Konstituierende Sitzung der Kohlekommission Ende Juni 2018
Da strahlen sie noch: Drei der zuständigen Minister und drei der Kommissionschefs bei der konstituierenden Sitzung der Kommission "Wachstum, Beschäftigung und Strukturwandel" am 26. Juni. Von links: Hubertus Heil, Svenja Schulze, Ronald Pofalla, Peter Altmaier, Barbara Praetorius und Stanislaw Tillich. (Foto: Susanne Eriksson/​BMWi)

Acht Wochen, nachdem die Kohlekommission ihre Arbeit aufgenommen hat, stehen die Zeichen zunehmend auf Konfrontation.

Neben internen Querelen, von denen das Magazin Der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, wächst auch der Druck, den Gegner und Befürworter eines raschen Kohleausstiegs auf das Gremium ausüben. In drei Tagen, am Donnerstag, soll die Kommission nach der Sommerpause erneut zusammentreten.

Diesen Termin vor Augen, haben sich die Wirtschafts- und Energieminister von sechs Bundesländern am heutigen Montag explizit gegen eine "vorzeitige Beendigung der Kohleverstromung" ausgesprochen. Deren "Folgen für Versorgungssicherheit und Strompreise" müssten "stärkere Berücksichtigung" finden, fordern die Landesminister aus Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

Ihre Bundesländer seien "von einem vorzeitigen Kohle-Ausstieg besonders betroffen", erklären die Minister in ihrem Schreiben an die vier Vorsitzenden der Kommission. Zugleich kritisieren sie die bisherige Arbeit des Gremiums.

Die Kommission, so die Kritik, habe die "energiewirtschaftliche Ausgangslage" bislang "nur unzureichend" geklärt. Dies müsse jedoch geschehen, bevor ein Ausstiegsfahrplan festgelegt werde, heißt es in dem Schreiben.

"Die Kommission trägt nicht nur Verantwortung für die Beschäftigten der Kohlewirtschaft", warnt NRW-Fachminister Andreas Pinkwart (FDP), auf dessen Initiative das Schreiben der sechs Minister zurückgeht. "Ein vorzeitiger Kohleausstieg würde zu steigenden Börsenstrompreisen führen und der energieintensiven Industrie schaden."

Dabei stehe viel auf dem Spiel, so Pinkwart. "Die sichere Versorgung dieser Unternehmen zu international wettbewerbsfähigen Preisen entscheidet über die Zukunft von bundesweit mehr als 800.000 Arbeitsplätzen, ein Drittel davon in Nordrhein-Westfalen."

Pinkwart und seine Kollegen fordern deshalb "die Entwicklung und Durchführung eines Stresstests für Versorgungssicherheit, der die Entwicklungen in den europäischen Nachbarländern einbezieht".

Grundlegende Fragen strittig

Dass die Minister nun mit ihren Forderungen an die Öffentlichkeit geben, ist ein sicheres Zeichen dafür, dass es in der Kohlekommission nach wie vor keine Einigung über grundlegende Fragen gibt. Wie der Spiegel berichtet, ist es dem federführenden Bundeswirtschaftsministerium nach wie vor nicht gelungen, "einen gemeinsam akzeptierten Wissensstand" herzustellen.

Bereits die Frage, welche Bedeutung einzelne Kohlekraftwerke für die Versorgungssicherheit des deutschen Stromnetzes haben, ist demnach immer noch ein Streitpunkt. Welche Einschätzung sich schließlich durchsetzt, entscheidet aber darüber, wie schnell oder wie langsam der Kohleausstieg vollzogen wird. Kein Wunder also, dass die Debatte mit harten Bandagen geführt wird – es hängt tatsächlich viel daran.

Der Haltung des sechs Minister widersprechend, hat mittlerweile eine ganze Flut von Studien durchgerechnet, dass die Versorgungssicherheit in Deutschland keineswegs bedroht ist, wenn der Kohleausstieg zügig vonstatten geht. Dargelegt wird auch, wie der Kohleausstieg ausgestaltet sein müsste, damit die Versorgungssicherheit gewährleistet bleibt.

Das jüngste Papier zum Thema soll an diesem Mittwoch vorgestellt werden, einen Tag bevor die Kohlekommission wieder tagt – nämlich der "Kohlereport" der Umweltstiftung WWF und des Ökostrom-Unternehmens Lichtblick.

Auch die Kohlegegner gehen an die Öffentlichkeit. Ebenfalls am heutigen Montag haben Tagebaubetroffene, Umweltverbände und Bürgerinitiativen in einem offenen Brief ein Braunkohlenmoratorium gefordert. Dieses solle so lange gelten, "bis die genauen Rahmenbedingungen und die Ausgestaltung des Kohleausstiegs festliegen". Ansonsten drohten "weitere irreparable Schäden und nicht rückholbare Prozesse", heißt es in dem Schreiben.

Bereits im Frühjahr, Monate vor Einsetzung der Kohlekommission, hatten sich Umweltverbände mit der Forderung nach einem Moratorium an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gewandt. In der Zeit der Kommissionsarbeit müssten sämtliche Genehmigungsverfahren für neue Kohlekraftwerke und Braunkohle-Tagebaue oder deren Erweiterung ruhen, verlangten die Verbände als "vertrauensbildendes Signal". Altmaier lehnte damals ab.

Die von Tagebauen Betroffenen wenden sich mit ihrem offenen Brief nun an die Ministerpräsidenten ebenjener sechs Bundesländer, deren Fachminister heute genau das Gegenteil fordern. Der Streit um die Kohlekommission ist damit voll entbrannt.

Konflikte aufgeschoben

Nun rächt es sich, dass die Bundesregierung die Frage nach dem deutschen Kohleausstieg in eine Kommission ausgelagert hat, anstatt die Frage als das zu behandeln, was sie ist: eine politische Frage. Mit anderen Worten: Die große Koalition hätte selbst eine Entscheidung treffen und dafür die Verantwortung übernehmen müssen.

Dazu kommt, dass auch bei der Zusammensetzung und dem Mandat der Kommission unrealistische Vorstellungen zugrunde gelegt wurden. Weil man Konflikte vermeiden und den Kohleausstieg am liebsten in einem "möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens" über die Bühne bringen will, wurden insgesamt 31 Personen in die Kommission berufen, von denen 24 stimmberechtigt sind.

Diese Mitglieder vertreten teilweise diametral entgegengesetzte Überzeugungen. Die Suche nach einem Konsens muss sich deshalb logischerweise äußerst schwierig gestalten. Ob der straffe Zeitplan der Bundesregierung eingehalten werden kann, ist längst fraglich. Nach ursprünglicher Planung soll das Gremium noch vor der nächsten Weltklimakonferenz Anfang Dezember mit seiner Einschätzung fertig sein, ab wann und wie schnell sich Deutschland von der Kohle verabschiedet.

Mittlerweile gibt es auch schon den ersten Abgang in der Kommission. Jutta Allmendinger, die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), ist zurückgetreten. Sie nimmt stattdessen bis Ende des Jahres am Residenzprogramm des Thomas-Mann-Hauses in Los Angeles teil.

Ihre Nachfolgerin soll Christiane Schönefeld werden, die Regionaldirektorin für Nordrhein-Westfalen bei der Bundesagentur für Arbeit. Mit ihrer Berufung könnte das Arbeitsplatzargument bei dem schwelenden Konflikt um den Kohleausstieg noch mehr gestärkt werden – zulasten des Klimaschutzarguments.

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