Waldbrand mit sehr hohen Flammen, davor stehen Autos neben einer Straße.
Waldbrände wie hier in der reichen Teersand-Provinz Alberta vor einigen Jahren sind in Kanada normal, aber nicht im jetzigen Ausmaß. (Bild: Chris Schwarz/​Government of Alberta)

Die Feuerwehrleute wurden über den Atlantik aus Frankreich, Spanien und Portugal eingeflogen, ja, sogar aus Südafrika kamen sie, und natürlich schickte auch das Nachbarland USA Einheiten.

Kanada erlebt aktuell Waldbrände von historischen Ausmaßen, die noch Monate anhalten dürften. Derweil streiten Politiker, Industrie und Umweltschützer im Land über die richtigen Schlussfolgerungen aus dieser vom Klimawandel befeuerten Katastrophe.

Es geht um die Frage: Soll Kanada seine in den letzten Jahren stark gewachsene Erdöl- und Erdgas-Industrie herunterfahren oder nicht?

"Schuld ist Kanada" – so lautete Anfang Juni die Schlagzeile der New York Post. Die Metropole New York war für Tage die am stärksten von Luftverschmutzung betroffene Großstadt der Welt.

Die Freiheitsstatue war mit Rauch eingenebelt, die Menschen trugen Atemmasken, Spielplätze wurden gesperrt. International erregte das Aufsehen und brachte das Waldbrand-Inferno im Kanada ins Bewusstsein, das dort allerdings bereits seit April gewütet hatte.

Starke Winde aus nördlicher Richtung trieben die Rauchfahnen aus der kanadischen Ost-Provinz Quebec mehr als 500 Kilometer über die Grenze zu den Städten der dicht besiedelten US-Ostküste. Danach drehten sich die Winde, New York und andere US-Städte blieben vom ganz dichten Rauch verschont, obwohl auch jetzt immer noch Belastungen gemessen werden.

 

Die Brände in Kanada wüten weiter. In den betroffenen Regionen mussten bereits Zehntausende Menschen vor den Flammen fliehen, Tausende haben ihre Häuser verloren.

Waldbrände sind in dem zweitgrößten Land der Erde nichts Ungewöhnliches. Die Saison, in der die Feuer auftreten, geht von April bis September. Doch diesmal wurden die Brände früh sehr intensiv, und sie verteilen sich auch praktisch über alle Regionen.

Schon Mitte Juni war mit rund 5,4 Millionen Hektar eine Fläche abgebrannt, die größer ist als Baden-Württemberg und Hessen zusammen, teilweise brannten über 400 Feuer gleichzeitig.

Es dürfte eines der heftigsten Brandjahre werden, die Kanada je erlebte, und möglicherweise wird der Rekord von 1989 getoppt. Damals waren 7,6 Millionen Hektar in Flammen aufgegangen.

Die Behörden erwarten, dass die Brände noch wochenlang andauern werden. "Uns steht ein Kampf bevor, der nach unserer Einschätzung den ganzen Sommer andauern wird", sagte der Sicherheitsminister von Québec, François Bonnardel.

Mehr Blitzschläge durch Klimawandel

Drei Faktoren haben zu dem Inferno beigetragen. Es herrscht sehr trockenes, windiges Wetter, und zwar schon seit Monaten. Es gibt ungewöhnlich viel Blitzschläge, die die Mehrzahl der Brände auslösen, zudem hat sich viel trockenes brennbares Material in den Wäldern angesammelt. Fachleute gehen davon aus, dass alle drei Faktoren durch den Klimawandel verstärkt werden.

Die mittlere Temperatur in dem Land ist im Zuge der globalen Erwärmung seit 1950 um etwa 1,9 Grad angestiegen, und vor zwei Jahren wurde in der kanadischen Gemeinde Lytton, rund 260 Kilometer nordöstlich von Vancouver, eine neue Rekordtemperatur von 49,6 Grad gemessen. Zuvor hatte das Maximum in Kanada bei 45 Grad gelegen.

Wenige Tage danach wurde Lytton in einem Flammeninferno fast vollständig zerstört. Die Klimaforschungsgruppe "World Weather Attribution" ermittelte damals, der Klimawandel habe die extreme Hitzewelle mit Rekordwerten von knapp 50 Grad 150‑mal wahrscheinlicher gemacht als in vorindustriellen Zeiten.

Zur Brandbekämpfung setzt Kanada vor allem Löschflugzeuge ein, wobei aber nur rund 100 Maschinen verfügbar sind. Normalerweise leihen die Regionen sich die Maschinen je nach Bedarf gegenseitig aus. Doch jetzt funktioniert dieses System nicht mehr richtig, weil Wälder gleichzeitig in vielen Teilen des Landes brennen. Bisher ist die Brandbekämpfung Sache der Provinzen.

Außerdem gibt es Debatten darüber, wie das Waldmanagement in Bezug auf die Brände verbessert werden kann. Ein Vorschlag lautet, die Forstbehörden sollten häufiger kontrollierte Brände legen, um so die Ausbreitung von Großfeuern zu verhindern. Das werde bisher zu wenig gemacht.

CCS-Technologie oder CO2-Steuer?

Doch natürlich läuft in Kanada nun auch die Debatte über die richtigen Schlussfolgerungen aus der mit den Bränden noch offensichtlicher werdenden Klimakrise. Kanada zählt mit einem Pro-Kopf-CO2-Ausstoß von rund 15 Tonnen jährlich zu den stärksten Emittenten in der Welt. Zum Vergleich: Der EU-Schnitt liegt bei 7,4 Tonnen, in Deutschland sind es knapp neun Tonnen.

Zudem hat Kanada die Förderung von Erdöl und Erdgas in den letzten Jahren stark ausgeweitet, unter anderem für den LNG-Export, wie er auch für Deutschland als Abnehmer geplant ist.

Kanada verfügt über die drittgrößten nachgewiesenen Ölreserven der Welt. Der Öl- und Gassektor macht bis zu sieben Prozent der Wirtschaftsleitung und ein Fünftel der Warenexporte aus, und er ist für rund 28 Prozent der Treibhausgasemissionen des Landes verantwortlich.

Trotz des aktuellen Feuerinfernos ist die Klimapolitik weiter höchst umstritten. Die Regierung des liberalen Premiers Justin Trudeau hat als Ziel beschlossen, den CO2-Ausstoß im Land bis 2030 um 40 bis 45 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken und bis 2050 die Netto-Null zu erreichen.

Den fossilen Sektor drastisch herunterzufahren, ist freilich nicht geplant. Vielmehr soll die umstrittene CCS-Technologie, also das Auffangen und Endlagern von CO2, die Öl- und Gasbranche klimafreundlich machen.

Die sonstige Klimapolitik jedoch ist stark umkämpft. So forderte Kanadas Oppositionsführer, der Konservative Pierre Poilievre, im Parlament jetzt sogar eine Abschaffung der in Kanada geltenden CO2-Steuer, während die Brände vielerorts die Luft mit giftigem Rauch vernebelten und viele ihre Häuser verlassen mussten.

Während seiner Rede wiederholte Poilievre eines seiner wichtigsten Versprechen für den Fall, dass seine Partei wieder an die Macht kommt: "Technologie, nicht Steuern."