Reisen, die Welt entdecken oder einfach nur am Sandstrand liegen, das gehört zum Lebensgefühl vieler Deutscher. Kaum ein Land gibt mehr für Auslandsreisen aus als die Bundesrepublik. 112 Milliarden US-Dollar waren es im vergangenen Jahr.

Mit 196 Milliarden und 150 Milliarden ließen nur chinesische und US-amerikanische Tourist:innen noch mehr Geld im Ausland. Pro Kopf lässt Deutschland die beiden Schwergewichte allerdings weit hinter sich.

Aus dem Corona-Tief hat sich die Branche mittlerweile herausgekämpft. Dieses Jahr wird die Marke von 20 Milliarden Trips voraussichtlich zum ersten Mal seit der Pandemie wieder geknackt.

Dabei liegen die Tourismusausgaben in den meisten Ländern sogar über den Werten von 2019. Nur in China will die Reiselust nach Corona nicht so richtig zurückkehren. Das lässt sich zum Teil mit den geopolitischen Spannungen erklären. Für viele Chines:innen ist es mittlerweile schwieriger, an ein Visum zu kommen.

Die Tourismusbranche trug letztes Jahr zu rund neun Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung bei. Nur Brennstoffe und Chemie führten zu einem höheren Export-Umsatz als der internationale Tourismus.

Dass die Weltenbummlerei einen Rattenschwanz an Treibhausgasen hinter sich herzieht, ist bekannt. Die Weltorganisation für Tourismus, die sich seit diesem Jahr UN Tourism nennt, verfolgt deshalb das ambitionierte Ziel, die Emissionen des Sektors bis 2030 zu halbieren und – im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen – bis Mitte des Jahrhunderts die Netto-Null zu erreichen. Getan hat sich bisher wenig.

Eine neue im Fachjournal Nature Communications erschienene Studie wirft einen Blick auf die Probleme der Branche. Zwischen 2009 und 2019 wuchsen die Tourismus-Emissionen jedes Jahr um 3,5 Prozent und damit mehr als doppelt so schnell wie die globalen Gesamtemissionen.

Die CO2-Intensität des Sektors ist überdurchschnittlich hoch. Jeder Dollar, der in dem Sektor eingenommen wird, führt – mit knapp über einem Kilogramm CO2 – zu rund 20 Prozent mehr Emissionen als im weltwirtschaftlichen Durchschnitt.

Die Studie betrachtet dabei sowohl internationalen als auch Inlands-Tourismus. Bei einer reinen Betrachtung von Fernreisen dürften die Zahlen noch wesentlich höher ausfallen.

Technologischer Fortschritt reicht nicht aus

Setzt sich das Wachstum mit dieser Rate fort, so die Autor:innen, würden sich die Emissionen alle 20 Jahre verdoppeln.

Die Forschungsgruppe um die Wirtschaftswissenschaftlerin Ya-Yen Sun von der australischen University of Queensland untersuchte dabei verschiedene Einflussfaktoren auf die Tourismus-Emissionen von 2009 bis 2019.

Weite Teile der Malediven liegen nur einen Meter über dem Meeresspiegel. Bis 2100 könnte daher ein Großteil der Inseln im Meer versinken. (Bild: Kingkurt22/Wikimedia Commons)

Insgesamt wuchsen die jährlichen Emissionen in dem Zeitraum um 1,5 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent. Das entspricht den jährlichen Emissionen von ganz Lateinamerika.

Flugreisen machen mit rund einem Fünftel den größten Teil der Emissionen aus. Auf Platz zwei landet der Ausstoß von Privatfahrzeugen, gefolgt von indirekten Emissionen der Grundversorgung, also Stromverbrauch und Ähnliches, sowie dem kommerziellen Straßenverkehr.

Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass "der Luftverkehr, die Versorgungsunternehmen und die Nutzung privater Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor die wichtigsten Brennpunkte für ein starkes Wachstum der touristischen Emissionen sind", wie es in der Studie heißt.

Dass die Elektrifizierung der Stromversorgung und des Verkehrs laut der Internationalen Energieagentur IEA vorankommt – wenn auch zu langsam – gebe Grund zur Hoffnung, schreiben die Autor:innen. Allerdings bleibe der Flugverkehr die "Achillesverse der globalen Emissionen des Tourismus".

Damit der Sektor auf Kurs zu den Pariser Klimazielen kommt, müssten die Emissionen jedes Jahr um zehn Prozent sinken. Um das zu erreichen, setzen viele Regierungen und auch UN Tourism bisher überwiegend auf mehr Energieeffizienz und neue Technologien, etwa den Umstieg von Verbrenner-Autos auf E‑Autos.

Die Studie belegt nun aber, dass das nicht ausreichen wird. Die Wissenschaftler:innen verweisen auf "die Ergebnisse der Degrowth-Forschung, wonach technologische Verbesserungen, die das Nachfragewachstum aufheben könnten, äußerst unrealistisch wären". Stattdessen seien wirksame Maßnahmen zur Verringerung der Verkehrsnachfrage erforderlich.

Die Emissionseinsparung aufgrund effizienterer oder klimafreundlicherer Technologien belief sich in den zehn Jahren auf 500 Millionen Tonnen CO2 und konnte so nur ein Viertel des Anstiegs ausgleichen.

Coolcation rettet die Branche, nicht das Klima

Dabei dürfe die Last der Einsparung nicht auf alle gleich verteilt werden, betonen die Forscher:innen. Zwischen den Ländern wie auch innerhalb von ihnen gebe es große Unterschiede. Die 20 Länder mit den höchsten Emissionen waren 2019 für drei Viertel der Emissionen des Sektors verantwortlich.

Die Kluft verlaufe zwischen den Bevölkerungsgruppen, die sich internationale Reisen leisten können, und jenen, denen das Geld dazu fehlt. Um mehr als das Hundertfache übersteigen die Pro-Kopf-Emissionen von Ländern mit hohen Einkommen die der Länder mit niedrigen Einkommen.

Vor allem Langstreckenflüge und das Reiseaufkommen von Ländern mit hohen Emissionen sollten daher begrenzt werden, heißt es in der Studie. Höhere CO2-Steuern, feste CO2-Budgets und die verpflichtende Verwendung alternativer Kraftstoffe seien in Erwägung zu ziehen.

Wie sich der globale Tourismus in den kommenden Jahren verändert, hängt allerdings nicht nur von politischen Maßnahmen ab. Auch die Klimakrise selbst hat ein Wörtchen mitzureden. Urlaubsziele in Afrika, Südostasien und kleinen Inselstaaten könnten durch die Folgen der Erderwärmung an Reiz verlieren oder schlicht keinen Tourismus mehr zulassen.

Eine EU-Studie aus dem vergangenen Jahr zeigte, dass auch südeuropäische Länder in Zukunft an Attraktivität verlieren könnten. Aber die Reisefreudigen haben bereits ihre Antwort darauf gefunden.

So gewinnen Urlaubsziele mit milderem Klima, wie Skandinavien oder auch Alaska, an Beliebtheit. Für die Tourismusbranche ist die unter dem Marketingschlagwort "Coolcation" beworbene Flucht in die Kühle vielversprechend, für das Klima weniger.