Wer die Alpengletscher noch einmal erleben möchte, sollte sinnvollerweise den Zug nehmen. (Bild: Christof Lackner/​Innsbruck Tourismus/​ÖBB)

Viele südeuropäische Länder leiden in diesem Sommer unter extremer Hitze. Bei Temperaturen um die 40 Grad in beliebten Reiseländern wie Griechenland, Spanien und Italien suchen sich manche Reisewilligen inzwischen lieber ein kühleres Ziel für ihren Urlaub aus.

Vor allem die skandinavischen Länder, aber auch entferntere Destinationen wie etwa Alaska haben Analysen zufolge in den letzten Jahren an Beliebtheit gewonnen.

So zählte beispielsweise Norwegen laut der Online-Plattform Statista 2023 mehr touristische Übernachtungen als je zuvor – 37 Millionen, wovon 2,3 Millionen auf deutsche Urlauber:innen entfielen. Diese waren nach den Einheimischen die größte Touristengruppe in dem skandinavischen Land.

Einer EU‑Studie zufolge könnte das Interesse an Urlaubsreisen in kühlere Länder in Zukunft wachsen. Das für die Studie verantwortliche Forschungsteam untersuchte, wie sich der Klimawandel auf die Nachfrage nach verschiedenen Tourismusregionen in Europa auswirken wird.

Über einen Zeitraum von 20 Jahren erhoben die Wissenschaftler:innen dafür Daten aus 269 europäischen Regionen und ermittelten die Attraktivität des jeweiligen Reiseziels anhand des sogenannten Tourism Climate Index (TCI), der dafür Wetterparameter wie Temperatur, Niederschlag oder Windgeschwindigkeit berücksichtigt.

Die Forscher:innen bestimmten den Einfluss künftiger Klimaveränderungen auf die Tourismus-Nachfrage für vier unterschiedliche Erwärmungsszenarien von 1,5 bis vier Grad und für zwei verschiedene Emissionsszenarien. Eines entsprach dabei einem Szenario mit geringen Treibhausgasemissionen und ehrgeizigen Klimaschutzmaßnahmen, das andere einem mit hohen Emissionen und sehr wenigen Maßnahmen für den Klimaschutz.

Das Fazit der Studie: Während die nördlichen Regionen vom Tourismus profitieren werden, verlieren südlichere Reiseländer an Attraktivität. In Szenarien mit einer höheren Erwärmung sei diese Tendenz stärker ausgeprägt. Auch würden Menschen ihre Reisezeit künftig mehr in den Herbst und Winter statt in den Sommer legen.

Flucht vor Extremereignissen

Bereits jetzt werben Teile der Tourismusbranche mit kühlen Reiseorten. Mit dem Schlagwort "Coolcation" – zusammengesetzt aus englisch cool für kühl und vacation für Urlaub – versucht zum Beispiel die norwegische Tourismusagentur "Visit Norway" Menschen anzulocken, die auf der Suche nach einem "erfrischenden" Urlaub sind.

Die schwedische Tourismusagentur "Visit Sweden" erklärt auf ihrer Website sogar die Zeiten des "unermüdlichen Strebens nach sengender Sonne und drückender Hitze" für beendet. Und das britische Reisemagazin Condé Nast Traveller nannte "Coolcation" einen der wichtigsten Urlaubstrends dieses Jahres.

Eher von einem steigenden Interesse als von einem richtigen Trend sprechen Vertreter:innen der Tourismusbranche gegenüber dem ZDF. Einen Grund dafür sehen sie darin, dass sich nicht alle Menschen einen Urlaub in tendenziell teureren Ländern etwa in Nordeuropa leisten können.

Auch sei der Drang, vor heißen Sommern in kühlere Regionen fliehen zu wollen, an sich nichts Neues, wie Tourismusforscher Dirk Reiser der Rheinischen Post mitteilte. So würden etwa Australier:innen schon länger vor der sommerlichen Hitze ins kühlere Tasmanien ausweichen.

 

Neuer scheint dagegen die Entwicklung zu sein, dass mehr Menschen aufgrund des Klimawandels und seiner Folgen verunsichert sind und ihr Reiseverhalten deshalb schon verändert haben oder mit dem Gedanken spielen, dies zu tun. Berichte über Extremereignisse wie die Waldbrände in Griechenland oder die zeitweise Schließung von Sehenswürdigkeiten wie der Akropolis wegen gefährlicher Hitze beeinflussen dieses Verhalten.

Manche Urlauber:innen weichen deshalb lieber in gemäßigte Teile der Welt aus. Einige nutzen den Urlaub in ein kühles Land auch als "letzte Chance", um zum Beispiel die wegen des Klimawandels schwindenden Gletscher zu sehen.

Kritik an "Klimatourist:innen"

Gerade letzteres Verhalten stößt jedoch auch auf Kritik. So sagte etwa ein norwegischer Bergführer der ARD, er halte es für paradox, wenn Menschen mit dem Flugzeug anreisen, um einen Gletscher zu erleben. Denn die Anreise per Flugzeug und die dadurch verursachten Emissionen bedrohten den Gletscher zusätzlich.

Auch anderes an der Idee der "Coolcation" ist umstritten. Etwa, ob es ethisch vertretbar ist, wenn Teile der Tourismusbranche von den schädlichen Folgen der Klimakrise zu profitieren versuchen. Einige Einheimische fürchten zudem einen Massentourismus aufgrund der wachsenden Zahl an "Klimatourist:innen".

Sollten Urlauber:innen deshalb lieber auf eine "Coolcation" verzichten? Zumindest haben sie laut Fachleuten diverse Möglichkeiten, zu reisen und dabei gleichzeitig das Klima zu schonen. So können sie zum Beispiel per Zug an ihren Urlaubsort fahren, lieber eine große Reise pro Jahr als viele kleine unternehmen oder Orte als Reiseziel wählen, die nicht weit weg, sondern in der Nähe ihrer Heimat liegen.