Barrikade aus Holzlatten, -balken und Gerümpel vor Waldbäumen, darauf ein gelbes Wanrschild
Barrikade im Hambacher Forst: Seit Jahren besetzen Klimaaktivisten den Wald. (Foto: Kathrin Henneberger/​Flickr)

Die Lage im Hambacher Forst spitzt sich weiter zu. Die Polizei Aachen hat den Wald, der als Symbol für den Widerstand gegen die Braunkohle gilt und seit Jahren von Klimaaktivisten besetzt ist, zum "gefährlichen Ort" erklärt. Das räumt ihr mehr Befugnisse ein. Zur Begründung hieß es, in der Vergangenheit seien dort "teils massive Straftaten" verübt, vorbereitet und verabredet worden.

Die Beamten dürfen in dem Gebiet nun ohne Anlass oder konkreten Verdacht Personenkontrollen durchführen, Taschen und Fahrzeuge durchsuchen sowie Gegenstände konfiszieren. Am heutigen Sonntag etwa wurde nach Angaben der Polizei eine Autofahrerin zur Personalienfeststellung in Gewahrsam genommen und anschließend wieder entlassen. Die Paletten auf ihrem Fahrzeug seien beschlagnahmt worden, weil sie "als Baumaterial für Barrikaden nutzbar" seien.

Seit mehr als fünf Jahren hält eine wechselnde Zahl von Klimaaktivisten den Hambacher Forst besetzt, der größtenteils schon dem RWE-Tagebau Hambach gewichen ist. Er gilt deshalb als Symbol des Widerstands gegen die Braunkohle. Ab Oktober will der Energiekonzern erneut roden.

Aktivisten werfen Polizei Eskalation vor

Mittlerweile gibt es etwa 50 Baumhäuser in den Wipfeln der Waldbäume, in den vergangenen Tagen haben die Besetzer noch deutlichen Zuwachs bekommen. Sie gehen davon aus, dass die Polizei den Wald im Laufe des Septembers räumen will – denn mit Menschen im Baum kann die Rodung natürlich trotz Genehmigung nicht stattfinden.

Die Einordnung des Waldes als "gefährlichen Ort" sehen die Aktivisten vor Ort als Teil einer Eskalationsstrategie. "Es zeigt aber auch, dass wir erfolgreich sind, wenn die Polizei legitimen Protest mit solchen Mitteln kriminalisiert", sagte ein Baumhausbewohner auf Anfrage von Klimareporter°.

Die Polizei berichtet dagegen, Beamte seien am Sonntag von Unbekannten mithilfe von Steinen und Zwillen angegriffen worden. Verletzte habe es aber nicht gegeben.

Tatsächlich gibt es unter den Gruppen, die sich im Hambacher Forst engagieren, unterschiedliche Positionen dazu, was beim Protest erlaubt ist und was nicht. Viele schließen Gewalt als Mittel grundsätzlich aus. Dazu zählen etwa das Bündnis Ende Gelände, das in den vergangenen Jahren durch große Tagebau-Besetzungen bekannt wurde, oder die neue Aktion Unterholz. Einen übergreifenden Aktionskonsens der vielen Beteiligten, die im Hambacher Wald gegen die Kohle protestieren, gibt es aber nicht. Seit Jahren gab es immer wieder einzelne Vorwürfe von Attacken auf Polizisten.

Die Anti-Kohle-Bürgerinitiative Buirer für Buir teilte unterdessen mit, dass in der Nacht zum Sonntag ihr sogenanntes "Bündnismobil" komplett ausgebrannt sei. Es geht um ein ausrangiertes Feuerwehrauto, das die Gruppe für Demonstrationen nutzte. Die Ursache für den Vorfall ist noch unklar.

Kohlekommission unter Druck

Da der Brand aber nach ersten Untersuchungen nicht vom Motor ausgegangen sei, sei eine Brandstiftung von Kohlebefürwortern zumindest denkbar, schreibt die Gruppe. "Ich glaube nicht an Zufall", sagte Andreas Büttgen von Buirer für Buir. "Nachdem immer wieder verbal gezündelt und wiederholt Symbole des Braunkohleprotestes zerstört oder entwendet wurden, liegt zumindest der Verdacht nahe, dass hier bewusst Brandstiftung erfolgte."

Das Fahrzeug stand in unmittelbarer Nähe zum Wohnhaus von Antje Grothus, die sich schon seit Jahren bei Buirer für Buir engagiert und Teil der kürzlich von der Bundesregierung einberufenen Kohlekommission ist. Das Gremium, das bis Ende des Jahres einen Weg für den deutschen Kohleausstieg vorzeichnen soll, steht wegen des Konflikts im Hambacher Forst seit Wochen unter Druck – obwohl der Wald eigentlich gar nicht auf der Tagesordnung der Kommission steht.

Umweltschützer fordern ein Moratorium für die Rodungen, solange die Kohlekommission arbeitet. Der Umweltverband BUND hat bereits gedroht, seine Mitarbeit in der Kommission zu beenden, sollten Bäume fallen. RWE hingegen beruft sich auf die vorliegende Genehmigung für das Roden. Gegenüber dem WDR sagte Harald Marx von der Leitung der RWE-Tagebauplanung am Samstag, dass die Bäume sogar im Falle eines sofortigen Braunkohle-Stopps gefällt werden müssten. Die Fläche werde benötigt, um die momentan steile Böschung der Grube zu stabilisieren.

In der Tat hat der Energiekonzern eine Genehmigung für die Rodung. Das Bäumefällen direkt zu verbieten ist deshalb schwierig. Der nordrhein-westfälische Landesverband des BUND versucht seit Jahren, durch Klagen ein entsprechendes Gerichtsurteil zu bewirken. Öffentlicher und politischer Druck könnte den Konzern aber dazu bewegen, die Rodungen von sich aus zumindest zu verschieben.

Hofreiter: "Merkel muss Genehmigungen entziehen"

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hat heute im Boulevardblatt Bild am Sonntag gefordert, Bundeskanzlerin Angela Merkel solle alte RWE-Kohlekraftwerke einfach stilllegen. "Wenn klar ist, dass die Kraftwerke bis spätestens 2020 stillgelegt werden, macht eine Rodung überhaupt keinen Sinn", sagte Hofreiter dem Blatt.

Die Argumentation dahinter: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Atomausstieg, in dem dieses dem Bund bescheinigte, dass er aus Umweltgründen alten Kernkraftwerken ohne Entschädigungen die Genehmigung entziehen kann, gelte auch für Kohlekraftwerke.

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