Marokko COP 22
Für gute Stimmung zu sorgen, gehört zu den Grundregeln der Gastgeber von Weltklimagipfeln, hier in Marokko 2016. (Bild: Benjamin von Brackel)

Deutschlands Image als Vorzeigeland des Klimaschutzes weist schon seit Längerem Blessuren auf. Ihr Klimaziel für 2030 kann die Bundesrepublik praktisch nicht mehr erfüllen, jedenfalls nicht mehr aus eigener CO2-Reduktionskraft. Ein teurer Zukauf von Emissionsrechten ist unvermeidlich.

Die vor zwei Jahren beim Klimagipfel in Glasgow eingegangene Verpflichtung, keine fossilen Investitionen im Ausland mehr zu unterstützen, versucht die Bundesregierung nach wie vor zu umschiffen – beim Erdgas-Großprojekt in Senegal genauso wie beim Ausbau der LNG-Infrastruktur in den USA.

Auf dem heute beginnenden 28. Weltklimagipfel (COP 28) in Dubai will eine sogenannte "High Ambition Coalition" von Staaten den Einstieg in den Ausstieg aller fossilen Brennstoffe beschließen. Deutschland ist zwar aus seinem klimapolitischen Selbstbild heraus Mitglied dieser Koalition der Ehrgeizigen, trägt aber bislang die Ausstiegsforderung nicht mit.

In Dubai wird nicht nur Bundeskanzler Olaf Scholz im Reigen der Staats- und Regierungschefs erwartet, deren Reden die ersten Gipfeltage dominieren werden. Auch die Spitzen fünf deutscher Ressorts wollen sich, soweit bekannt, auf dem Gipfel sehen lassen: Außenamt, Wirtschaft, Umwelt, Entwicklung und Verkehr.

Das bisher größte klimapolitische Schaulaufen einer Bundesregierung ist nun allerdings durch das 60-Milliarden-Urteil des Bundesverfassungsgerichts und das darauf folgende finanzielle Staatsbeben in ziemliche Schwierigkeiten geraten.

Klima-Gelder für 2023 und 2024 gefährdet

Denn auf so einer COP verkünden die Ministerinnen und Minister gern vor versammelter Weltöffentlichkeit Klimaprojekte und -partnerschaften und sagen dabei gleich auch mindestens eine Anschubfinanzierung zu. Paradebeispiel für dieses Vorgehen ist die heute in den Medien sogleich als "Durchbruch" gefeierte Initiative, bei der Deutschland 100 Millionen Dollar für den noch klammen Loss-and-Damage-Fonds lockermacht.

In welcher Höhe Deutschland solche Finanzzusagen insgesamt für Dubai plant, ist nicht öffentlich bekannt. Schätzungen gehen aber in die mehrere hundert Millionen Euro.

Das Geld dafür besteht meist aus sogenannten Verpflichtungsermächtigungen, die der Finanzminister dem jeweiligen Ressort zusagt. Diese werden dann nach und nach eingelöst.

Die entsprechenden Mittel kommen zwar nicht aus dem vom Karlsruher Urteil betroffenen Klima- und Transformationsfonds, aber weil die Projekte meist über mehrere Jahre laufen, lässt sich schwer einschätzen, was die bereits beschlossenen Haushaltssperren und die völlige Neufassung des Bundeshaushalts 2024 für die Klimagelder bedeuten.

Das betrifft auch die deutsche Selbstverpflichtung, jährlich sechs Milliarden Euro zur internationalen Klimafinanzierung beizusteuern. Dieses Geld stammt größtenteils ebenfalls aus dem Bundeshaushalt sowie zum kleineren Teil von der Förderbank KfW.

2022 brachte Deutschland für die internationale Klimafinanzierung 6,39 Milliarden Euro auf. 56 Prozent davon flossen in Klimaschutzprojekte und 44 Prozent in Anpassungsmaßnahmen – vor allem in schwach entwickelten Ländern, die zugleich besonders unter den Folgen des Klimawandels leiden.

Der größte Teil dieser 2022er Mittel – 86 Prozent – steckt im Haushalt des Entwicklungsministeriums. Diese Gelder sind durch die aktuellen Haushaltsprobleme nicht gefährdet.

Inwieweit das aber für die 5,1 Milliarden Euro gilt, die bisher für die diesjährige Klimafinanzierung vorgesehen sind, ist unklar. Das Finanzministerium hat die Ausgabe neuer Verpflichtungsermächtigungen für 2023 generell gestoppt, um, wie es heißt, Vorbelastungen für kommende Jahre zu vermeiden.

Wenigstens die sechs Milliarden von 2022 sind auch für Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig "in trockenen Tüchern". Dieses Geld werde außerdem durch Mittel aus dem Bankensektor aufgestockt, die ja keiner Haushaltssperre unterlägen, zerstreut der Klimaökonom weitergehende Befürchtungen.

Deutsche Haushaltslage ist schon Thema in Dubai

Diskutiert wird die schwierige deutsche Haushaltslage auch schon auf dem beginnenden Klimagipfel selbst, merkt Viviane Raddatz vom WWF an, die bereits vor Ort in Dubai ist. So etwas hätte man von Deutschland nicht erwartet, sagt die Klimachefin der Umweltstiftung.

Nach ihrem Eindruck wird in Deutschland gerade alles unternommen, um das Problem in den Griff zu bekommen. Zu den Ressortchefs, die auf keinen Fall mit leeren Händen zum Gipfel wollen, gehört Bundesumweltministerin Steffi Lemke.

Das Umweltressort hat mit dem Verfassungsgerichtsurteil auf einen Schlag knapp eine Milliarde Euro verloren, die im Klima- und Transformationsfonds für Maßnahmen zur Klimaanpassung in Deutschland vorgesehen waren. Seitdem wird die grüne Ministerin nicht müde, darauf hinzuweisen, dass bei der Haushaltsneuordnung der Klimaschutz nicht unter den Tisch fallen dürfe.

Dasselbe Bundesverfassungsgericht, das jetzt die Schuldenverschiebung in den Klimafonds für nichtig erklärte, habe mit seinem Klimaurteil vor zwei Jahren auch dafür gesorgt, dass das Klimagesetz verschärft werden musste, betonte Lemke am Dienstag bei der Präsentation des neuen Klimaanpassungsberichts.

Umweltministerin bekräftigt internationale Pflichten

Die Bundesregierung sei also geradezu verpflichtet, für die gestrichenen Klimafonds-Gelder eine gute Lösung zu finden, argumentierte Lemke. "Wir sollten nicht die Augen davor verschließen, dass die ökologischen Krisen – die Klimakrise und das Artensterben – nicht pausieren." Deutschland werde nach dem neuerlichen Spruch aus Karlsruhe nicht von seinen internationalen Verpflichtungen zurücktreten, sicherte sie zu.

Auf die Frage, ob nicht auch der Abbau umweltschädlicher Subventionen zur Lösung der Finanzprobleme beitragen könnte, antworte Lemke wie gewohnt ausweichend. Die Ampelkoalition habe sich darauf verständigt, an dieser Frage zu arbeiten, sagte die Umweltministerin und gab damit in etwa den Stand wieder, wie er vor zwei Jahren im Koalitionsvertrag niedergeschrieben wurde.

 

Das Chaos um Bundeshaushalt, Klimafinanzierung und die grüne Transformation der Wirtschaft schwächt auch Deutschlands Stand auf dem Weltklimagipfel, bekräftigt Brick Medak vom Naturschutzbund Nabu. "Dass ein wichtiger Akteur in der Klimadiplomatie wie Deutschland ins Strudeln gerät, wird in Europa und weltweit sehr genau wahrgenommen", betont der Nabu-Klimaexperte.

Deutschland habe bisher mit seinen finanziellen Zusagen eine wichtige Rolle dabei gespielt, die Industriestaaten und den globalen Süden bei der Finanzierung von Klimaschutz zusammenzubringen, so Medak weiter. Auch in Richtung ihrer internationalen Partner müsse die deutsche Regierung deshalb jetzt für Klarheit im Bundeshaushalt sorgen.