Die Sonne knallt erbarmungslos auf den Asphalt, kaum ein Lüftchen dringt in die Gebäudeschluchten und nur vereinzelt spenden entkräftete Stadtbäume kleine Schattenflecken. Die Sommer in unseren Städten werden mit fortschreitender Klimaerwärmung zur Herausforderung. Schuld daran ist neben dem Klimawandel der urbane Hitzeinseleffekt.

Beton-, Glas- und Metalloberflächen speichern weitaus mehr Wärme als Wiesen oder Wälder. Die Baustoffe unserer Städte sorgen also für eine Überhitzung. Gleichzeitig mangelt es an Grün- und Wasserflächen.

Die resultierenden Temperaturunterschiede zwischen Stadt und Umland sind beträchtlich. Bis zu zehn Grad Differenz können in Berlin und anderen großen Städten erreicht werden. Auch schon in Kleinstädten ist dieser Unterschied zu spüren und messen.

Die brütende Hitze ist nicht nur unangenehm. Die Auswirkungen von Hitzewellen reichen von "Erkrankungen wie Sonnenstiche, ⁠Hitzestress⁠, Ohnmacht, Hitzekrämpfe und Hitzschläge bis hin zum hitzebedingten Tod", schreibt das Umweltbundesamt.

In der Tat fordern Hitzewellen meist deutlich mehr Leben als Hochwasser, Stürme oder Erdbeben. Zwischen 2018 und 2020 sind in Deutschland mehr als 19.000 Menschen infolge von Hitze gestorben, wie eine Auswertung des Robert Koch-Instituts (RKI), des Deutschen Wetterdienstes und des Umweltbundesamts ergab. Für vergangenen Sommer bringt das RKI etwa 4.500 Todesfälle in Zusammenhang mit Hitze.

Von allein werden diese Zahlen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten nicht kleiner. Laut dem sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarates ist es virtually certain, also zu 99 bis 100 Prozent sicher, dass Hitzewellen in ihrer Häufigkeit, Intensität und Dauer zunehmen werden, selbst wenn das 1,5-Grad-Limit eingehalten wird.

Je ärmer ein Stadtviertel, desto heißer

Während die Hitze besonders stark in Städten ausgeprägt ist, trifft sie auch dort nicht alle Menschen gleich. Eine jüngst veröffentlichte Studie zeigt am Beispiel von Los Angeles, wie ungleich verschiedene Stadtteile unter Hitzewellen leiden.

Die Autor:innen der im Fachblatt Science Advances erschienen Studie fanden eine negative Korrelation zwischen dem durchschnittlichen Haushaltseinkommen einer Wohngegend und der Oberflächentemperatur unter Tags.

Mit anderen Worten: Je ärmer ein Viertel, desto höher die Temperaturen während einer Hitzewelle. Dabei nimmt der Unterschied mit der Durchschnittstemperatur zu.

Ein durchschnittlicher Einkommensunterschied von 10.000 US-Dollar führt bei einer Durchschnittstemperatur von 45 Grad Celsius zu einer um 0,7 Grad höheren Hitzebelastung in dem ärmeren Stadtviertel. Bei einer Durchschnittstemperatur von 20 Grad liegt der Unterschied nur noch bei 0,2 Grad.

Eine Erklärung für dieses Phänomen finden die Wissenschaftler:innen in der Vegetationsbedeckung. In ärmeren Stadtteilen gibt es weniger Parks und Stadtbäume. Topografische Unterschiede, also die Entfernung von der Küste oder ob ein Vierteil auf einem Hügel oder in einer Senke liegt, hätten weit weniger Einfluss auf die Hitzebelastung, schreibt das kalifornische Forschungsteam.

Teilweise ist dies das Ergebnis vergangener rassistischer Wohnungspolitik in den USA, aber auch heute sind Wohnungen in Parknähe begehrt und dadurch teuer. Grünflächen helfen nicht nur gegen Hitze und fördern nachweislich Wohlergehen und Gesundheit, sondern treiben auch die Immobilienpreise der angrenzenden Viertel in die Höhe.

In der Studie heißt es dazu: "Diese Ergebnisse verdeutlichen die Ungleichheiten bei der Hitzebelastung zwischen verschiedenen ethnischen und sozioökonomischen Gruppen in den Vereinigten Staaten."

In Deutschland fehlen die Daten

Natürlich lässt sich das nicht eins zu eins auf Europa oder Deutschland übertragen. Eine Segregation nach Einkommen ist in deutschen Städten weniger stark ausgeprägt. Dennoch ist das Grundmuster auch hier zu beobachten.

"Einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen leben natürlich auch in Deutschland meist unter schlechteren Wohnbedingungen, bei schlechterer Dämmung, besitzen keine Klimaanlage und haben während Hitzewellen keine Ausweichräume zur Verfügung", sagt Susanne Bieker vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe.

Bieker arbeitet zum Querschnittsthema "Transformations- und Innovationssysteme urbaner Räume". Schwere körperliche Arbeit im Freien erhöhe das Risiko für hitzebedingte Krankheiten, ergänzt sie.

Tatsächlich ist auch in Deutschland der Zugang zu städtischen Grünflächen einkommensabhängig. Das haben diverse Studien und Umfragen der letzten Jahre ergeben. Laut einer Studie aus dem Jahr 2017 verlängert sich der Fußweg, den Kinder und Jugendliche von ihrem Zuhause bis zum nächsten Park zurücklegen müssen, mit sinkendem Haushaltseinkommen.

Das Berliner "Umweltgerechtigkeitsmonitoring" zeigte, dass sozioökonomisch benachteiligte Stadtteile über eine unterdurchschnittliche Freiraumversorgung verfügen – also weniger Parks und Wasserflächen aufweisen.

Zu der räumlichen Verteilung von hitzebedingten Todesfällen gebe es bisher keine Studien für Deutschland, anhand derer sich Stadtteile miteinander vergleichen ließen, erklärt Matthias an der Heiden, Statistiker am RKI. Sie seien aber in Planung.

Überhaupt sei das mit den Zahlen nicht so einfach, sagt er. Diese basieren nämlich nicht auf einzelnen Personen, die an Hitze gestorben sind, sondern sind Ergebnis einer statistischen Methodik. "Wir leiten eine hitzebedingte Übersterblichkeit aus dem Vergleich von Mortalitätsraten während Hitzewellen und kälteren Vergleichszeiträumen im Sommer ab." Das geschehe erst mal auf Bundesländerebene.

Die Daten zeigen, dass alte Menschen, Kleinkinder und Babys besonders stark durch die Hitze gefährdet sind, es lassen sich aber keine Unterschiede aufgrund von Durchschnittseinkommen belegen. Etwas kleinräumiger sind zwar die Daten des Statistischen Bundesamtes, mit denen immerhin Stadt-Land-Unterschiede nachgewiesen werden können. Aber alles, was stärker differenziert, ist Zukunftsmusik in Deutschland.

Nur wenige Städte mit Hitzeaktionsplänen

Für die kalifornischen Studienautor:innen sind "gerechte Minderungsmaßnahmen, wie die Erhöhung der Oberflächenalbedo und des Baumbestands in einkommensschwachen Vierteln, notwendig, um die Ungleichheiten zu beseitigen".

Seit 2017 gibt es auch in Deutschland Handlungsempfehlungen für Hitzeaktionspläne von Kommunen. Das Bundesumweltministerium macht den Kommunen dabei diverse Vorschläge, etwa langfristige Stadtplanung und den Aufbau eines Hitzewarnsystems. Passiert ist in den letzten sechs Jahren allerdings wenig.

Einige Kommunen haben angefangen einen Plan umzusetzen, in vielen ist aber auch noch so gut wie nichts passiert. Umweltgerechtigkeit spielt in den Empfehlungen nur eine untergeordnete Rolle.

Auch Susanne Bieker kritisiert ein "Umsetzungsdefizit im Bereich Klimaanpassung", für das aber nicht nur Kommunen verantwortlich seien. "Die Kommunen haben eine sehr wichtige Rolle in der Klimaanpassung, können steuernd, fördernd und umsetzend, aber auch kommunizierend agieren." Trotz aller Schwierigkeiten finde Klimaanpassung im urbanen und teilweise auch im ländlichen Raum bereits statt.

Hinzu kommt: Der allergrößte Anteil städtischer Flächen und Gebäude befindet sich in privater Hand. Klimaanpassung könne deshalb nur mit vereinten Kräften von privaten und öffentlichen Akteur:innen gelingen, gibt Bieker zu bedenken.

Ob bei der städtischen Klimaanpassung auch Umweltgerechtigkeit mitgedacht wird, werden die folgenden Jahre zeigen. Immerhin schließen sich Jahr für Jahr Datenlücken. Eine wichtige Initiative ist zum Beispiel der Berliner Umweltgerechtigkeitsatlas. Dort werden verschiedene Indikatoren für Umweltbelastungen auf Quartiersebene erfasst.

Statistiker Matthias an der Heiden ist zudem optimistisch, dass bald kleinräumigere Daten über die Auswirkungen von Hitzewellen zur Verfügung stehen werden. Schon im nächsten Sommer könnte das RKI entsprechende Datensätze haben.

Dann bleibt nur zu hoffen, dass nach den Datenlücken auch die Umsetzungslücken geschlossen werden.

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