Anfang Januar endet für die ersten 20.000 Anlagenbetreiber die EEG-Förderung für ihren Solarstrom. Von da an dürfen sie den Strom nur noch dann ins Netz einspeisen, wenn sie komplizierte Bedingungen erfüllen.
Plötzlich stehen die Solarpioniere nicht nur ohne Förderung da, sondern auch ohne eine vernünftige Perspektive für ihren Strom. Wenn sich die Regeln nicht ändern, werden viele Anlagen abgeschaltet, abgebaut oder abgeregelt. Das wäre das Gegenteil von nachhaltig.
Bei näherer Betrachtung fällt allerdings auf, dass die Regeln nicht nur für die alten Solaranlagen nicht mehr passen, sondern auch für die neueren.
Solaranlagen, die im Niederspannungsbereich arbeiten, sind den Kinderschuhen längst entwachsen. Sie sind keine vernachlässigbare Randerscheinung mehr, sondern in vielen Stunden die größte Stromerzeugungsanlage Deutschlands – verteilt auf zwei Millionen Hausdächer. Sie decken an einem beliebigen sonnigen Sommertag heute schon ein Viertel der deutschen Stromnachfrage (siehe Grafik oben). Erfreuliche Tendenz: zunehmend.
Mit dieser Leistung geht aber auch eine Verantwortung einher, die der Solarenergie bisher kaum abverlangt wird. Der Webfehler in den geltenden Strommarktregeln ist durchaus bemerkenswert: In jeder sonnigen Viertelstunde geht der moderne Prosumer davon aus, dass er seinen Tee mit dem Strom vom eigenen Dach kochen kann. Seine Annahme: "Den Strom, den ich selbst erzeuge, braucht kein Kohlekraftwerk zu erzeugen."
Ineffiziente Doppelversorgung
Doch weit gefehlt. Die Regeln des Strommarkts sehen vor, dass der Stromlieferant des Prosumers auch in sonnigen Stunden verpflichtet ist, sogenannten Graustrom einzukaufen und an den betreffenden Haushaltsanschluss zu liefern. Es kommt zu einer ineffizienten, teuren und überwiegend fossilen Doppelversorgung des Prosumers. Der Prosumer wird hinters Licht geführt.
Der Mechanismus dahinter ist durchaus nicht einfach zu verstehen. In der Tat ist der Solarstrom des Prosumers vorhanden und wird in dessen Haushalt auch teilweise verbraucht, wie die grüne Fläche in der nebenstehenden Grafik anzeigt.
Eine Doppelversorgung (braune Fläche) ergibt sich, weil der Lieferant des Prosumers in Höhe des Standardlastprofils (blaue Linie) die gleiche Strommenge noch ein weiteres Mal kauft und am Netzanschlusspunkt des Prosumers bereitstellt. Dazu ist der Lieferant rechtlich verpflichtet.
Zunächst ist der Strom tatsächlich doppelt im System vorhanden. Das kann aus physikalischen Gründen aber nicht sein, denn das Stromnetz muss in jeder Sekunde vollständig ausgeglichen sein. Wenn nun aber zu viel Strom da ist, steigt die Netzfrequenz ganz minimal an.
Sensoren in den Leitstellen der Netzbetreiber registrieren das und lösen eine Kaskade aus. Die Netzbetreiber aktivieren Kraftwerke, die eigens für den Fall unter Vertrag genommen wurden, wenn zu viel Strom im Netz ist.
Diese fossilen Kraftwerke werden gezielt auf einem so hohen Leistungsniveau gefahren, damit sie auf das "Zuviel" reagieren und ihre Erzeugung drosseln können. Das Vorhalten von Leistung, um auf das "Zuviel" reagieren zu können, führt also dazu, dass fossile Kraftwerke laufen, die ansonsten nicht laufen würden.
Unpassende Regeln für Prosumer
Mit anderen Worten: Der in der Solaranlage erzeugte Strom wird am langen Ende im Stromsystem wirksam und fährt ein Kraftwerk herunter – aber auf dem Weg dahin verdienen zwei fossile Kraftwerke daran Geld: erst das Kraftwerk, das Strom am Markt verkaufen konnte, den aber keiner verbrauchen konnte, und dann das Regelenergie-Kraftwerk, das Geld damit verdient, das Problem hinterher zu beheben.
Peter Stratmann
hat Geschichte, Physik und Ingenieurswissenschaften studiert. Seit 2005 arbeitet er bei der Bundesnetzagentur und wirkte an der Liberalisierung des Gasmarktes mit. Seit 2013 leitet er das Fachreferat Erneuerbare Energien bei der Bundesnetzagentur. Der Beitrag gibt seine persönliche Einschätzung wieder.
Eine Doppel-Versorgung resultiert daraus, dass es bei Haushaltskunden in der Regel nicht rentabel ist, viertelstündlich die Messwerte zu erheben, nach denen das Stromsystem gesteuert wird. Das kann mit dem Aufkommen von Smart Metern jetzt womöglich anders werden – je kleiner aber der Haushalt ist, desto weniger kommt eine detaillierte Messung infrage. Richtigerweise werden deshalb für kleine Solar-Haushalte und deren Lieferanten die Standardlastprofile verwendet.
Als diese Regeln zu den Profilen vor 20 Jahren geschaffen wurden, hatte niemand den Siegeszug der kleinen Solaranlagen auf dem Schirm. Ältere werden sich erinnern: Das wurde sogar für unmöglich gehalten.
Für die kleinen Solaranlagen – sowohl für die ausgeförderten als auch für neue Anlagen – brauchen wir aber Regeln, die diese so nachhaltig in den Markt integrieren, dass sie in sonnigen Stunden künftig immer größere Teile der Stromversorgung übernehmen können. Aus dem Viertel, das heute schon erreicht ist, soll schon bald die Hälfte oder noch mehr werden können.
Bundesnetzagentur schlägt neues Prosumer-Modell vor
Zur Behebung der Schiefstände und zugunsten einer nachhaltigen Förderung der Photovoltaik schlägt die Bundesnetzagentur für neue wie für ausgeförderte Solaranlagen das Prosumer-Modell vor. Dafür müssen die gesetzlichen Regeln – auch die des EEG – angepasst werden.
Das vorgeschlagene Modell enthält drei Optionen, zwischen denen die Prosumer wählen und wechseln können sollen.
Option "Einfach": Viele Betreiber von Solaranlagen wollen, dass die Abwicklung der Stromerzeugung und der Vergütung möglichst einfach ist, dass sie sich um nichts kümmern müssen und keine teuren Zähler benötigen. Sie reichen allen erzeugten Strom wie bisher an den Netzbetreiber weiter.
Prosumer mit neuen Anlagen erhalten dabei für den Strom weiter die gesetzliche Vergütung aus dem EEG, derzeit sind das knapp zehn Cent pro Kilowattstunde.
Auch die Prosumer der ersten Stunde sollen ihre Solaranlage ohne jede Änderung rechtssicher weiterbetreiben können. Weil bei ihnen die Förderung aber abgeschlossen ist, erhalten sie in Zukunft den Marktwert des Stroms ausgezahlt, derzeit sind das rund vier Cent je Kilowattstunde.
Damit lassen sich die Betriebskosten der Anlage decken. Das hat die jüngste Studie des Umweltbundesamtes gezeigt. Wenn die CO2-Preise steigen, dann steigt automatisch der Wert des erneuerbaren Stroms. Das wird sich ohne Verzögerung und nachhaltig im Portemonnaie dieser Prosumer bemerkbar machen.
Option "Aktiv": Manche Prosumer wollen ihren Strom selbst verbrauchen und auch im Strommarkt mitmischen. Wenn die Sonne scheint, wird mit dem eigenen Solarstrom gekocht, gewaschen oder die Wärmepumpe angetrieben. Wenn nachts der Wind weht, kann im Haus des Prosumers kostengünstiger Windstrom eingesetzt werden – so lässt sich mit gutem Gewissen Geld sparen.
Diese aktiven Prosumer brauchen einen Lieferanten, der ihnen ein maßgeschneidertes Angebot macht: Er nimmt den überschüssigen Solarstrom ab und beliefert sie bei Nacht und im Winter.
Die Abrechnung erfolgt zeitgenau auf der Basis einer smarten Messung des Stromverbrauchs und der Netzeinspeisung. Bei neuen Anlagen zahlt der Netzbetreiber dem Prosumer die Marktprämie für den eingespeisten Strom.
Solche dynamischen Angebote werden seit einigen Jahren intensiv diskutiert. Die Lieferanten stehen in den Startlöchern, um endlich die ausgeförderten Anlagen einbinden zu können. Bisher stand dem die – verglichen mit dem Marktwert – hohe EEG-Förderung entgegen.
Option "Kombi": Als dritte Option soll den Prosumern eine einfache Möglichkeit angeboten werden, eigenen Strom im Haushalt zu nutzen und überschüssigen Strom de facto im Netz zu speichern. Sollte der Netzstrom ausfallen, ist die Anlage so konfiguriert, dass sie den Prosumer weiter versorgen kann.
Für diese Option ist neben dem Erzeugungszähler ein Zweirichtungszähler erforderlich. Keiner der Zähler muss dabei smart sein.
Hier übernimmt der Stromlieferant die gesamte Abwicklung. Die Abrechnung von Stromerzeugung und Bezug aus dem Netz erfolgt in einer gemeinsamen Jahresrechnung.
Der Prosumer muss sein Verbrauchsverhalten nicht im Rhythmus von Sonne und Wind steuern und verzichtet dadurch auf die Chancen, aber auch auf die Risiken des Strommarkts.
Diese dritte Option ist eine Kombination der beiden anderen. Sie verbindet Einfachheit mit dem physikalischen Eigenverbrauch des Stroms. Finanziell ist sie gleichwertig mit der Option "Einfach".
Tim Meyer hat recht!
Vor wenigen Tagen hat Naturstrom-Vorstand Tim Meyer an dieser Stelle geschrieben: "Geht uns aus der Sonne!" Oberste Priorität müsse bekommen, "dass Kleinstanlagen jenseits des EEG überhaupt eine sinnvolle Perspektive auf Einspeisung haben".
So ist es. Die beschriebenen drei Optionen sind noch Zukunftsmusik. Sie bedürfen der gesetzlichen Ausgestaltung.
Mit den Neuregelungen kann dafür gesorgt werden, dass die Fehlsteuerungen der Vergangenheit in Zukunft vermieden werden. Der Solarstrom aus kleinen Anlagen lässt sich mit den vorgeschlagenen Regeln fehlerfrei in das Bilanzierungssystem integrieren, das für die Versorgungssicherheit von großer Bedeutung ist.
Das hat auch die Europäische Union erkannt. Im neuen Regelungsgefüge des "Clean Energy Package" nimmt der "aktive Kunde" breiten Raum ein. Das ist der Prosumer, der die aktive Option gewählt hat und Verantwortung für seinen Strom übernimmt. Er genießt dynamische Tarife und smarte Messtechnik. Bei ihm gibt es keine Standardlastprofile mehr.
Betreiber kleiner Solaranlagen müssen das alles nicht durchschauen, aber die Regeln müssen so gestaltet werden, dass es nicht mehr zu systematischen Fehlern kommt, die am Ende jemandem nützen, den wir eigentlich abschalten wollen.
Solarstrom ist nachhaltig. Mit den Regelungen des Prosumer-Modells werden auch die Förderung, der Eigenverbrauch und die Marktintegration nachhaltig und dauerhaft tragfähig. Die Erfolgsgeschichte der Bürgerenergie-Bewegung kann fortgeschrieben werden. Und: Niemand wird mehr hinters Licht geführt.