Die extreme Hitzewelle von 2003 gilt als die tödlichste Naturkatastrophe in Europa in fast 100 Jahren. 70.000 Hitzetote waren damals zu beklagen. Viele Länder, allen voran Frankreich, führten daraufhin Schutzmaßnahmen ein. Auch Deutschland, wo das Thema lange verschlafen wurde, will nun nachziehen.

Doch die Maßnahmen, die von den europäischen Ländern bisher ergriffen wurden, reichen offenbar nicht aus, um die Menschen in Europa umfassend zu schützen.

 

Das zeigt eine neue Analyse, die am heutigen Montag im Fachjournal Nature Medicine erschienen ist. Demnach gab es im Sommer 2022 – dem bislang heißesten seit Beginn der Aufzeichnungen – rund 61.700 Hitzetote in Europa. 

Die Angaben von 2003 und 2022 sind dabei nicht zu vergleichen. In die neue Studie flossen beispielsweise Daten aus 35 Ländern mit 543 Millionen Menschen ein, während sich die Berechnungen von 2003 auf 16 Länder mit knapp 400 Millionen Menschen bezogen.

Doch selbst wenn man dies berücksichtigt und, um Vergleichbarkeit herzustellen, nur die aktuellen Zahlen für diese 16 Länder betrachtet, ergibt sich für den Sommer 2022 immer noch eine extrem hohe Zahl von rund 52.100 Hitzetoten in Europa.

Extrem hoch, weil in den vergangenen 20 Jahren schließlich eine Sensibilisierung für Hitzerisiken stattgefunden hat und zumindest teilweise auch Notfall- und Hitzeschutzpläne aufgelegt wurden. Die bisherigen Schutzmaßnahmen müssten deshalb neu bewertet und verstärkt werden, fordern die Autor:innen der aktuellen Studie.

Situation in Deutschland bisher unterschätzt

Aus den Daten lässt sich auch ablesen, in welchen Ländern der Handlungsbedarf besonders groß ist – und welche Bevölkerungsgruppen am stärksten gefährdet sind.

Die meisten Fälle von hitzebedingter Sterblichkeit im Sommer 2022 hatten demnach Italien mit rund 18.010 und Spanien mit rund 11.300 Todesfällen zu verzeichnen.

In Deutschland waren es laut Studie rund 8.200 Hitzetote. Das ist deutlich mehr, als bisherige Schätzungen ergeben haben, etwa vom Robert-Koch-Institut (RKI), das in seiner Analyse von etwa 4.500 Hitzetoten im Jahr 2022 ausgeht.

Betrachtet man nicht die absoluten Zahlen, sondern die Hitzetoten im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung, zeigt sich, dass in allen südeuropäischen Ländern die Zahl der hitzebedingten Sterbefälle sehr hoch ist. In Italien sind es 295 pro eine Million Einwohner, in Spanien 237, in Griechenland 280, in Portugal 211, in Bulgarien 175 sowie in Kroatien 172.

Zum Vergleich: In Deutschland sind es 98, in Frankreich 73, in kühleren Ländern noch weniger, etwa in Finnland 40, in Norwegen nur fünf.

In fast allen Ländern sind unter den Hitzetoten deutlich mehr Frauen als Männer. Pro eine Million Einwohner:innen starben in Deutschland 93 Frauen und 68 Männer.

In Italien liegt das Verhältnis bei 379 Frauen zu 211 Männern, in Spanien bei 295 zu 181. Griechenland weist ein Verhältnis von 367 zu 153 auf – das heißt, dort starben mehr als doppelt so viele Frauen wie Männer durch Hitze. Noch gravierender ist die Diskrepanz zum Beispiel in Tschechien mit 53 zu sieben, in Irland mit 15 zu null oder Liechtenstein mit 41 zu null.

In allen 35 untersuchten europäischen Ländern zusammengenommen liegt das Verhältnis bei 145 (Frauen) zu 93 (Männer). Ausnahmen sind Rumänien mit 110 zu 135, Lettland mit 39 zu 49, Litauen mit 99 zu 138 und Frankreich mit 71 zu 81.

Laut der Studie sind – neben den Frauen – auch Menschen mit Vorerkrankungen sowie sozial isolierte und sozioökonomisch benachteiligte Menschen überdurchschnittlichen Risiken durch Hitze ausgesetzt.

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