Graffito an einer Ziegelmauer: Zwei türkisfarbene Wellen schlagen hoch.
Während die Klimakrise eskaliert, verschieben die Vertragsstaaten den Klimaschutz auf nächstes Jahr. (Foto: Michael Gaida/​Pixabay)

Der Klimagipfel ist Stoff für einen Hollywoodfilm. Die Mächtigen der Welt versammeln sich. Gemeinsam beraten sie Tag und Nacht, wie sie die Menschheit vor einer nahenden Katastrophe retten können. Und wie viele Hollywoodfilme dauert er viel zu lange und hat ein beschissenes Ende.

Denn seien wir doch mal ehrlich. Es gibt nach dieser Konferenz nichts, aber auch absolut gar nichts zu feiern. Viel zu oft liest man dieser Tage in Pressemitteilungen und Resümees: Klimaschutz enttäuschend, aber riesiger Schritt für Klimagerechtigkeit.

Ja, die Länder haben sich darauf verständigt, einen Fonds zum Ausgleich von Klimaschäden in ärmeren Ländern einzurichten. Und ja, über eine derartige Regelung wird seit mehr als zehn Jahren gerungen.

Aber das ist doch der eigentliche Skandal. Überschwemmung in Pakistan, Dürre und Hunger in Ostafrika und Irak – und ein minimales Zugeständnis der reichen Länder soll dann mit einem Feuerwerk zelebriert werden?

Und es ist ja nun wirklich nur ein minimales Zugeständnis. Die Länder haben beschlossen, dass ein Fonds auf den Weg gebracht werden soll. Auf den Weg gebracht! Wer wem wie viel Geld zahlt, steht noch zur Diskussion. Und das sind keine trivialen Fragen, sondern Auseinandersetzungen mit extrem verhärteten Fronten und dem Potenzial, das ganze Vorhaben unbestimmt aufzuschieben.

Politiker:innen und Journalist:innen halten diesen Fonds indessen wie ein Feigenblatt vor den sonst noch blamableren Abschlussbericht. Derweil gibt es noch gar keinen Fonds, sondern eben nur das klappernde Gerüst dafür. Das kann jeden Moment von einer neuen geopolitischen Wetterlage umgeweht werden.

Bremse statt Turbo

Es kann ja nicht die ganze Konferenz für nichts gewesen sein, so die scheinbare Logik vieler Bilanz-Autor:innen. Und eine Bilanz, in der sich gute und schlechte Aspekte abwechseln, liest sich auch einfach runder. Aber eine geschönte Bilanz hilft nicht gegen den Klimawandel.

Immerhin, beim Klimaschutz sind sich alle einig: Mit aller Augenwischerei kann nichts Gutes, nichts Erbauliches in diesen Abschlussbericht hineininterpretieren werden. Das Arbeitsprogramm zur Emissionsreduktion ist ein Witz.

Es gibt keine Jahresziele, und auch Ziele für die einzelnen Sektoren haben es nicht ins Programm geschafft. Ganz im Gegenteil: Das Arbeitsprogramm – halten Sie sich fest – verbietet sogar eine Verschärfung der Klimaziele. Also statt auf den Turbo ist man beherzt auf die Bremse getreten.

Zuallerletzt: Der ewige blinde Fleck der Konferenzen bleibt blind. Der Ausstieg aus den fossilen Energien hat es wieder mal nicht in den Abschlussbericht geschafft.

Wer ist schuld an dem gefloppten Klimagipfel? Nun, mit Ruhm bekleckert hat sich die ägyptische Konferenzpräsidentschaft nicht. Das Gastgeberland soll neutral durch die Verhandlungen führen. Ägypten hat stattdessen ambitionierte Vorschläge, wie eben den Fossil-Ausstieg, schlicht ignoriert und nicht in den Verhandlungstext aufgenommen. Das ist eine Frechheit.

Abschlussbericht rechtfertigt keinen Langstreckenflug

Nicht überraschend, investiert Ägypten massiv in die eigene Erdgas-Infrastruktur und ist finanziell von Ölstaaten wie Saudi-Arabien abhängig.

COP 27 in Sharm el-Sheikh

Bei der 27. UN-Klimakonferenz in Sharm el-Sheikh ging es um die Zukunft des globalen Klimaschutzes. Ein Team von Klimareporter° war vor Ort in Ägypten und berichtete mehrmals täglich.

Aber so einfach dürfen wir es uns nicht machen. EU-Vize Timmermans kann noch so oft beteuern, dass Europas Hunger nach Erdgas nur ein Übergangsphänomen ist. Ägypten baut auch deshalb die Gasinfrastruktur aus, weil die Nachfrage aus Europa steigt.

Durch ihre Investitionen in fossile Projekte in Afrika hat die EU international viel an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Vorhaben wie das Gasprojekt in Senegal schaffen langfristige Abhängigkeiten und sind nicht mit dem 1,5-Grad-Limit zu vereinbaren. Damit hat Europa seine Verhandlungsposition auf der Konferenz selbst geschwächt.

Passend zum pessimistischen Anfang und Mittelteil nun auch noch ein pessimistischer Ausblick: Zur nächsten UN-Klimakonferenz kommt alle Welt in den Vereinigten Arabischen Emiraten zusammen. Wir haben dieses Jahr gesehen, wie destruktiv ein Gastgeberland sein kann, das seine eigenen Interessen durchdrückt. Man will nicht vorverurteilen, darf sich aber wohl bei einem Land, dessen gesamte Wirtschaft auf fossile Energien ausgelegt ist, zumindest um die angebotene Neutralität sorgen.

Darum mein Tipp an alle Delegierten, Nichtregierungsorganisationen, Pressevertreter:innen und an mich selbst: Klebt euch nächstes Jahr lieber an der Startbahn fest, anstatt in den Flieger zu steigen. Denn ein Abschlussbericht wie dieses Jahr rechtfertigt keinen Langstreckenflug.

Anzeige