Nächtliche Aufnahme von zwei Blöcken eines Erdgaskraftwerks der South Carolina Public Service Authority.
Gaskraftwerk in South Carolina: In den USA haben fossile Unternehmen seit Beginn des Ukraine-Kriegs an der Börse zugelegt. (Foto: American Public Power Association/​Unsplash)

Wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine steht Energiesicherheit hoch im Kurs. Deutschland will Terminals für Flüssigerdgas (LNG) kaufen, und Regierungsvertreter jetten um die Welt, um das nötige Gas zu beschaffen.

Niklas Höhne vom New Climate Institute warnt daher: "Wir stehen vor einem globalen 'Goldrausch' für neue fossile Gasproduktion, Pipelines und LNG-Anlagen, der das im Paris-Abkommen festgelegte Limit von 1,5 Grad Erwärmung außer Reichweite halten könnte."

Umgekehrt sagte EU-Kommissar Frans Timmermans bei der Vorstellung des Repower-EU-Programms, mit dem die EU von russischen Energielieferungen unabhängig werden will: "Energie aus erneuerbaren Quellen ist billig, sauber und potenziell unerschöpflich. Sie schafft Arbeitsplätze bei uns, anstatt die fossile Brennstoffindustrie anderswo zu finanzieren. Putins Krieg in der Ukraine zeigt, dass wir unsere Energiewende dringend beschleunigen müssen."

Es stellt sich daher die Frage, ob der Krieg dem Klimaschutz eher schadet oder eher nützt. "Die Antwort ist nicht offensichtlich", heißt es in einer Studie des Swiss Finance Institute (SFI). "Die Ausbreitung des Konflikts, künftige Sanktionen, die Reaktionen von Unternehmen und anderen Ländern und das Verhalten der Einzelnen sind unbekannt, was den Versuch erschwert, die erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges zu quantifizieren."

Es gebe allerdings eine Methode, "kollektive Intelligenz" zu nutzen: Man könne messen, wie die Anleger an der Börse reagieren. "Ein Vergleich der Aktienkursreaktionen von Firmen – besonders derjenigen, die dem Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft mehr oder weniger ausgesetzt sind – bietet eine Vorschau auf die zu erwartenden Auswirkungen des Krieges."

Dazu hat das SFI eine Datenbank mit 4.500 Unternehmen aus der ganzen Welt angelegt. Darin identifizierten die Forscher dann Firmen, für die Klimaschutz eine Gefahr darstellt, etwa Öl- und Gaskonzerne, und Firmen, für die Klimaschutz eine Chance ist, wie etwa Hersteller von Solarpaneelen.

Energiewende-Firmen gewinnen nur in Europa

Die Aktienkurse dieser Firmen wurden analysiert. Laut den SFI-Autoren ließen sich zwei Phasen unterscheiden: die ersten beiden Wochen nach dem Einmarsch am 24. Februar, in denen die Anleger den ersten Schock verarbeiten mussten, und die Zeit danach, in denen der Krieg zur Normalität, wenn auch einer schrecklichen, geworden ist.

Bei der Analyse stellten die SFI-Forscher fest, dass sich die Erwartungen der Anleger in den USA und in Europa fundamental unterscheiden. "Die Anleger erwarten, dass der Krieg den Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft in den USA verzögern wird, nicht aber in Europa."

In den USA sind die Aktien von Firmen, für die Klimaschutz eine Gefahr ist, in den ersten beiden Kriegswochen um 4,1 Prozent gestiegen und anschließend um weitere 2,3 Prozent. Die Anleger erwarten also, dass wegen des Krieges der Klimaschutz vernachlässigt wird.

Anders in Europa: Hier sind die Aktien dieser "fossilen" Firmen nur um 0,1 und dann 0,8 Prozent gestiegen und sind nun kaum wertvoller als vor dem Krieg.

Genau umgekehrt ist es bei Firmen, für die Klimaschutz eine Chance darstellt. In den USA sind deren Aktien anfangs um 1,1 Prozent gestiegen, aber dann um zwei Prozent gefallen.

In Europa sind diese "solaren" Firmen immer noch mit 1,6 Prozent deutlich im Plus. Die wiedergefundene "Einigkeit des Westens" erstreckt sich offensichtlich also nicht auf die Energie- und Klimapolitik.

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