Einige Kühe und Kälber stehen bei sonnigem Wetter unter einer hoch aufgeständerten Solaranlage im Schatten.
Den Kühen und ihren Kälbern gefällt es unter dem Solardach der Sunfarming-Versuchsanlage im brandenburgischen Rathenow. (Foto: Jörg Staude)

Kühe würden sich um die Gaskrise weniger Sorgen machen. Sie lieben es kühl und geraten schon bei Temperaturen von deutlich unter 30 Grad in Hitzestress.

Einschlägige Agrarportale sind derzeit voll mit Ratschlägen, wie Kühe auch bei Extremtemperaturen möglichst weiter ihre Hochleistung bringen können. So soll es auf der Weide ausreichend Schattenplätze geben und natürlich auch genügend Wasser in genügend großen Trögen.

Den Schatten kann auch eine aufgeständerte Solaranlage bieten, wie sie die Randberliner Solarfirma Sunfarming seit einiger Zeit im westbrandenburgischen Rathenow erprobt. Dort zeigen einige Kühe und Kälber, dass es sich unter den Solarpaneelen, die in drei verschiedenen Höhen hintereinander versetzt aufgebaut sind, aushalten lässt.

Auf den ersten Blick nicht zu sehen: Die Solarpaneele sind teilweise lichtdurchlässig. Sie haben auch auf der Unterseite Module, die das diffuse Licht nutzen, das vom Boden aus reflektiert wird.

Regnet es, bleiben die Rinder trocken, das Wasser wird aber gesammelt und so verteilt, dass auch der Boden unter dem Solardach etwas abbekommt. Zugleich verringern die Paneele die Verdunstung. So bleibt es darunter länger kühl – und das mögen die Tiere ja.

Den solaren Rinderoffenstall muss man nicht gleich nach Lesart der Agrarlobby in Tierwohl-Anlagen umbenennen, aber eine Art Klimaanpassung für Kühe stellen sie schon dar – mit dem Zusatzeffekt, dass die aufgeständerte Photovoltaik denselben Stromertrag bringt wie Freiflächenanlagen auf gleicher Fläche, wie Sunfarming-Projektmanager Stephan Franke bei einem Vor-Ort-Termin erläutert.

Natürlich sei der Betrieb einer konventionellen Solar-Freifläche etwas günstiger, räumt Franke ein. "Es gibt aber keinen wirklichen Grund, auf die Doppelnutzung der Fläche zu verzichten", betont er.

Für Landwirte nicht attraktiv

Sunfarming versucht auf der Versuchsanlage bei Rathenow die Realisierbarkeit der Doppelnutzung seit gut vier Jahren zu beweisen. Außer Kühen, Kälbern, Schafen und Hühnern finden sich unter den Solardächern auch all jene Pflanzen, auf die Agri-Photovoltaik schon lange ein Auge geworfen hat: Obst, Gemüse, Kräuter, Blumen, Beeren oder sogar Weinreben.

Die aufgeständerten Paneele bieten Schutz vor Extremwetter, also vor Hagel oder Starkregen oder vor sengender Hitze, und sorgen für mehr Biodiversität. Folienzelte sind überflüssig. Unter den Modulen soll auch genügend Platz sein, damit dort angepasste Ernte- oder Mähroboter arbeiten können – künftig einmal.

Einige Pflanzen stehen bei sonnigem Wetter unter einer hoch aufgeständerten Solaranlage im Schatten.
Bringt mehr Akzeptanz bei den Bürgern, aber weniger Ertrag für die Bauern: Agri-Photovoltaik, hier in der Rathenower Testanlage. (Foto: Jörg Staude)

Das Geschäftsmodell von Sunfarming sieht vor, dass die Firma die PV-Anlagen finanziert und betreibt. "Landwirte erwerben diese Anlagen wegen der hohen Investitionskosten, die im mehrstelligen Millionenbereich liegen, zumeist nicht selbst", erklärt Franke.

Den Strom setzt Sunfarming über direkte Lieferverträge ab. Die so zu erzielenden Strompreise seien heutzutage oft höher als die Vergütung über das EEG, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, erklärt der Projektmanager.

Während die Leute von Sunfarming ziemlich begeistert vom Mehrfachnutzen der Agri-Photovoltaik erzählen, wiegen mit dem Projekt kooperierende Landwirte eher skeptisch den Kopf. Die Erträge unter den Paneelen sollen teilweise um 40 Prozent niedriger liegen als ohne die Solartechnik. Diese Ertragsverluste können offenbar durch die Pachteinnahmen und die möglicherweise weiterlaufende EU-Förderung nicht ausgeglichen werden.

Auch mit den Kühen sei das so eine Sache, sagen die Bauern. Eine große Herde Milchkühe jeden Tag unter den solaren Schutz zu treiben und dort auch das nötige Futter und Wasser für eine ganze Herde hinzutransportieren, bedeute viel zu viel Aufwand. Unterm Solardach könne man nur junge Färsen parken, die noch nicht gekalbt haben, oder Kühe, die vor der nächsten Kalbung drei Monate nicht gemolken werden.

Keine rechtliche Besserstellung in Sicht

Agri-Photovoltaik und konventionelle Hochleistungslandwirtschaft – das passt offenbar noch nicht so richtig zusammen. Die Agri-Photovoltaik biete gerade mittelgroßen Landwirtschaftsbetrieben zusätzliche Einkünfte, ist sich Stephan Franke dagegen sicher. Damit könnten diese Betriebe ihr Geschäftsmodell beibehalten und stünden nicht vor der üblichen Alternative, wachsen oder weichen zu müssen.

Unbestritten recht hat Franke mit seiner Auffassung, dass sich mit Agri-Photovoltaik sehr viel grüne Energie erzeugen lässt, ohne gesellschaftliche Konflikte heraufzubeschwören. "In dieser Hinsicht ist Agri-PV das Beste, was wir als Branche hinbekommen können", sagt er.

Aus der Sicht von Sunfarming sollte die Agri-Photovoltaik deswegen ebenso wie die Windkraft in einem überragenden öffentlichen Interesse liegen. "Die Vorhaben sollten gesetzlich im Außenbereich genauso privilegiert werden wie Windkraft-Projekte", fordert Franke.

Das könnte der Agri-Photovoltaik einen gewichtigen Vorteil verschaffen – nicht gegenüber der Windkraft, sondern gegenüber konventionellen Solar-Freiflächenanlagen. Denn diese sind im Außenbereich nicht privilegiert und nur auf Grundlage eines genehmigten Bebauungsplans zulässig.

Das hindert finanzkräftige Investoren derzeit nicht, alle brauchbaren Flächen abzugrasen. Die sind dann allerdings für die Doppelnutzung weitgehend verloren, und das für die nächsten 20 bis 30 Jahre.

Eine rechtliche Besserstellung von Agri-Photovoltaik könnte dem entgegenwirken. Von solch gesetzgeberischem Mut ist die Ampel-Regierung allerdings weit entfernt.

"Bitte nicht bei uns"

Agri-PV-Projekte können sich derzeit, sofern sie nicht frei finanziert werden, an den sogenannten Innovationsausschreibungen beteiligen. Dort konkurrieren sie mit Solaranlagen auf Gewässern oder Parkplätzen oder solchen mit Speicherlösungen.

Forderungen von Erneuerbaren-Verbänden

Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) Nordrhein-Westfalen und der LEE Rheinland-Pfalz/​Saarland haben heute Forderungen zur Agri-Photovoltaik veröffentlicht:

  • Agri-PV-Anlagen sollen unabhängig vom Beitrag der Stromerzeugung zum Umsatz des Agrarbetriebs als "der landwirtschaftlichen Nutzung dienende Anlagen" in Paragraf 35 des Baugesetzbuchs aufgenommen und in vollem Umfang privilegiert werden.
  • Die Pflicht, Solaranlagen ab 135 Kilowatt zertifizieren zu lassen, müsse entfallen oder zumindest wieder erst ab 1.000 Kilowatt gelten. Die Zertifizierungspflicht sei eine "unsinnige bürokratische Hürde" und blockiere viele fertige Anlagen. Auch die Anmeldung müsse vereinfacht und vereinheitlicht werden.
  • In Rheinland-Pfalz dürfe die Landesregierung das im dortigen Ampel-Koalitionsvertrag angekündigte Förderprogramm für Agri-Photovoltaik nicht länger verzögern.

Bei der ersten Innovationsausschreibung im Mai dieses Jahres fielen von den rund 400 Megawatt, die am Ende von der Bundesnetzagentur bezuschlagt wurden, nur 21 Megawatt an die Agri-Photovoltaik – ein kümmerlicher Anteil von fünf Prozent.

Daran wird sich absehbar nicht viel ändern. Das Bundesforschungsministerium startete kürzlich unter dem Namen "Syn-Agri-PV" erst einmal ein auf drei Jahre angelegtes Projekt, um Agri-PV marktfähig zu machen. Für ihren Einsatz in Deutschland soll ein "Leitbild" erarbeitet werden.

Trotz des großen Potenzials konnten bisher in Deutschland nur sehr wenige, kleine Agri-PV-Projekte realisiert werden, wie es in der Projektankündigung heißt. Gründe sind rechtliche Hürden, fehlende Anreize und vergleichsweise aufwendige Genehmigungen.

Zunehmend gebe es auch die Sorge, so die weitere Klage, was die Akzeptanz bei der ansässigen Bevölkerung oder die Landschaftsattraktivität angeht.

Projektmanager Franke sind derartige "Sorgen" nur zu gut bekannt. Da seien in einer Gemeindevertretung Projekte zur Agri-Photovoltaik präsentiert worden, erzählt er, und die Reaktion sei dann gewesen: "Das wollen wir nicht. Grüne Energie? Bitte nicht bei uns."

Was die Kühe davon halten, ist leider nicht bekannt.