Die drei Reaktoren des Atomkraftwerks Flamanville an der Atlantikküste.
Viel teurer, viel später: Frankreichs neuer Reaktor in Flamanville ist immer noch nicht fertig und hat seine Kosten vervierfacht. (Bild: EDF)

In Europa sind in den letzten zwei Jahrzehnten nur drei neue Atomkraftwerke in Betrieb genommen worden. Dabei hatte es Ankündigungen für viel mehr Reaktoren gegeben.

So kündigte der damalige französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy 2009 weitere Neubauten an, und der frühere britische Premier Tony Blair versprach 2005 sogar den Bau von zehn Reaktoren.

Zurzeit setzt eine Reihe von EU-Ländern, darunter Frankreich, die Niederlande und Schweden, aber auch Polen, Tschechien, die Slowakei und Slowenien, stark auf Atomkraft, um ihre Klimaziele zu erreichen. Die Länder gehen damit allerdings hohe volkswirtschaftliche Risiken ein, wie eine neue Analyse zeigt.

Die Kosten seien höher als beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Außerdem müsse der Staat bei Atomkraft-Projekten immer wieder einspringen, um Finanzierungslücken zu schließen.

In der von Greenpeace in Auftrag gegebenen Untersuchung wurden die Kosten und Finanzierungsmodelle von AKW-Neubauten in zehn Ländern analysiert, darunter China, Finnland, Frankreich, Großbritannien und Russland.

Zeit- und Kostenrahmen regelmäßig gesprengt

Darunter sticht der Reaktor Flamanville 3 in Frankreich hervor, der mit 13,2 Milliarden Euro viermal so viel wie erwartet kostete und dessen Bau 17 Jahre statt der geplanten fünf Jahre dauerte. Er soll in diesem Jahr ans Netz gehen, so der aktuelle Stand.

Doch auch in den anderen Fällen liegen Kosten und Bauzeiten laut der Studie weit über dem veranschlagten Rahmen. Autoren der Untersuchung sind Wissenschaftler der Copenhagen School of Energy Infrastructure und der TU Berlin.

Das finanzielle Risiko tragen Greenpeace zufolge nicht die Betreiber, sondern letzten Endes die Steuern zahlende Bevölkerung. "Private Investoren machen einen großen Bogen um problemanfällige AKW-Projekte, die Risiken muss immer der Staat übernehmen", sagte der Atomexperte der Umweltorganisation, Heinz Smital. Problematisch sei zudem die Abhängigkeit vieler EU-Länder von in Russland gefertigten Brennelementen.

Die Stromgestehungskosten bei den neuen AKW betragen laut Analyse rund 18 US-Cent pro Kilowattstunde, während es bei Solar- und Windenergie zehn bis zwölf Cent sind – inklusive des Aufwands für Reservekapazitäten bei "Dunkelflauten" sowie Speicherung und Netzausbau.

Greenpeace argumentiert daher, Geld sei für erneuerbare Energien und Energieeinsparung besser investiert als für Atomenergie. Der deutsche Atomausstieg sei daher nicht nur aus Sicherheitsgründen richtig gewesen, sondern auch wirtschaftlich klug.

Europäische Investitionsbank will Klein-AKW fördern

Die NGO veröffentlichte die Studie mit Blick auf die am Freitag stattfindende Generalversammlung der Europäischen Investitionsbank (EIB), an der auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) teilnimmt. Die EIB legt dann den Investitionsfahrplan für die Jahre 2024 bis 2027 fest.

Greenpeace zufolge hat die öffentliche Bank in den letzten zwei Jahrzehnten 845 Millionen Euro in den Atomkraft-Sektor investiert und plant nun auch, die Entwicklung von Klein-AKW ("Small Modular Reactors", SMR) zu unterstützen, wie sie unter anderem von Frankreich geplant werden.

Die Befürworter von SMR argumentieren, sie würden durch serielle Bauweise Strom künftig billiger als die üblichen Groß-AKW produzieren. Bisher ist das aber nicht nachgewiesen. Ein relativ weit gediehenes SMR-Projekt des US-Herstellers Nuscale musste im vorigen Herbst aus Kostengründen aufgegeben werden.

Unterdessen zeigt sich zum Beispiel in Schweden, dass die dort vorgesehenen Kreditgarantien für die angestrebten AKW-Neubauten offenbar nicht ausreichen und eine direkte Beteiligung des schwedischen Staates notwendig sein wird. Die konservative Regierung in Stockholm will die Atomkraft ausbauen – ob durch Großreaktoren oder SMR, ist noch offen.

Laut der Zeitung Aftonbladet will die Regierung dafür bislang nur Kredite in Höhe von umgerechnet rund 36 Milliarden Euro absichern. Der staatliche Energiekonzern Vattenfall, der die Anlagen betreiben soll, wehre sich jedoch gegen das Modell.

Konzernchefin Anna Borg habe darauf hingewiesen, dass Vattenfall profitabel sein müsse, zumal das schwedische Parlament ein Rentabilitätsziel für den Konzern festgelegt habe. Borg habe aber nicht vor zu investieren, wenn die neuen AKW nicht kalkulierbar seien. Und wenn es etwas gebe, das schwer zu berechnen sei, dann sei es die Atomkraft, heißt es in dem Zeitungsbericht.

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