Ein voll beladenes Containerschiff liegt in nächtlicher Beleuchtung am Kai.
Containerschiff im Hamburger Hafen: In der Seeschifffahrt hat der Klimaschutz noch gar nicht richtig angefangen. (Foto: Julius Silver/​Pixabay)

Jeans, die dreimal um den Erdball wandern, bis sie fertig genäht sind, Äpfel aus Neuseeland in hiesigen Supermärkten, dicke Geländewagen aus Übersee: Der Freihandel ist ein Graus für jeden Umweltschützer. Regional produzieren – regional verbrauchen, das ist das wichtigste Gebot im Klimaschutz. Gegen Wachstum und Welthandel als Heilsbringer und gegen Exportprogramme für Entwicklungsländer mit desaströsen Folgen fuhren Umweltorganisationen und Netzwerke wie Attac jahrelange Kampagnen.

Dank Gats, Trips, AoA, Nafta, Mercosur und anderen Handelsabkommen passierte aber genau das Gegenteil: Während Globalisierungskritiker Anfang der 2000er Jahre gegen die Politik der Welthandelsorganisation WTO protestierten, verdoppelte sich das Handelsvolumen zwischen 1995 und 2005. Heute sind rund 600 Freihandelsabkommen bei der WTO registriert, mehr als die Hälfte davon ist in Kraft.

Zwar wächst der Welthandel nicht mehr in dem Maße wie vor zehn Jahren, hält sich aber auf hohem Niveau. Gerade erlebte er sogar wieder einen kräftigen Aufschwung: 2017 wurden weltweit Güter für 17,7 Billionen US-Dollar über die Ländergrenzen hinweg ausgetauscht – das sind 17.700 Milliarden, eine schier unvorstellbare Menge. Die jährlichen Güter und Dienstleistungen, die die USA herstellen, lagen zuletzt mit etwas mehr als 18 Billionen Dollar nur knapp darüber. Beim Welthandel wird, bildlich gesprochen, einmal die Wirtschaftsleistung der USA über die Erde verteilt.

Nun aber geht ein Ruck durch den Welthandel. Importzölle von jährlich knapp 70 Milliarden Euro, mit denen sich US-Präsident Donald Trump und China jetzt gegenseitig überziehen, plus Strafzölle auf europäische Produkte könnten dem wachsenden Freihandel Einhalt gebieten. Müsste das Globalisierungskritiker und Klimaschützer nicht freuen?

Nüchtern betrachtet – ja. Denn Freihandel und Konsumismus geht nicht nur zulasten anderer Nationen, sondern auch der Umwelt und des Klimas. Nach Angaben der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung Unctad ist knapp ein Viertel aller Treibhaus-Emissionen auf die internationalen Warenströme zurückzuführen. Die Angabe stammt aus dem Jahr 2014, als die UN-Organisation einen Bericht über eine "neue Klimaökonomie" vorgelegt hat.

Mehr Handel – mehr Produktion – mehr Klimagase

In der Logistik-Branche nimmt der Treibhausgasausstoß laut dem Bericht so stark zu wie in keiner anderen Branche. Dabei schaden nicht nur der Transport der Güter und die damit verbundenen Emissionen dem Klima. Denn mehr Handel, so die Unctad-Experten, erlaube den Beteiligten Größenvorteile zu nutzen, sowohl bei der Produktion als auch beim Absatz der Waren. Das führe zu steigender Wirtschaftsleistung und damit immer höherem Klimagas-Ausstoß.

Das ist noch nicht alles. Containerschiffe, Öltanker und Frachter fahren mit schwerem Dieselöl, einem besonders giftigen Treibstoff mit hohem Schwefelanteil. Laut dem Naturschutzbund Nabu sollen allein die fünfzehn größten Schiffe so viel Schwefeloxid ausstoßen wie 750 Millionen Pkw. Der Schiffskraftstoff sei sagenhafte 3.500 Mal so "schmutzig" wie ein Diesel.

Allein der Schiffsverkehr ist nach einer Schätzung von 2014 jährlich für einen Ausstoß von fast einer Milliarde Tonnen Kohlendioxid verantwortlich. Das sind rund drei Prozent der weltweiten Emissionen oder etwas mehr als das, was Deutschland jährlich an Klimagasen ausstößt. Die EU geht davon aus, dass die Emissionen des Güterverkehrs auf dem Meer bis 2050 auf 17 Prozent des gesamten Treibhausgasausstoßes steigen – sofern die Branche weiterhin ohne Klima-Verpflichtungen bleibt. Während alle Welt über den CO2-Ausstoß von Flugzeugen spricht – auch der liegt relativ hoch bei rund fünf Prozent –, redet kaum jemand über Schiffe.

Dabei ist es sicher kein Zufall, dass diese beiden Energie-Großverbraucher, die den globalen Handel in der heutigen Form erst möglich machten – der moderne Schiffsverkehr und der Flugverkehr –, von vielen Auflagen im Umwelt- und Klimaschutz befreit sind.

Zwar hat sich die Internationale Seeschifffahrts-Organisation IMO im April erstmals auf längerfristige Klimaziele geeinigt und im Treibstoff soll der Schwefelgehalt sinken. Kritiker wie Transparency International haben jedoch Zweifel, dass es eine schnelle Klima-Kehrtwende gibt. Die Anti-Korruptions-Organisation wirft der IMO vor, dass die Schifffahrtsindustrie einen enormen Einfluss auf die UN-Organisation hat.

Krisen, nicht Zölle bremsen den Welthandel aus

Solange Transporte fast nichts kosten, wird die Politik den Welthandel kaum direkt ausbremsen können. Auch ein Protektionismus à la Trump kann hier vergleichsweise wenig bewirken.

Beispiel deutscher Autoexport in die USA: 2017 lieferten die deutschen Hersteller laut ihrem Branchenverband rund 500.000 Pkw in die USA. So ein Neuwagen wiegt heute im Schnitt anderthalb Tonnen – das sind dann zusammen rund 750.000 Stahl, Kunststoffe und anderes Material, die ganz real meist von Bremen aus über 6.000 Kilometer transatlantisch verschifft werden.

Dieser Auto-Export in die USA bringt vergleichsweise so viel wie 75 Eiffeltürme auf die Waage. Dabei kann selbst der größte schwimmende Autotransporter der Welt "nur" 8.500 Autos auf einmal über den Atlantik bringen. Er müsste viele Dutzend Mal tausende Kilometer hin- und herfahren und dabei – rechnerisch – die Erde mehrfach umrunden, damit eine halbe Million deutsche Markenautos über nordamerikanische Highways brausen können.

Wenn da durch die neuen US-Strafzölle vielleicht ein Eiffelturm weniger über die Meere geschippert wird, dreht das die Exportspirale nicht mal eine halbe Schraube zurück. Darüber hinaus haben die betroffenen Firmen jede Menge Ausweichmöglichkeiten.

Freihandel EU-Japan mit Paris-Kapitel

Die Europäische Union und Japan haben am Dienstag ihr bislang umfangreichstes Freihandelsabkommen Jefta abgeschlossen. Japan schafft Zölle auf 94 Prozent aller EU-Importe ab, die EU im Gegenzug auf 99 Prozent der Importe aus Japan. Der Vertrag soll im März 2019 in Kraft treten.


Kritiker warnen vor einer Schwächung des Umwelt- und Verbraucherschutzes in der EU. Nach Angaben des britischen Portals Climate Home ist Jefta aber auch das erste Freihandelsabkommen, das spezielle Festlegungen zur Erfüllung des Pariser Klimaabkommens enthält. So verpflichten sich die EU und Japan, den Handel mit Erneuerbaren- und anderen CO2-armen Technologien zu erleichtern.

Harley-Davidson, die von den EU-Zöllen besonders betroffene US-Motorradfirma, will die Verteuerung erstmal nicht an die Kunden weiterreichen, um diese nicht zu verprellen und zur Konkurrenz zu treiben. Auch der deutsche Autobauer BMW will höhere Zölle, wenn sie denn kommen, vorerst nicht weiterreichen. In den USA werden die Zölle für Waren aus China erst mit Verspätung wirken, weil bei Produkten wie Smartphone und Smart-TV erstmal die Lagerbestände verkauft werden.

Überhaupt: Spürbare Einbrüche im Welthandel gab es bisher eher durch Krisen als durch Zölle. Als die Weltwirtschaft 2015 und 2016 teilweise um bis zu einer Billion US-Dollar zurückging, förderten die USA zum Beispiel mehr eigenes Öl und importierten weniger. Und der Schub, den Schwellenländer wie Indien einst auslösten, lässt ebenfalls nach – diese Länder stellen mehr und mehr selbst her. Auch aus Imagegründen fertigen viele Firmen inzwischen stärker dort, wo die Produkte auch verkauft werden.

Kostenwahrheit hieße: 120 Euro pro Tonne CO2

Statt Zöllen gäbe es ein anderes, viel wirksameres Mittel: eine spürbare CO2-Steuer. Die hätte bei vielen Produkten einen doppelten Effekt. Sie würde nicht nur die eigentlichen Transporte verteuern, sondern auch energie- und rohstoffaufwendige Produkte wie Stahl – und daraus hergestellte Autos.

Nachdem er jahrelang unter fünf Euro herumdümpelte, liegt der Preis für die Tonne CO2 im europäischen Emissionshandel derzeit bei 15 Euro. Das ist noch zu wenig – Frankreichs Präsident Emmanuel Macron strebt in Europa einen Preis von 20 bis 30 Euro an.

Auch der würde die Umweltkosten noch nicht abdecken. Das Umweltbundesamt revidiert gerade die Berechnungsmethodik, nach der die Folgekosten für die CO2-Emissionen erfasst werden, hat aber schon jetzt verkündet, dass der Ausstoß einer Tonne CO2 künftig 120 Euro kosten müsste, um die sogenannte Kostenwahrheit herzustellen – jenen Preis, den Güter kosten würden, wenn man alle Umwelt- und Klimafolgen einrechnet. Dann würde es sich vermutlich nicht mehr lohnen, anderthalb Tonnen schwere Autos herzustellen und sie auch noch in die USA zu verschiffen.

Allerdings ist ein CO2-Preis mit Donald Trump garantiert nicht zu machen. Aus sämtlichen klimapolitischen Entscheidungen bei den jüngsten G7- und G20-Gipfeln hielt sich der US-Präsident raus. Der Schaden, den die globale Klimapolitik dadurch nimmt, dürfte weitaus größer sein als der Öko-Gewinn durch weniger Handel mit Übersee.

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