Die größte Ölraffinerie an der US-Westküste gehört Chevron und steht südlich von Los Angeles. (Bild: Pedro Szekely/​Flickr)

Kalifornien gilt als "Sushine State" und Inbegriff des amerikanischen Traums. Doch der drittgrößte US-Bundesstaat ist auch ein Hotspot des Klimawandels.

So litt Kalifornien in den vergangenen drei Jahren unter einer Megadürre, die den Grundwasserspiegel stark absinken ließ und Waldbrände zusätzlich anfachte. In diesem Jahr folgten darauf Monate mit Überschwemmungen, und ein Tropensturm brachte Rekordregenfälle.

Die Regierung Kaliforniens hat nun zu einem drastischen Mittel gegriffen, um Gelder für die Kosten der Klimakrise und eine bessere Anpassung lockerzumachen: Sie reichte Klage gegen Öl- und Gaskonzerne ein, da sie maßgeblich zum Klimawandel beigetragen und die Öffentlichkeit über die Risiken getäuscht hätten. Der Ausgang dieser und ähnlicher Klagen könnte Rechtsgeschichte schreiben.

Der Bundesstaat verklagte fünf Ölmultis, nämlich Exxon, Shell, BP, Conoco Phillips und Chevron, außerdem den Branchenverband American Petroleum Institute. Ziel ist es, mit möglichen Strafzahlungen der Unternehmen einen Fonds einzurichten, der die Kosten von Umweltkatastrophen deckt, wenn sie nachweislich durch die Folgen des Klimawandels eintreten oder verstärkt werden, wie etwa Waldbrände oder Überschwemmungen.

Die Klageschrift wurde vom kalifornischen Generalstaatsanwalt Rob Bonta beim Obersten Gericht in San Francisco eingereicht, sie umfasst 135 Seiten.

Hauptargument darin: Die fünf Konzerne hätten zusammen mit dem Verband mindestens seit den 1970er Jahren eine Desinformationskampagne inszeniert, um den Zusammenhang zwischen der Förderung fossiler Brennstoffe und dem Klimawandel zu vertuschen. Dies habe die Reaktion der Öffentlichkeit auf den Klimawandel verzögert und so die Klimaschäden verstärkt.

"Die Lügen und Vertuschungen von Big Oil haben zu anhaltenden Klimakatastrophen geführt, die den Kaliforniern Kosten in Milliardenhöhe auferlegt haben", heißt es in der Begründung, die der Gouverneur des Bundesstaates, der Demokrat Gavin Newsom, und Bonta dazu abgaben. "Wir sollten die Rechnung nicht allein bezahlen müssen, während die Ölgesellschaften profitieren."

 

"Bedeutende Eskalation"

Es handelt sich nicht um die erste Klage gegen "Big Oil", auch andere US-Bundesstaaten und -Städte haben welche laufen. Beobachter sehen im Eintritt Kaliforniens aber eine neue Qualität.

Von einer "bedeutenden Eskalation", sprach Ben Segal, Anwalt bei der internationalen Umweltrechtsorganisation Client Earth, gegenüber Klimareporter°. "Dass Kalifornien als einer der größten und wirtschaftsstärksten US-Bundesstaaten und als Vorreiter im Umweltrecht mitmacht, erhöht die Ernsthaftigkeit dieser Klagen."

Außerdem wachse so das finanzielle Risiko der Konzerne, da Kalifornien besonders stark unter den Folgen des Klimawandels leide und die Schäden entsprechend groß seien, sagte Segal. Kaliforniens Klage könne dazu führen, dass sich weitere Bundesstaaten und Kommunen ebenfalls zu diesem Schritt entschließen.

Ähnlich sieht das Richard Wiles, Präsident des Center for Climate Integrity in Washington, das Bundesstaaten und Kommunen berät, die Ölkonzerne zur Verantwortung ziehen wollen. "Das ist eine Riesensache. Kalifornien ist die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, und es ist ein wichtiger Ölförderstaat", sagte Wiles dem Radio-Netzwerk NPR. "Es ist der erste ölproduzierende Bundesstaat, der Klage gegen die Unternehmen einreicht."

Die angegriffenen Konzerne und ihr Verband wiesen die Anschuldigungen zurück. Das American Petroleum Institute erklärte: "Diese koordinierte Kampagne für politisch motivierte Klagen gegen eine amerikanische Industrie und ihre Arbeiter ist nichts weiter als eine Ablenkung von wichtigen Gesprächen auf nationaler Ebene."

Außerdem bedeute die Klage eine enorme Verschwendung kalifornischer Steuergelder, so der Ölindustrie-Verband. Über die Klimapolitik müsse in den USA das Parlament debattieren und entscheiden, nicht das Gerichtssystem.

Auch von Shell hieß es: "Wir glauben nicht, dass der Gerichtssaal der richtige Ort ist, um den Klimawandel anzugehen." Nötig seien eine "kluge Politik der Regierung sowie Maßnahmen aller Sektoren". Chevron befand: "Der Klimawandel ist ein globales Problem, das eine koordinierte internationale politische Antwort erfordert."

Weltweit immer mehr Klimaklagen

Weltweit haben die juristischen Verfahren wegen mangelnder Klimaschutzmaßnahmen in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Die meisten fanden und finden in den USA statt, etliche aber auch in Deutschland, wie eine Untersuchung des UN-Umweltprogramms Unep im Juli zeigte. 2022 wurden danach fast 2.200 Klimaklagen verhandelt, 2017 waren es erst rund 900. Viele richten sich gegen die Öl- und Gasindustrie.

Ein Großteil der Klagen wurde bisher von Gerichten nicht angenommen oder zurückgewiesen, es gab jedoch auch spektakuläre Urteile, etwa in Deutschland und den Niederlanden.

So verpflichtete das Bundesverfassungsgericht die Merkel-Regierung 2021, ihr Klimaschutzgesetz zu verschärfen. Im selben Jahr verurteilte ein Gericht in den Niederlanden den Shell-Konzern dazu, seinen CO2-Ausstoß bis 2030 schneller als geplant zu senken. Vor deutschen Gerichten scheiterten zuletzt mehrere Klagen gegen Autohersteller.

Mit Spannung wird derzeit ein Urteil am Oberlandesgericht in Hamm erwartet. Dort geht es um die Klage eines peruanischen Bergbauern gegen den Energiekonzern RWE. Der Vorwurf: RWE sei wegen seiner enormen CO2-Emissionen mitschuldig an der Gletscherschmelze in den Anden, die seinen Wohnort bedrohe.

 

"Jahrzehntelange Täuschung"

Die Argumentation von Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom im Worlaut:

"Die Führungskräfte der Öl- und Gasindustrie wissen seit Jahrzehnten um die Gefahren der von ihnen produzierten fossilen Brennstoffe. Von der Industrie finanzierte Untersuchungen brachten den Verbrauch fossiler Brennstoffe direkt mit dem Anstieg der globalen Temperaturen und der Schädigung von Luft, Boden und Wasser in Verbindung.

Die Ölgesellschaften haben diese Informationen absichtlich vor der Öffentlichkeit und den politischen Entscheidungsträgern verborgen gehalten, um ihre Profite zu schützen, und Milliarden Dollar ausgegeben, um Desinformationen über den Klimawandel zu verbreiten und die Abkehr von fossilen Brennstoffen zu verzögern. Die Ölkonzerne nutzten diese Informationen für ihren eigenen Profit und entwickelten neue Technologien, um die Arktis für die Ölförderung zu erkunden, weil sie wussten, dass das arktische Meereis schmilzt.

Die Täuschung geht bis heute weiter: Ölkonzerne preisen Produkte aus fossilen Brennstoffen als 'sauber' oder 'grün' oder 'emissionsarm' an, die immer noch CO2-Emissionen verursachen, und sie werben mit ihren Produkten aus erneuerbaren Energien, die in Wirklichkeit nur den Bruchteil eines Prozents ihrer Einnahmen ausmachen."