Am heutigen Donnerstagmorgen hat die Polizei Aachen mit der Räumung der etwa 60 Baumhäuser im Hambacher Forst begonnen. Mehrere Hundertschaften sind mit schwerem Gerät und Wasserwerfern im Einsatz.
Die Aktivisten, die zum Schutz des Waldes in den Baumhäusern ausharren, wurden gegen 8.20 Uhr per Megafon aufgefordert, ihre Bauten innerhalb von 30 Minuten freiwillig zu verlassen. Da dies nicht geschah, wird seit 9 Uhr geräumt.
Die Aktivisten wollen gewaltlos Widerstand leisten. Während die Polizei nun ein Baumhaus nach dem anderen demontiert, sind immer wieder Sprechchöre zu hören: "Hambi bleibt!" Oder auch: "Schämt euch!"
Seit Wochen spitzt sich die Lage im Hambacher Forst zu. Unter dem Schutz von Hundertschaften der Polizei hatten RWE-Mitarbeiter in der vergangenen Woche mit der Räumung von Infrastruktur der Waldbesetzer auf dem Waldboden begonnen, die Baumhäuser dabei allerdings noch unberührt gelassen.
Die Polizei hatte den Wald Ende August zum "gefährlichen Ort" erklärt und führt seither rund um die Uhr Personenkontrollen am Waldrand durch. Gestern kam es sogar zur Abfeuerung eines Warnschusses, nachdem nach Angaben der Polizei vermummte Personen mit Steinen auf Beamte geworfen hatten.
Baumhäuser verstoßen plötzlich gegen Bauordnung
Doch heute geht es offiziell nicht um die Braunkohle, auch nicht um Warnschüsse oder zivilen Ungehorsam. Offiziell geht es heute um eine banale Durchsetzung der Bauordnung.
Die Geschichte hat eigentlich schon Anfang September begonnen. Da stufte das Bauministerium die Baumhäuser der Waldbesetzer als Gebäude ein, wie Bruno Voß, Grünen-Fraktionschef im Kreistag Düren, Klimareporter° bestätigte. Und Gebäude müssen dem Baurecht nach selbstverständlich gewisse Brandschutzauflagen erfüllen.
So etwas wie Rettungstreppen haben die Baumhäuser aber naturgemäß nicht. Die Landesregierung sieht nun "Gefahr im Verzug für Leib und Leben der Baumhausbewohner aus Brandschutzgründen" und ordnete die sofortige Räumung an.
Der Zeitpunkt dieses Vorgangs ist gelinde gesagt auffällig: Manche der Baumhäuser sind sechs Jahre alt und schon einmal hatte das Ministerium überprüft, ob es sich nun formell um Gebäude handelt oder nicht. Das war 2014 und endete damit, dass die Baumhäuser eben nicht als Gebäude eingeordnet wurden.
Die Revision erfolgt ausgerechnet jetzt, wo RWE dringend in dem Wald roden möchte und der deutsche Kohleausstieg durch die von der Bundesregierung einberufene Kohlekommission erstmals konkret auf der bundespolitischen Agenda steht.
"Die Räumung soll die Rodung vorbereiten"
Umweltverbände kritisierten die Räumung scharf. "Wir sind empört darüber, dass RWE offenbar die Räumung des Hambacher Waldes veranlasst hat. Die Landesregierung assistiert dabei mit einer an den Haaren herbeigezogenen Begründung", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.
So werde der Eskalation des Konfliktes unnötig Vorschub geleistet, sagte Weiger. "Die Räumung der Aktivisten soll eindeutig die Rodung des Waldes vorbereiten."
Noch Anfang der Woche hatten sich der BUND sowie Greenpeace und der Dachverband Deutscher Naturschutzring mit RWE-Chef Rolf Martin Schmitz getroffen, um über den Hambacher Forst zu verhandeln. Das Krisengespräch hatte aber keinen Erfolg.
RWE hatte vorgeschlagen, erst am 15. Dezember mit der Rodung zu beginnen, also zwei Monate später als derzeit geplant. Konzernchef Schmitz stellte aber eine Bedingung: Die Verschiebung werde er nur veranlassen, wenn die Verbände die Rodung grundsätzlich akzeptieren.
Dazu waren die Umweltschützer nicht bereit. Aus ihrer Sicht ist eine "Neubewertung des Tagebaugrenzen" erforderlich, da sich die Rahmenbedingungen seit der Bewilligung der Rodung massiv verändert haben. Damals wurde noch nicht über einen Kohleausstieg verhandelt, es gab noch keine Kohlekommission, und das deutsche Klimaziel für 2020 schien auch noch erreichbar.
Somit platzte der Deal, den RWE den Umweltverbänden unterbreitete. "Damit bleibt es bei dem derzeit geplanten Rodungsbeginn ab Mitte Oktober", hieß es danach bei RWE.
"Der schwarze Peter für die Kommunen"
Der Linken-Klimapolitiker Lorenz Gösta Beutin nannte die heute begonnene Räumung des Hambacher Waldes einen "Brandbeschleuniger". Ohne Not habe die schwarz-gelbe Landesregierung in Düsseldorf "einen fadenscheinigen Räumungsgrund aus dem Hut gezaubert und den schwarzen Peter an die Kommunen rund um den RWE-Tagebau weitergereicht", so der Bundestagsabgeordnete. Das Land NRW führt die Räumung nämlich nicht selbst durch, dazu sind jetzt die die Bauämter der Stadt Kerpen und des Kreises Düren verpflichtet.
Mit Brandschutzgründen zu argumentieren sei besonders absurd, sagte Beutin. Schließlich habe die Polizei bei einer ihrer Durchsuchungsaktionen die Feuerlöscher im Wald zuvor beschlagnahmt.
Der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, kritisierte die Räumung als "Provokation" und "völlig unverantwortliche Eskalation". Auch er nannte die Brandschutz-Begründung "vorgeschoben" und "an den Haaren herbeigezogen". Dass die Räumung als einer der größten Polizeieinsätze in der Geschichte von NRW geplant werde, sage auch etwas über die Prioritätensetzung der allzu pro RWE orientierten Landesregierung aus, so Hofreiter.
Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Attacke auf die Kohlekommission