Auch Deutschland ist involviert in neue fossile Förderprojekte. (Symbolbild: Dragon Oil/​Wikimedia Commons)

Klimaschutz ist kompliziert. Viele und tiefgreifende Veränderungen sind nötig, und natürlich werden diese von kontroversen gesellschaftlichen Debatten begleitet. So soll es auch sein.

Doch im Zentrum aller Klimaschutz-Anstrengungen steht eine schlichte und einfache Wahrheit: Wir müssen raus aus den fossilen Energien.

Wissenschaftlich ist das so klar wie der Fakt, dass Treibhausgase die Erde erwärmen. Oder dass Gravitation dazu führt, dass Gegenstände zu Boden fallen.

Die politische Realität sieht leider anders aus, wie eine aktuelle Studie des Stockholm Environment Institute (SEI) zeigt. Die Autor:innen analysierten dazu die nationalen Klimazusagen, die sogenannten NDCs, von Ländern, die fossile Brennstoffe produzieren.

Fast die Hälfte der jüngsten NDCs beinhalten Pläne, um die Förderung von fossilen Brennstoffen fortzusetzen oder auszubauen. 45 Länder zeigen laut ihren aktuellen Klimaplänen keine Bereitschaft, die Öl-, Gas- und Kohleproduktion herunterzufahren.

Dem stehen nur fünf Länder gegenüber, die in ihren Plänen Ziele oder Maßnahmen zur Senkung der fossilen Produktion nennen.

Immer mehr Länder halten an fossiler Erzeugung fest

Im Rahmen der Studie untersuchten die Forscher:innen 103 NDCs der ersten Generation, veröffentlicht zwischen 2015 und 2019, und 95 neuere NDCs von 2019 bis heute.

Betrachtet wurden außerdem noch 31 "Long-term Low Emissions and Development Strategies" (LT-LEDs). LT‑LEDs unterscheiden sich von NDCs dadurch, dass sie langfristige Perspektiven entwickeln sollen und freiwillig sind.

Von allen NDCs der ersten Runde plante tatsächlich nur ein Drittel, die Produktion fossiler Brennstoffe fortzusetzen oder zu erweitern. Das heißt, wie Co-Autorin Natalie Jones vom SEI in einem Gastbeitrag für das Klimaportal Carbon Brief schreibt: "15 neue Länder haben die Fortführung oder Ausweitung der Produktion fossiler Brennstoffe in ihre zweiten NDCs aufgenommen, während nur drei Länder diesen Teil aus ihren aktualisierten Klimaplänen gestrichen haben."

 

Sogar zwei Länder, die bisher keine fossilen Energieträger produzieren, nämlich Libanon und Senegal, wollen in den nächsten Jahren damit beginnen. Daran ist die deutsche Bundesregierung nicht ganz unbeteiligt. Schließlich unterstützt Deutschland die Gasförderung im westafrikanischen Senegal.

In den LT‑LEDs greifen 15 Länder Ziele oder Erwartungen zur fossilen Produktionssenkung auf. Allerdings bleiben diese Abschnitte oft sehr vage.

Die Slowakei schreibt beispielsweise nur, dass ihre Gasproduktion langsamer sinken wird als die Ölproduktion. Australien sagt vorher, dass seine fossile Produktion aufgrund einer erwarteten niedrigeren globalen Nachfrage bis 2050 um 35 Prozent sinken wird.

Unkonkret bleiben aber auch viele Pläne in den NDCs, bei denen die Einreichung verpflichtend ist, wenn auch nicht die Umsetzung. Der substanzlose Abschnitt im aktuellen NDC der Europäischen Union lautet etwa: "Produktion und Verbrauch fossiler Brennstoffe in der EU werden weiter zurückgehen."

Alter Konflikt zwischen Industrie- und Entwicklungsländern

Das alles steht, wenig überraschend, nicht im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel. Um das Ziel am Leben zu erhalten, müsste die globale Öl- und Gasproduktion bis 2050 um mindestens 65 Prozent sinken. Zudem dürften keine neuen Öl- und Gasfelder erschlossen werden.

Die Erklärung für die Lücke, die zwischen wissenschaftlichen Empfehlungen und Wirklichkeit klafft, ist die wirtschaftliche Abhängigkeit vieler Staaten von fossiler Energie. Einige betonen dies in ihren Klimaplänen auch deutlich.

Entwicklungsländer weisen etwa darauf hin, dass sie finanzielle und technologische Unterstützung brauchen, um eine Energiewende zu schaffen. Bisher scheuen sich Industrienationen, derartige Verpflichtungen einzugehen.

Dieser Grundkonflikt zwischen Industrie- und Entwicklungsländern war auch auf der kürzlichen Bonner Vorkonferenz zum diesjährigen Klimagipfel wieder aufgeflammt. Entwicklungsländer wollen erst über Verpflichtungen zur Emissionssenkung diskutieren, wenn ihnen finanzielle Unterstützung zugesichert wird.

Der traurige Kompromiss war letztendlich, dass weder die Emissionsminderung noch die Klimagelder in die Tagesordnung für den Klimagipfel im Dezember in Dubai aufgenommen wurden.

Gipfelpräsident wirbt für CCS

Dennoch liegt viel Gewicht auf dem nächsten Gipfel. Die weltweite Bestandsaufnahme findet dort zum ersten Mal statt. Sie wurde von den Staaten bereits 2015 in Paris beschlossen und soll danach alle fünf Jahre geschehen.

Dort wird der kollektive Fortschritt bei der Erfüllung des Pariser Klimaabkommens evaluiert. Die nationalen Verpflichtungen werden den in Paris beschlossenen Klimazielen gegenübergestellt.

"Die Bestandsaufnahme trägt dazu bei, dass die Länder für ihre Klimamaßnahmen zur Rechenschaft gezogen werden und dass sie auf die gleichen Ziele hinarbeiten", schreiben die Autor:innen der Studie.

Außerdem ist daran der Auftrag an alle Länder geknüpft, ihre NDCs entsprechend anzupassen. Bis 2025 sollen aktualisierte Klimaschutzpläne beim UN-Klimasekretariat eingereicht werden.

 

Nach den sich häufenden Kontroversen um den Präsidenten der nächsten Weltklimakonferenz, Sultan Al Jaber, blicken viele Klimaschützer:innen mit Sorge auf die Konferenz. Al Jaber ist nicht nur der Industrieminister der gastgebenden Vereinigten Arabischen Emirate, sondern auch der Chef der nationalen Ölfirma Adnoc.

In der Vergangenheit sprach Al Jaber von einem "Ausstieg aus fossilen Emissionen" statt aus fossilen Energien. Damit wirbt er für die umstrittene CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS).

So einfach sind also auch die einfachen Wahrheiten nicht. Klimaschutz ist kompliziert.