Hier ist das polnische Braunkohlekraftwerk Bełchatów zu sehen. Es stößt in Europa am meisten CO2 aus.
Das polnische Braunkohlekraftwerk Bełchatów stößt in Europa am meisten CO2 aus. Gleich danach folgen Anlagen in Deutschland. (Foto: Grzegorz Mordalski/​Wikimedia Commons)

Geradezu gemäßigt klang Michał Kurtyka im Vergleich zu den anderen Rednern der Konferenz "Social Pre-COP", die in dieser Woche im polnischen Katowice stattfand. "Unsere Aufgabe ist es, einen fairen und inklusiven Wandel sicherzustellen, der das Klima schützt und die Entwicklung von Wirtschaft und Beschäftigung nicht außer Acht lässt", sagte er am Mittwoch auf der Eröffnungsveranstaltung. Kurtyka wird Präsident der Klimakonferenz COP 24 sein, die im Dezember ebenfalls in Katowice stattfindet.

Die "Social Pre-COP" sieht sich als Vor-Konferenz zur COP. Organisiert wurde die Veranstaltung mit dem Untertitel "Der polnische Weg zu einer sauberen Umwelt" von den drei größten Gewerkschaftsbünden des Landes, Solidarność, OPZZ und FZZ.

Schon die Titel der Veranstaltungen in den vergangenen drei Tagen weisen darauf hin, dass die Gewerkschaften nicht an ambitionierter Klimapolitik interessiert sind. "Kyoto – Paris – Katowice: Meilensteine zu effektivem Klimaschutz oder Steine im Weg?", hieß es da, oder auch "Bergbau ist okay für die Umwelt".

Polens Energieversorgung ist von der Kohle abhängig

Gegen Ende des Kongresses verabschiedeten die drei Gewerkschaften eine Abschlusserklärung. Darin fordern sie von der COP-24-Präsidentschaft, das Konzept der "Dekarbonisierung" durch das der "Klimaneutralität" zu ersetzen. Auch damit lasse sich erreichen, dass der Temperaturanstieg durch Treibhausgase deutlich unter zwei Grad Celsius bleibt, wie im Pariser Klimaabkommen vorgesehen.

Das Papier nennt auch zwei Wege, wie diese "Klimaneutralität" möglichst schnell erreicht werden soll: einerseits durch die Verringerung von Emissionen – was durchaus im Einklang mit "Dekarbonisierung" steht –, andererseits durch die zusätzliche Speicherung von Treibhausgasen in Böden, Wäldern und Mooren, also durch "negative Emissionen". Beide Wege seien "gleich wichtig".

Woher die Abneigung gegen die Dekarbonisierung kommt, wird klar, wenn man den polnischen Strommix anschaut. So machte Kohle im Jahr 2016 laut der Internationalen Energieagentur IEA 80 Prozent der Stromerzeugung aus. Zudem hat die Regierung in Warschau gerade erst eine neue Braunkohle-Strategie verabschiedet. Dazu gehört auch, neue Tagebaue aufzuschließen, um die Versorgung mit Braunkohle über das Jahr 2030 hinaus zu ermöglichen.

Alles soll bleiben, wie es ist

Da an der Kohle auch viele Arbeitsplätze hängen, positionieren sich die polnischen Gewerkschaften als Gegner eines ehrgeizigen Klimaschutzes. In ihrer Abschlusserklärung verlangen sie denn auch, dass "jeder Mitgliedsstaat des Pariser Klimaabkommens die Freiheit haben soll, über seinen Energiemix zu entscheiden". Länder, deren Volkswirtschaften besonders von fossilen Brennstoffen abhängig seien, dürften nicht "diskriminiert" werden.

Zudem müssten die sozialen und ökonomischen Konsequenzen von Klimaschutzmaßnahmen für einzelne Länder aufgeschlüsselt werden. Als Beispiel nennen die Gewerkschaften das Gleichgewicht zwischen neu geschaffenen und verlorenen Jobs.

"Die Pre-COP ist eigentlich eine gute Gelegenheit für Interessenvertreter, sich mit dem Einfluss von Klimaschutzmaßnahmen auf die Kohleindustrie auseinanderzusetzen", sagt Oskar Kulik, Klimareferent beim WWF Polen, gegenüber Klimareporter°. "Allerdings war ich sehr besorgt über die Präsentationen, die es dort gab."

Auch wenn es niemand ausdrücklich gesagt habe, so Kulik, sei der Tenor der meisten Reden gewesen, dass alles so bleiben soll, wie es ist. "Das ist unverantwortlich zu einem Zeitpunkt, wo Polen bald den Klimagipfel leiten wird."

WWF Polen schreibt an Präsident Duda

Die größte Aufregung gab es über einen Redebeitrag von William Happer. Der US-Amerikaner ist emeritierter Physik-Professor der Universität Princeton und Mitglied bei "Clexit", einer Gruppe von Klimawandelleugnern. "Happer hat in seiner Rede explizit gesagt, dass es keine Erwärmung gibt", ärgert sich Kulik.

Besonders bedenklich findet er, dass die gesamte Veranstaltung – und damit auch Happers Redebeitrag – unter der Schirmherrschaft des polnischen Präsidenten Andrzej Duda stand. "Das finde ich verstörend", sagt Kulik. Der WWF Polen arbeite schon an einem Beschwerdebrief an den Präsidenten.

Zumindest die polnischen Gewerkschaften machen in ihrer Abschlusserklärung klar, was sie am liebsten glauben wollen: "Wir unterstützen Anstrengungen, eine Debatte über die wirklichen Gründe der Klimaerwärmung zu organisieren, die von einem wissenschaftlichen Konsens in dieser Hinsicht gekrönt wäre."

In Wirklichkeit ist der wissenschaftliche Konsens längst hergestellt: Laut mehreren Studien stimmen rund 97 Prozent der Klimawissenschaftler der Aussage zu, dass der Mensch Hauptverursacher der globalen Erwärmung ist.

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