München hat einen Ruf als Boomtown mit den teuersten Mieten und ebenso großen Verkehrsproblemen – viel Arbeit für eine nachhaltige Stadtgestaltung. (Foto: Schulze von Glaßer)

Klimareporter°: Herr Betzold, die Green City Energy AG ist kürzlich in der Green City AG aufgegangen – warum verzichtet Ihr Unternehmen jetzt auf den Zusatz "Energy"?

Martin Betzold: Wir sind seit anderthalb Jahren auch im Mobilitätssektor tätig. Das Namenskorsett mit "Energy" wurde uns einfach zu eng. Energie und Verkehr müssen zusammen gedacht werden – aus dem Grund sind wir diesen Schritt mit der Umbenennung gegangen.

Außerdem steht der gleichnamige Verein Green City e.V., der noch immer Mehrheitsaktionär der Green City AG ist, im Non-Profit-Bereich für die großen Themen Energieversorgung, Umstieg auf Erneuerbare, umweltverträgliche Mobilität und Stadtgestaltung. Bei "Green City" geht es uns am Ende um einen Strukturwandel in den Städten hin zu einem nachhaltigen Lebensmodell, zu einer lebenswerten Stadt.

Ökostrom und grüne Verkehre zu koppeln, davon träumt ja inzwischen eine ganze Branche – und klagt zugleich, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dafür nicht stimmen. Wie sehen Sie das?

Wir haben ja nicht nur die Green City AG, sondern mit ihrer Schwesterfirma, der Green City Projekt GmbH, auch ein führendes Unternehmen der Mobilitätsberatung in unseren Profit-Bereich integriert. Da kommt viel Substanz und Know-how ins Haus. Das Team, das jetzt unter dem Namen "Green City Experience" agiert, berät europaweit Kommunen bei Energie- und Mobilitätskonzepten. Das bündeln wir nun unter einem Dach.

Die Synergie-Effekte, die wir damit anstreben, entstehen perspektivisch, aber mit einer großen Dynamik. Wichtig ist natürlich, dass die Voraussetzungen dafür stimmen. Dazu haben wir den einzelnen Geschäftsfeldern auch neue Strukturen und Namen gegeben.

Foto: Green City

Zur Person

Martin Betzold, studierter Diplom-Betriebswirt, war zunächst in den USA im Tourismus-Sektor sowie als Unternehmer in der Immobilienbranche tätig. 2006 wechselte er zu Green City und ist dort seitdem in leitender Funktion als Marketing- und Kommunikations-Experte aktiv.

Schließlich zeigt zum Beispiel unser Angebot mit dem E-Roller-Sharing in München, wie es mit der Verkehrswende gehen kann. Die Roller, die mit unserem Ökostrom aufgeladen werden, werden gut angenommen.

Wie gut?

Hervorragend. Bis Ende Juli wollen wir insgesamt 300 Roller für das Sharing anbieten. Die entsprechende Crowd-Finanzierung läuft ebenfalls gut. Entscheidend ist aber, dass wir bis Mitte Juli bereits 10.000 Kunden für das E-Roller-Sharing gewonnen haben. Täglich fahren mehrere hundert von ihnen durch die Stadt. Im Vergleich zu anderen Metropolen sind die Nutzerzahlen in München sehr hoch. Mit den Rollern prägen wir sogar das Stadtbild.

Und was fast am wichtigsten ist:  Wir zeigen, dass die Energie- und Verkehrswende Spaß machen kann, das hat mit Verzicht nichts zu tun. Mit dem Roller lautlos und emissionsfrei durch München zu brausen, ist vielmehr ein Lebensgefühl.

Ihre neuen Geschäftsbereiche haben jetzt trendige Namen wie "Renewables", "Drive" oder eben "Experience". Ist das das richtige Image für ein noch immer bürgerschaftlich geführtes Unternehmen?

Wir wollen die Kunden von morgen ansprechen und nicht in einer alten Welt verhaftet sein, in der wir uns in unserer grünen Ursuppe im Kreis drehen und die immer wieder gleichen Themen wälzen. Es geht auch darum, sich als Organisation zu öffnen, neue Wege zu gehen und sich in einem neuen Kleid zu präsentieren.

Jede Organisation, die – wie wir – aus der Umweltbewegung heraus entstanden ist, hat das Recht, sich weiterzuentwickeln. Das tun wir in einem zeitgemäßen Stil. Nachdem Green City ein englischsprachiger Name ist, haben wir uns dann für englische Begriffe bei den Geschäftsbereichen entschieden. An unseren Überzeugungen rütteln wir dabei aber nicht, wir stehen wie eh und je für die Verbindung von bürgerschaftlichem Engagement und nachhaltigem Unternehmertum.

Die Grünstrombranche richtet sich auf eine Zeit ohne das Erneuerbare-Energien-Gesetz ein, zum einen wird das EEG politisch ausgebremst, zum anderen werden grüne Technologien preiswerter und marktfähiger. Wie kommt Green City damit zurecht?

Die Entwicklung haben wir schon vor zwanzig Jahren prognostiziert. Da glaubte uns keiner, dass die Erneuerbaren einmal einen relevanten Anteil an der Stromerzeugung haben werden. Heute liegt er bei 40 Prozent beim Stromverbrauch.  Mit ihrem vermehrten Einsatz steigt auch die Kosteneffizienz der Erneuerbaren. Wir sehen heute schon die Solarwelle, die die gerade von Südeuropa aus in Richtung Norden rollt.

Wegen der sinkenden Kosten werden wir 2020 in Spanien unser erstes Solarkraftwerk der Megawattklasse bauen, das ohne die Einspeisevergütung auskommen und seine Leistung über Stromlieferverträge vermarkten wird.

Die alte EEG-Welt werden wir in einigen Jahren hinter uns lassen, aber noch geht es nicht ohne das EEG. Nötig sind vor allem stabile politische Rahmenbedingungen, um die Ausbauziele zu erreichen. Die Bundesregierung sollte ihr Versprechen von Sonderausschreibungen aus dem Koalitionsvertrag daher rasch wahrmachen, der Klimawandel lässt auch hierzulande grüßen.

Das ist auch ökonomisch sinnvoll: Auf die Dauer werden Wind und Sonne die kostengünstigsten Stromquellen der Welt sein. Die große Frage wird sein, wie das ganze Energiesystem reagieren muss, damit diese stark schwankende Erzeugung künftig bedarfsgerecht bereitgestellt wird. Mit unserem ersten Batteriegroßspeicher, den wir mit unserer Kapitalanlage "Kraftwerkspark III" finanzieren, zeigen wir auch hier, wie es gehen kann.

Redaktioneller Hinweis: Green-City-Vorstand Jens Mühlhaus ist Mitherausgeber von Klimareporter°.

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