netzseite. Das sei auch in einem Verfahren mit dem Netzbetreiber Westnetz bei der Bundesnetzagentur eindeutig geklärt worden.

Ganz so eindeutig sehen Westnetz und andere Verteilnetzbetreiber die Sachlage allerdings nach wie vor nicht. Im März gab es schon einmal Verwirrung zwischen diesen beiden Beteiligten, als Greenpeace Energy öffentlich verkündete, Westnetz erlaube nun den Anschluss der Mini-PV-Anlagen, was der Netzbetreiber jedoch umgehend dementierte. Grundsätzlich lässt Westnetz zwar mittlerweile die Anbindung zu, verknüpft diese aber mit zahlreichen Auflagen.

Unter Verweis auf die neue Norm teilt der Netzbetreiber auf Nachfrage mit, dass der Anschluss durch einen Fachbetrieb des Elektrohandwerks erfolgen muss. Bedingung sei zudem der Einbau eines Stromzählers mit Rücklaufsperre. Auch müsse die Anlage so betrieben werden, dass "Störungen anderer Anschlussnehmer und -nutzer sowie störende und schädliche Rückwirkungen auf das Stromverteilnetz ausgeschlossen sind". Damit meinen die Netzbetreiber in der Regel eine Minderung der Spannungsqualität im Netz.

Jedoch musste Westnetz selbst im Verfahren vor der Bundesnetzagentur einräumen, dass "schädliche oder störende Rückwirkungen auf unser Elektrizitätsversorgungsnetz nicht erkennbar" seien.

In der Praxis halten sich jedoch auch andere Netzbetreiber bei der Zulassung der Kleinst-Anlagen zurück. "Grundsätzlich geben uns Normen wie die VDE 0100-551 oder auch die VDE-Anwendungsregel 4105 gar nicht die Möglichkeit, den Anschluss solcher Module mit einem Schuko-Stecker ans Netz zu erlauben", sagt Christian Schröder, der für den Hauptstadt-Netzbetreiber Berliner Stromnetz im VDE-Normengremium sitzt. "Unsere Kunden dürfen solche Module fest angeschlossen verwenden. Die Anwendungsregel 4105 sagt aber klar, dass die Geräte nicht an einen Endstromkreis angeschlossen werden dürfen."

Als Möglichkeit bleibe damit ein Festanschluss wie bei einem Elektroherd über eine separat abgesicherte Steckdose. Doch das läuft der Grundidee eines auch von Laien ohne Umstände installierbaren Solarmoduls ein Stück weit zuwider.

Warten auf die Steckernorm

"Nach unserer Auffassung ist bis 600 Watt der Anschluss der Module mit Schuko-Steckern völlig unproblematisch, sowohl beim Betrieb im Haus als auch, was die Wirkung auf das Verteilnetz allgemein angeht", sagt dagegen Greenpeace-Energy-Sprecher Friedrich.

Beim VDE gibt man sich vorsichtiger. "Wenn Sie heute ein Balkon-Solarmodul nach 0100-551 wirklich normkonform anschließen wollen, haben Sie noch nicht die spezielle Einsteckvorrichtung, weil die entsprechende Norm noch gar nicht vorliegt", sagt Alexander Nollau. Die geforderte Einsteckvorrichtung soll in erster Linie vor Stromschlag schützen. Das sei durchaus sicherheitsrelevant, da sich unter bestimmten Bedingungen nicht garantieren lasse, dass an den Steckerstiften keine Spannung anliege, so Nollau.

Wie bei anderen elektrischen Geräten besteht hier die Gefahr, dass es durch die stromführenden Kontakte zu einem elektrischen Schlag kommt, was auch Schutzkontaktstecker nicht verhindern können. Da die Stromkreise in Häusern oftmals nicht für die Einspeisung ausgelegt sind, besteht darüber hinaus die – zumindest theoretische – Gefahr, durch Überlastung einen Brand zu verursachen. Wobei bislang weder aus Deutschland noch aus Österreich, der Schweiz oder den Niederlanden, wo die Plug-in-Module bereits deutlich häufiger zum Einsatz kommen, ein solcher gefährlicher Zwischenfall bekannt ist.

Offenbar dauert es trotzdem seine Zeit, bei allen Normen – also für die Installation, die Produkte selbst und die einheitlichen Standards für Stecker – den heutigen Stand der Technik umzusetzen. Für alle, die ein Mini-Solarmodul nutzen wollen, gilt daher: Vorerst sind noch nicht alle rechtlichen Graubereiche ausgeräumt. Zwar ist es technisch ohne gefährliche Auswirkungen auf das Verteilnetz möglich, den erzeugten Strom mittels Schukosteckern ins Hausnetz einzuspeisen – das haben diverse Gutachten sowie Praxiserfahrungen aus europäischen Nachbarländern hinreichend belegt. Ob der Betrieb grundsätzlich sicher ist, wird aber nach wie vor angezweifelt.

Balkon-PV-Nutzer, die Ärger mit ihrem Netzbetreiber vermeiden wollen, sollten daher den Installationsempfehlungen des VDE folgen, solange nicht alle Normierungsfragen geklärt sind. Das bedeutet: die Anlage beim örtlichen Verteilnetzbetreiber anmelden und für den Anschluss eine Elektrofachkraft hinzuziehen, die die Anlage über eine sichere Einspeisesteckdose oder einen festen Anschluss installiert.

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