Die Zustimmung ist nach wie vor hoch, allerdings kritisierten im Jahr 2018 mehr Menschen in Deutschland die Umsetzung der Energiewende als im Vorjahr. Das ist ein Ergebnis des "sozialen Nachhaltigkeitsbarometers der Energiewende 2018", einer Studie des Instituts für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam.
So befürworten 90 Prozent der Bevölkerung die Energiewende, für 80 Prozent ist sie sogar eine Gemeinschaftsaufgabe, bei der jeder mitwirken sollte. Für das Nachhaltigkeitsbarometer wurden im August und September vergangenen Jahres um die 6.600 Haushalte bundesweitweit befragt.
Während die übergroße Mehrheit der Bevölkerung die Energiewende also gutheißt, kritisieren immer mehr Menschen die Organisation und Durchführung. "Wir stellen fest, dass die Kritik an der Energiewende in allen abgefragten Bereichen stark zugenommen hat", sagte Studien-Autorin Daniela Setton vom IASS bei der Vorstellung heute in Berlin. "Mehr Menschen als 2017 halten sie für teuer, chaotisch, ungerecht oder elitär." Letzteres gelte selbst für die Menschen, die schon selbst in Erneuerbare investiert haben.
Auch die Kritik an der Regierungspolitik hat zugenommen. "Die Bundesregierung kann die Bevölkerung nicht überzeugen", resümiert Setton. So waren im vergangenen Jahr insgesamt 61 Prozent der Bevölkerung mit der Arbeit der Bundesregierung an der Energiewende unzufrieden. Beim Nachhaltigkeitsbarometer des Vorjahres waren es 49 Prozent gewesen.
Hauptgrund für die Unzufriedenheit war laut Umfrage, dass die Energiewende zu langsam vorangehe, um das Klima wirksam zu schützen. Das sagten 58 Prozent der Unzufriedenen. An zweiter und dritter Stelle kommen mangelnde soziale Gerechtigkeit und hohe Kosten.
CO2-Preis nur, wenn es Entlastungen gibt
Für den Kohleausstieg gab es auch 2018 unverändert eine Mehrheit. Fast zwei Drittel (64 Prozent) der Bevölkerung sind dafür. In der Lausitz, zu der die IASS-Wissenschaftler eine gesonderte Stichprobe von 300 Haushalten nahmen, waren hingegen 43 Prozent gegen den Kohleausstieg und nur 27 Prozent dafür.
Das gilt allerdings nur für die Braunkohleregion selbst, in den Braunkohle-Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg insgesamt ist jeweils eine relative Mehrheit für den Kohleausstieg.
Auch einen CO2-Preis, wie ihn Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) vorschlägt, befürworten mehr als die Hälfte der Befragten (54 Prozent). Eine knappe Hälfte findet eine Einführung allerdings nur akzeptabel, wenn es an anderer Stelle Entlastungen gibt. "Ein CO2-Preis dürfte auf Akzeptanz stoßen, wenn es einen sichtbaren und überzeugenden Ausgleich gibt", so Setton.
"Es ist wesentlich, dass die Politik jetzt zeigt: Wo wollen wir hin? Und dann alles tut, um das Ziel zu erreichen", sagte Ortwin Renn, Wissenschaftlicher Direktor des IASS, zu der gestiegenen Unzufriedenheit der Bürger mit der Bundesregierung. "In den Sektoren Verkehr und Wärme gibt es in den nächsten Jahren große Probleme durch die EU-Strafzahlungen. Die kommen sicher nicht gut an."
Auch Daniela Setton bescheinigte der Bundesregierung einen Mangel an politischer Führung. Die Wissenschaftlerin plädiert für mehr Courage: "Insgesamt ist für die Energiewende auch politischer Mut gefragt. Politische Grundsatzentscheidungen in Kommissionen auszulagern ist ein Weg, den man überdenken sollte."
Vielleicht ist zumindest die Umweltministerin mit ihrem Entwurf des Klimaschutzgesetzes aber schon auf einem guten Weg dorthin. Ortwin Renn ist jedenfalls sicher: "Das Klimaschutzgesetz wäre ein wesentlicher Gesichtspunkt, um kurzfristig erreichbare Ziele zu setzen."