"Dieser Text sieht wie ein Bluff der Präsidentschaft aus", findet Linda Kalcher vom europäischen Thinktank Strategic Perspectives. Gemeint ist der Textentwurf für das Abschlussdokument der 29. UN-Klimakonferenz (COP 29) in Aserbaidschans Hauptstadt Baku.
Die Konferenz soll bis Freitagabend ein neues Ziel für die internationale Klimafinanzierung verabschieden, um das bisherige, dieses Jahr auslaufende Ziel zu ersetzen.
Zurzeit unterstützen die Industriestaaten die Entwicklungsländer mit 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr an Klimahilfen. Doch der neue Text enthält zu dem, was künftig sein soll, nichts Neues.
Noch immer stehen die unvereinbaren Positionen der beiden Ländergruppen als Optionen nebeneinander: Die Entwicklungsländer fordern mehrere hundert Milliarden in Form von Zuschüssen – die Industriestaaten wollen primär einen Mix aus privaten Investitionen und Krediten, die durch sehr viel geringere Zuschüsse gehebelt werden sollen.
"Der Text karikiert die Positionen"
Was Kalcher moniert, ist, dass die Konferenzpräsidentschaft nicht versucht hat, einen Kompromiss zwischen den Positionen zu skizzieren. Joe Thwaites von der US-Umweltorganisation NRDC teilt diese Ansicht: "Der Text karikiert die Positionen hinsichtlich des Ziels. Die Präsidentschaft muss eine dritte Option vorschlagen, die eine Brücke zwischen beiden schlägt."
Doch dafür war es in den Augen der COP-Präsidentschaft wohl noch zu früh. Um besser zu verstehen, wie eine solche Brücke aussehen könnte, berief sie am Donnerstag ein Ministertreffen im Kurultai-Format ein. Ein Kurultai ist ein Treffen mongolischer Fürsten, um politische und militärische Fragen zu erörtern oder Anführer zu wählen. Auch Dschingis Khan wurde so gewählt. Ob sich das Format auch für Klimakonferenzen eignet, ist noch unklar.
Vertreter westlicher Industriestaaten und mancher Entwicklungsländer wie der kleinen Inselstaaten betonten in dem Treffen die Bedeutung von Emissionssenkungen. Hier haben die Verhandlungen noch so wenige Fortschritte erzielt, dass die deutsche Klimabeauftragte Jennifer Morgan am Dienstag sagte: Bei den Emissionen "sitzen wir vor einem weißen Blatt Papier".
Die Länder konnten sich bislang noch nicht einmal darauf verständigen, eine Formulierung vom letztjährigen Klimagipfel in Dubai zu bekräftigen: die "Abkehr von den fossilen Energien".
Wenn man ihnen Vertraulichkeit zusichert, sagen Verhandler in Baku auch klar, an welchem Land das liegt: Saudi-Arabien. Alden Meyer vom Umwelt-Thinktank E3G wird noch etwas deutlicher: Saudi-Arabien verhalte sich "wie eine Abrissbirne". Doch wie das Kurultai-Treffen gezeigt hat, wollen sich das viele Länder nicht länger bieten lassen.
Interreligiöses Bündnis gegen Frauenrechte
Vor dem Hintergrund, dass das COP‑29-Ergebnis noch hinter dem der COP 28 in Dubai zurückbleiben könnte, ist es umso wichtiger, dass es auch Länder gibt, die bei der Emissionsreduktion eine Führungsrolle beanspruchen. Am Donnerstag kündigten die EU, die Schweiz, Mexiko, Chile und einige andere Länder an, nächstes Jahr Klimapläne einzureichen, die mit dem Ziel kompatibel sind, die Klimaerwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen.
Nächstes Jahr müssen alle Länder Klimapläne für das Jahr 2035 einreichen. Wie diese Pläne aussehen, ist den Ländern aber freigestellt. Daher ist entscheidend, dass sich Ländergruppen finden, die sich für möglichst ehrgeizige Emissionssenkungen einsetzen.
Melanie Robinson von der US-Umweltorganisation WRI sagte daher: "Diese Ankündigung einer breiten Koalition von Ländern ist ein starkes Zeichen der Führungsstärke in den letzten Tagen der UN-Klimagespräche."
Doch zurück zu Saudi-Arabien und einem unerwarteten Verbündeten des wahhabitischen Königreichs. Der Erdölstaat blockiert die Verhandlungen über die Geschlechteraspekte der Klimakrise. Dabei wird er von Russland unterstützt, was nicht ungewöhnlich ist – und vom Vatikanstaat.
Der Heilige Stuhl hat bei Klimakonferenzen nur Beobachterstatus, doch das reicht offenbar, um Einfluss auf die Verhandlungen zu nehmen. Konkret geht es um die Fortführung eines Arbeitsprogramms zu Genderfragen, das bereits seit einem Jahrzehnt existiert.
COP 29 in Baku
Bei der 29. UN-Klimakonferenz in Aserbaidschan geht es um ein neues Ziel für die internationale Klimafinanzierung. Klimareporter° ist mit einem Team vor Ort und berichtet täglich.Frauen und Mädchen haben besonders unter den Folgen der Klimakrise zu leiden. Wenn Brunnen austrocknen, müssen sie etwa weiter laufen, um Wasser zu holen. Auch werden Mädchen eher aus der Schule genommen, wenn Familien wegen klimabedingter Schäden in finanzielle Not geraten.
Das zehn Jahre alte Arbeitsprogramm soll daher für mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Klimapolitik sorgen. Doch auch das will Saudi-Arabien nicht und bekommt dabei Unterstützung aus dem Vatikan.