Ein Traktor zieht auf einem winterlich verschneiten Weg eine Straßen-Leitplanke hinter sich her.
Im Agrarsektor fehlen Leitplanken. Kann eine Art Klimageld helfen? (Bild: Johann Thun)

Essen muss jeder. Die Landwirtschaft ist absolut unverzichtbar, das kann niemand bestreiten. Doch auch sie muss umwelt- und klimafreundlicher werden.

Derzeit entstehen in Deutschland rund neun Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in diesem Sektor, der zudem als Hauptursache für den Rückgang der Artenvielfalt gilt. Trotzdem spielt das Thema im aktuellen Bundestagswahlkampf und auch in den Programmen der Parteien dafür nur eine geringe Rolle.

Einen innovativen Ansatz, wie die Emissionen in dem Bereich spürbar und auch sozialverträglich reduziert werden können, hat nun das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) entwickelt. Er überträgt das Modell "Klimageld" auf die Lebensmittelpreise.

Laut Umweltbundesamt betrugen die Emissionen der Landwirtschaft 2023 rund 52,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent, was 7,7 Prozent des Gesamtausstoßes Deutschlands ausmacht.

Vor allem Methan (CH4) und Lachgas (N2O) aus der Tierproduktion und dem Ackerbau spielen hier eine Rolle. Berücksichtigt man zusätzlich die energiebedingten Emissionen, steigt dieser Wert auf 60,3 Millionen Tonnen oder 8,9 Prozent.

Seit 1990 sind die Emissionen um knapp 26 Prozent gesunken, vor allem durch Effizienzsteigerungen im Pflanzenbau und in der Futterverwertung, ein verbessertes Düngemanagement sowie einen Rückgang der Tierzahlen.

Trotzdem muss der Ausstoß weiter sinken, die Bundesregierung hat im 2019 verabschiedeten Klimaschutzgesetz das Ziel ausgegeben, die Emissionen aus dem Agrarsektor bis 2030 auf 57 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent und dann weiter abzusenken. Laut der unlängst vorgestellten Klimabilanz der Denkfabrik Agora Energiewende für 2024 gab es hier allerdings zuletzt keinen Rückgang mehr.

"Agrar-Klimageld" soll pro Kopf komplett zurückfließen

Das PIK-Forschungsteam hat nun eine Klima-Abgabe auf Lebensmittel vorgeschlagen, die diese gemäß ihrer Klimabilanz verteuern würde. Das würde Einnahmen von über 8,2 Milliarden Euro pro Jahr generieren.

Diese Mittel sollen allerdings nicht im Staatshaushalt verbleiben, sondern pro Kopf gleichmäßig an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden, quasi als Agrar-Klimageld. Dadurch würden ärmere Haushalte im Vergleich zu reicheren Haushalten entlastet und es würde ein nachhaltigerer Konsum gefördert, argumentiert das PIK-Forschungsteam, zudem würden die Klimaziele im Agrarsektor erreicht.

 

Es gehe darum, die "die sozialen Kosten der Treibhausgas-Emissionen" der Lebensmittel abzubilden, erläuterte Julian Schaper, Erstautor der Studie und Gastwissenschaftler am PIK. Erschienen ist das Papier jetzt im Fachjournal Food Policy.

Spürbar verteuert würden durch die vorgeschlagene Klimaabgabe von rund 200 Euro pro Tonne Treibhausgase vor allem Fleisch- und Milchprodukte. Milch und Joghurt würden um etwa 25 Cent pro Kilo teurer werden, Rindfleisch sogar um über vier Euro pro Kilo. Deutlich geringer wären die Aufschläge bei pflanzlichen Lebensmitteln.

Folgen wären Veränderungen im Kaufverhalten und in der Agrarproduktion. "Haushalte würden dann mehr Lebensmittel einkaufen, die im Schnitt weniger Treibhaugas-intensiv sind, etwa Gemüse und Hülsenfrüchte", sagt PIK-Forscher Max Franks, ein Mitautor der Studie. Unter dem Strich würden die Agraremissionen laut der PIK-Berechnung um 15 Millionen Tonnen pro Jahr oder 22,5 Prozent sinken.

Das PIK-Team glaubt, dass die Kombination aus Agrar-Klimaabgabe und -Klimageld von der Kundschaft durchaus goutiert werden könnte. "Dabei ist es entscheidend, klar zu kommunizieren, dass die Maßnahmen erstens effektiv Emissionen reduzieren, zweitens sämtliche Einnahmen an die Öffentlichkeit zurückfließen und drittens einkommensschwächere Haushalte gezielt entlastet werden", argumentieren die Fachleute.

In dem PIK-Modell werden die eingenommenen 8,2 Milliarden Euro als Klimageld zurückgegeben, was ärmere Haushalte entlaste, während wohlhabendere eher höhere Kosten zu tragen hätten. "Diese Form der Rückverteilung schafft einen sozialen Ausgleich, der die Akzeptanz solcher Maßnahmen fördern kann", ist Franks überzeugt.

Parteien halten sich mit Agrar-Reformvorschlägen zurück

Das Agrar-Klimageld passt grundsätzlich zu den klimapolitischen Konzepten von Union, SPD, Grünen und Linken, die die CO2-Bepreisung im Gebäude- und Verkehrssektor mit der Rückgabe der Einnahmen an die Haushalte als wichtigen Faktor des nötigen Umbaus bezeichnen.

Inwieweit ein Agrar-Klimageld in diesem Zusammenhang eine Chance hätte, ist dennoch fraglich – vor allem, nachdem die öffentlichen Proteste von Bäuerinnen und Bauern Anfang vorigen Jahres die Politik in Berlin heftig unter Druck gesetzt haben. Auslöser war damals der Plan der Ampel-Bundesregierung gewesen, die Subventionen für Agrardiesel zu kappen und die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Maschinen zu beenden.

Die Parteien, die am meisten Chancen haben, die nächste Bundesregierung zu bilden, Union plus SPD oder Grüne, sind bei dem Thema in ihren Wahlprogrammen denn auch zumeist sehr vorsichtig.

CDU und CSU sehen vor, dass ökologische Ziele in der Landwirtschaft vor allem durch Innovationen sowie Honorierung von Natur- und Umweltschutzleistungen erreicht werden. Im SPD-Programm wird ein "konfliktfreies Miteinander von Land- und Energiewirtschaft, Tourismus, Industrie, Wohnen und Naturschutz" angepeilt, ohne dass allerdings klar wird, wie das genau erreicht werden soll.

Am ehesten passt das Agrarklimageld-Konzept wohl zu den Vorstellungen der Grünen. Die Ökopartei will zwar auch nicht als Bauernschreck dastehen. Man sei "offen für pragmatische Herangehensweisen", heißt es im Entwurf fürs Wahlprogramm. Gesetzt wird auf Innovationen, Digitalisierung, die Honorierung von Umweltleistungen der Betriebe, ein neues Bodenschutzgesetz, aber auch "marktwirtschaftliche Lösungen" wie eine EU-weite Pestizidabgabe.

Die theoretische Möglichkeit, auch ein Agrar-Klimageld einzuführen, gibt es immerhin. Die Ampel hat nämlich, noch unter dem inzwischen entlassenen Finanzminister Christian Lindner (FDP), die Voraussetzungen für eine Auszahlung von Geldern an alle Bürgerinnen und Bürger geschaffen.

Das hat zwar drei Jahre gedauert. Aber das Instrument wäre nun immerhin da, nutzbar von der nächsten Koalition im Bund.