Klaus Töpfer war das gute Umweltgewissen der CDU. Ob sein Andenken dort hochgehalten wird, muss sich bald zeigen. (Bild: Arno Mikkor/​Eesti Eesistumine/​Wikimedia Commons)

Klaus Töpfer war der legendäre Chef des "BMU". Des Bundesministeriums für Umwelt, das er prägte wie kein anderer. Der damalige Unions-Bundeskanzler Helmut Kohl hatte ihn 1987 das Amt geholt, nicht ahnend, dass damit ein Grüner mit CDU-Parteibuch an seinem Kabinettstisch Platz nahm, der sich kaum kontrollieren ließ.

Klaus Töpfer machte Furore. Er schwamm in einer spektakulären Aktion quer durch den Rhein, hielt zwei Jahrzehnte vor seiner Partei eine "Zukunft ohne Kernenergie" für nötig, erfand den "Grünen Punkt" und war als internationaler Verhandler der "Retter von Rio", jenes großen UN-Erdgipfels in Brasilien, der eine Blaupause für den Erhalt von Klima und Umwelt auf dem ganzen Globus entwickelte.

Dann als Chef des UN-Umweltprogramms Unep und auch später im Unruhestand kämpfte er jahrzehntelang unermüdlich dafür, dass das noch gelingen würde. Jetzt ist Klaus Töpfer im Alter von 85 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben.

Töpfers Familie stammte aus dem heute zu Polen gehörenden Schlesien, er selbst wurde dort 1938, kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, geboren. Nach dem Krieg kamen die Töpfers als Flüchtlinge nach Höxter in Westfalen, wo der Sohn auch später seinen Hauptwohnsitz behielt.

Die Familie war arm, doch der junge Mann war ehrgeizig. "Man war schon ein hungriger Mensch, der vorankommen wollte", sagte er später einmal über sich. Er machte Abitur, studierte Volkswirtschaft in Mainz, Frankfurt am Main und Münster, wurde Professor – und CDU-Politiker.

Dem Rheinland-Pfälzer Kohl fiel Töpfer auf, als dieser den Umweltminister-Posten in Mainz bekleidete, und er holte ihn in die Bundespolitik. Die Themen Umwelt, Klima, Energie und Nachhaltigkeit wurden von da an zu Töpfers Lebensthema, und er erarbeitete sich den Ruf als renommiertester Umweltpolitiker, den Deutschland je hatte.

Für Kreislaufwirtschaft, FCKW-Verbot und Klimaschutz

Die Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 hatte Kohl bewogen, ein eigenes Umweltministerium zu gründen, das auch für das heiße Thema Reaktorsicherheit zuständig wurde. Töpfer war der zweite Chef des BMU nach dem CDU-Politiker Walter Wallmann, der aber schon nach kurzer Amtszeit als Ministerpräsident nach Hessen gewechselt war.

Einerseits erfüllte der Neue im Amt die ihm von Kohl zugedachte Rolle als Troubleshooter, der den starken gesellschaftlichen Druck für einen schnellen Atomausstieg kanalisieren und letzten Endes abwehren sollte. Andererseits entwickelte er jedoch fortschrittliche Umweltkonzepte.

Töpfer verfocht die Idee einer abfalllosen "Kreislaufwirtschaft", sprach sich für eine ökologische Steuerreform aus, setzte das FCKW-Verbot zum Schutz der Ozonschicht mit durch und kämpfte auch frühzeitig für einen aktiven Klimaschutz, den er als zentrale Herausforderung der Industriegesellschaft begriff.

Er war ein Verfechter der "Energiewende" mit Kohleausstieg und (längerfristigem) Abschalten der Atomkraftwerke, auch wenn er damals das von der Umweltbewegung geprägte Wort noch nicht in den Mund nahm. Das trug ihm das Label "das grüne Gewissen der CDU" ein.

Töpfer hielt an seinen Ansichten fest, auch wenn sie nicht der Parteilinie entsprachen, freilich zumeist ohne den großen Konflikt zu suchen. Er fügte sich auch den erratischen Entscheidungen Kohls, der ihn, den "Umwelt-Papst", als Ministerpräsidenten-Kandidaten für das kleine Saarland antreten ließ, was nichts wurde, und dann 1994, weil er ihm zu unbequem geworden war, vom geliebten Umwelt- ins Bauministerium abschob – mit Zuständigkeit für den Bonn-Berlin-Umzug der Regierung.

Verhandler für globalen Ausgleich zwischen Nord und Süd

Am Ende von Kohls letzter Regierungszeit wechselte Töpfer zurück zur Umwelt, aber auf internationaler Bühne. Er wurde der Direktor des UN-Umweltprogramms Unep in Nairobi, also, wenn man so will, des Umweltministeriums der Vereinten Nationen.

Für diesen Job war Töpfer prädestiniert. Früher als andere hatte er erkannt, dass die Fragen von Klima, globalem Umweltschutz und wirtschaftlicher Entwicklung der armen Länder nur zusammen gelöst werden können.

Der Unep-Chefposten war eine Art Belohnung dafür, dass er 1992 maßgeblich zum Erfolg des Rio-Erdgipfels beigetragen hatte, auf dem erstmals nach dem Kalten Krieg 130 Staats- und Regierungschefs, von George Bush senior über Helmut Kohl und François Mitterrand bis Fidel Castro, zusammentrafen.

Dass in Rio unter anderem die Weltklimakonvention verabschiedet werden konnte, war mit sein Verdienst als unermüdlicher Verhandler zwischen Nord- und Süd-Interessen. Dass das damals klappte, hat ihn zeitlebens beflügelt. "Wir waren damals so euphorisch", sagte Töpfer noch viele Jahre später in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau.

Die Rio-Teilnehmer waren ihm zufolge "wirklich überzeugt von der Idee, nachhaltigen Wohlstand durch Entwicklung für alle zu schaffen, ohne die ökologischen Grundlagen des Planeten auszuplündern. Es wurde anerkannt, dass reiche und arme Länder eine 'gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortung' tragen", so Töpfer. "Das war ein Meilenstein."

 

Nach seiner Rückkehr aus Nairobi nach Deutschland 2006 blieb Töpfer in der deutschen Öffentlichkeit präsent. Er wurde Gründungspräsident des Nachhaltigkeits-Forschungszentrums IASS in Potsdam, er hielt Vorträge, war ein gefragter Talkshow-Gast.

Im Jahr 2011, nach dem Fukushima-Supergau, wurde er Co-Vorsitzender der "Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung", die die Blaupause für den später vom Bundestag parteiübergreifend beschlossenen Atomausstieg entwickelte. Unter anderem das brachte ihm so viel Renommee ein, dass er 2012 sogar als Bundespräsident im Gespräch war. Das scheiterte am Widerstand der FDP.

Den Job des "grünen Gewissens" der Union nahm Töpfer übrigens auch im fortgeschrittenen Alter noch wahr. Als 2019 der Klimaschutz mit den Fridays-for-Future-Streiks zum Megathema wurde, kritisierte er die Konzepte seiner Partei dazu. Er attestierte der CDU, sie habe da "noch viel Luft nach oben".

Lesen Sie dazu auch den Gastbeitrag von Franz Alt: Das grüne Gewissen Deutschlands