Verhandler aus Saudi Arabien auf der COP 24
Realitätsverweigerung: Ein Verhandler aus Saudi-Arabien auf der Klimakonferenz COP 24 in Katowice. (Foto: Kiara Worth/​IISD)

Es sollte ein leichtes Spiel werden. Drei Jahre nach dem gefeierten Übereinkommen von Paris soll auf dem Klimagipfel COP 24 im polnischen Katowice ein Regelwerk verabschiedet werden, das mit den Versprechen der Weltgemeinschaft aus dem Jahr 2015 Ernst macht und allen einen klaren Verhaltenskatalog ab 2020 gibt. "Paris 2.0" schien lange zum Greifen nahe.

Nun aber probt eine kleine Staatengruppe um die USA, Russland und die Opec-Staaten an einer scheinbar unscheinbaren Stelle den Aufstand. Mit anderen Worten: Knallharte Geopolitik ist zurück in den Klimaverhandlungen.

Damit hängt nun ein Damoklesschwert über dem UN-Klimagipfel in Katowice, sodass es am Ende schwierig werden könnte – denn es gilt der Grundsatz: Es ist so lange nichts beschlossen, bis alles beschlossen ist.

Paris-Abkommen funktioniert über "Naming and Shaming"

Im Übereinkommen von Paris verpflichten sich die 192 Teilnehmerstaaten, national festgelegte, freiwillige Beiträge zum weltweiten Klimaschutz, zur Klimaanpassung und zur Klimafinanzierung zu liefern – im Konferenzsprech Nationally Determined Contributions (NDCs).

Die Details blieben dabei offen: Was genau ist ein NDC? Was muss darin aufgeführt werden? Wie lange bindet ein NDC, fünf oder zehn Jahre? Und vor allem: Was passiert bei Nichteinhaltung der freiwilligen Zusagen? Diese Fragen müssen die Verhandler in Katowice beantworten, damit das Paris-Abkommen kein leeres Versprechen bleibt.

Foto: UFZ

Zur Person

Reimund Schwarze ist Professor für Internationale Umweltökonomie an der Frankfurter Viadrina, Forscher am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ in Leipzig und Berater von Klimareporter°.

Der sogenannte Transparenzmechanismus des Paris-Abkommens sieht vor, dass die NDCs alle fünf Jahre auf ihre Einhaltung überprüft werden. So weit, so klar. Was passiert, wenn Staaten die NDC-Regeln aber verletzen, bleibt im Unklaren. Sanktionen sind nirgendwo im Dokument genannt.

Ganz im Gegenteil wird wiederkehrend im Paris-Abkommen, wie auch jetzt im Regelwerk, erklärt, dass die Institutionen des Transparenzmechanismus "weder als Vollzugs- noch als Streitschlichtungs-Mechanismen wirken sollen, weder Strafen noch Sanktionen auferlegen dürfen, sondern uneingeschränkt die nationale Souveränität beachten müssen."

Wie soll dann das Paris-Abkommen überhaupt wirken? Politikwissenschaftler reden vom "Naming and Shaming". Das heißt: Bei Regelverletzungen werden die verantwortlichen Staaten beim Namen genannt und mit dem Hinweis auf den Regelverstoß im Kreis der Staatengemeinschaft "beschämt". Dieses öffentliche Anprangern ist unausgesprochen immer zulässig bei den Zusammenkünften der Vereinten Nationen – und es wirkt, wie die Erfahrungen in anderen internationalen Abkommen zeigen.

"Versteckte Sanktionen im Paris-Abkommen"

Im jetzt diskutierten Regelwerk für das Paris-Abkommen finden sich allerdings noch zusätzliche "versteckte" Sanktionen. Ein Beispiel sind konkret aufgeführte Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Länder am internationalen Emissionshandel des Paris-Abkommens teilnehmen dürfen.

Mit dem Entzug dieser Möglichkeit werden Staaten, die nicht regeltreu handeln, ökonomisch bestraft. Das Prinzip ist also der Entzug der Karotte als Belohnung, nicht der strafende Stock. Selbst das darf im Regelwerk allerdings nicht als solches bezeichnet werden.

Das sollte eigentlich kein Grund für eine Kontroverse sein. Tatsächlich schien das "Regelwerk von Paris" nach langen Verhandlungen in Bonn und Bangkok nahezu in trockenen Tüchern. Dann geschah etwas Unvorhergesehenes.

Kurz vor der angesetzten Verhandlungspause der COP 24 wurde am Samstagabend in einem Nebenstrang der Verhandlungen der Sonderbericht des Weltklimarats zum 1,5-Grad-Ziel von einer Staatengruppe um Saudi-Arabien nicht "willkommen" geheißen, sondern nur "zur Kenntnis genommen". Und damit vor der versammelten Staatengemeinschaft als Leitlinie des Handelns ausdrücklich infrage gestellt.

Verhandlungsführung reagiert verunsichert

Was die USA betrifft, so dürfte klar sein, warum sie das 1,5-Grad-Ziel nicht begrüßen wollen. Zum einen sträubt sich US-Präsident Donald Trump aus Prinzip gegen jedwede internationale Verpflichtung. Zum anderen dürften die USA jede Festlegung vermeiden wollen, die auch nur entfernt die Möglichkeit eröffnet, zu einer bestimmten Politik verpflichtet oder gar verklagt zu werden.

Die Ölländer Saudi-Arabien und Kuwait hingegen haben ein Interesse daran, möglichst lange ihre reichen Ölschätze auszubeuten. Würde sich das 1,5-Grad-Ziel durchsetzen, könnte das einen viel früheren Abschied vom Öl bedeuten.

Die düpierte Wissenschaftsgemeinschaft meldete sogleich lautstark Protest an, die polnische Verhandlungsführung reagierte verunsichert und hektisch. An sich für die Verhandlungsgegenstände von Katowice unbedeutend, droht diese Blockade den Gesamtprozess für "Paris 2.0" zu gefährden. Ausgang ungewiss. Die Verhandlungen könnten nun über Samstag hinaus in die Verlängerung gehen.

Alle Beiträge zur Klimakonferenz COP 24 in Polen finden Sie in unserem Katowice-Dossier

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