Etwa ein Viertel der Menschheit hat laut dem aktuellen Weltwasserbericht der Vereinten Nationen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. In Haushalten ohne fließendes Wasser sind meist Frauen und Mädchen für die Wasserbeschaffung zuständig.
Laut einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), die im Fachjournal Nature Climate Change erschienen ist, müssen sie in Zukunft wegen des Klimawandels zum Teil womöglich deutlich mehr Zeit für diese Aufgabe aufbringen. Das könnte Folgen für das Wohlbefinden dieser Frauen und Mädchen haben, aber auch für die Entwicklung und Wirtschaft derjenigen Länder, in denen sie leben, schreiben die Forscher:innen.
In ihrer Studie untersuchten sie zunächst, wie sich frühere Veränderungen der klimatischen Bedingungen auf Wasserholzeiten ausgewirkt haben. Dafür sammelten die Wissenschaftler:innen Daten von Haushaltsbefragungen aus 347 Regionen auf vier Kontinenten im Zeitraum zwischen 1990 und 2019.
Im weltweiten Schnitt verbrachten Frauen demnach täglich knapp 23 Minuten mit Wasserholen. Betrachtet wurden in der Studie allerdings nicht alle Regionen der Welt, in denen Frauen und Mädchen für das Wasserholen zuständig sind, sagte Studienautorin Leonie Wenz der Süddeutschen Zeitung.
Auch gab es je nach Region zum Teil große Unterschiede. In der indonesischen Hauptstadt Jakarta waren die Frauen nur knapp vier Minuten am Tag mit Wasserholen beschäftigt, in der äthiopischen Region Afar dagegen fast zwei Stunden. Generell verbrachten Frauen im Süden und Osten Afrikas im Vergleich zu den anderen Regionen mit 30 bis 60 Minuten pro Tag am meisten Zeit mit dieser Aufgabe.
Wenn es heißer wird, schwinden die Wasservorräte
"Höhere Temperaturen und weniger Niederschlag haben in der Vergangenheit zu längeren täglichen Wasserholzeiten geführt", erläuterte Studienautor Maximilian Kotz. Da es seltener regne und mehr verdunste, sinke der Wasserspiegel.
Die Frauen müssen demnach mehr Zeit aufbringen, um an das verbleibende Süßwasser zu gelangen. Auch könne die zunehmende Hitzebelastung dazu führen, dass sie länger brauchen, um zu den Wasserquellen zu gelangen.
Um herauszufinden, wie sich der Klimawandel künftig auf Wasserholzeiten auswirken wird, kombinierten die Forscher:innen ihre Erkenntnisse über die Vergangenheit mit Temperatur- und Niederschlagsprognosen moderner Klimamodelle. Anhand verschiedener Szenarien erforschten sie, welche Folgen kommende Klimaveränderungen voraussichtlich für die Wasserholzeiten haben werden.
In einem Szenario mit anhaltend hohen CO2-Emissionen und einer entsprechenden Erderwärmung um zwei Grad Celsius oder mehr werden Frauen bis 2050 bis zu 30 Prozent mehr Zeit für das tägliche Wasserholen benötigen, lautete eine ihrer Schlussfolgerungen. Eine Frau, die heute 60 Minuten am Tag mit Wasserholen beschäftigt ist, müsste demnach künftig 18 Minuten mehr dafür aufwenden.
In einigen Regionen Ost- und Zentralafrikas könnte dieser Wert sogar noch höher ausfallen, wenn die Emissionen weiterhin hoch bleiben, so die PIK-Forscher:innen weiter. Frauen müssten dann 20 bis 40 Prozent mehr Zeit für das Wasserholen aufbringen, in Teilen Südamerikas und Südostasiens womöglich sogar doppelt so viel Zeit wie heute.
Sollte die globale Erwärmung dagegen auf weniger als zwei Grad begrenzt werden können, wäre laut Studie kein so starker Anstieg zu erwarten. Trotzdem müssten Frauen dann weltweit im Schnitt immer noch 19 Prozent mehr Zeit für das Wasserholen aufbringen als heute. Für einzelne Frauen wäre die Belastung sogar noch größer, da die Studie mit Durchschnittswerten arbeitet.
"Versorgungsarbeit gerecht teilen, Emissionen drastisch senken"
Schon heute stellt das Wasserholen für viele Frauen und Mädchen eine Belastung dar. Neben Hitze sind sie mitunter auch gewaltsamen Übergriffen ausgesetzt oder laufen Gefahr, sich zu verletzen. Auch bleibt ihnen durch das Wasserholen weniger Zeit für Arbeit, Bildung und Erholung.
Der Studie zufolge entsteht dadurch ein enormer wirtschaftlicher Schaden für die jeweiligen Länder. So drohen bis 2050 bei weiterhin hohen Emissionen Verluste von Dutzenden bis Hunderten Millionen US-Dollar pro Land und Jahr durch die verlorene Arbeitszeit, berechnet anhand des jeweils im Land geltenden Mindestlohns.
Darüber hinaus verschlechtert der Klimawandel indirekt das Wohlbefinden vieler Frauen und Mädchen und verschärft bestehende Geschlechterungleichheiten.
"Dass durch den Klimawandel und die damit verbundenen Auswirkungen auf Umwelt und Ökosysteme die für Versorgungsarbeit aufzuwendende Zeit zunimmt, ist seit Langem belegt und mit ein Grund dafür, dass Genderaspekte bei den Verhandlungen um die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen aufgenommen wurden", teilt die Bauingenieurin und Soziologin Ulrike Röhr Klimareporter° auf Anfrage mit.
Röhr ist Mitglied in der Sachverständigenkommission für den vierten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung und befasst sich seit 30 Jahren mit Frauen- und Genderperspektiven in der Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik.
Neben der Wasserbeschaffung übernehmen Frauen häufig auch andere Versorgungsaufgaben wie etwa die Pflege von Angehörigen, betont Röhr. Auch diese Tätigkeiten würden durch Folgen des Klimawandels meist umfangreicher und schwerer. Als ein Beispiel nennt sie die Zunahme von Krankheitserregern.
Röhr sieht vor allem zwei Wege, Abhilfe zu schaffen: eine gerechtere Verteilung der Versorgungsarbeit zwischen Männern und Frauen und konsequenten Klimaschutz.
"Solange wir unsere wachstumsorientierte Wirtschaftsweise und unseren bedenkenlosen Konsum nicht reduzieren, nicht suffizienter leben und arbeiten und unsere Emissionen nicht drastisch reduzieren, werden die Menschen im globalen Süden, und dort aufgrund der ungleichen Geschlechterverhältnisse zuallererst die Frauen, darunter leiden", sagt Röhr.
"Da können wir uns auch nicht durch Entwicklungshilfe oder Beiträge zu den verschiedenen Klimafonds freikaufen – so nötig diese auch weiterhin sein werden."