Klima, Ressourcen, Umweltschäden – die Menschheit lebt über ihre Verhältnisse. Das ist lange bekannt, doch eine echte Trendumkehr lässt auf sich warten.
In diesem Jahr gibt es allerdings ein leicht positives Signal: Der "Erdüberlastungstag" wird erst später erreicht, anstelle des 28. Juli wie im vergangenen Jahr markiert nun der 2. August den Tag, an dem die Menschheit alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht hat, die die Erde binnen eines Jahres zur Verfügung stellen kann.
Trotzdem bedeutet das noch immer eine gewaltige Übernutzung: Die Menschen leben so, als hätten sie 1,7 Planeten zur Verfügung.
Die Erde wird seit mehr als 50 Jahren übermäßig ausgebeutet, wie die Berechnungen der US-Nichtregierungsorganisation Global Footprint Network zeigen. Bei der ersten aktuellen Berechnung 1987 fiel der "Earth Overshoot Day" noch auf Anfang Dezember – ausgeglichen war die Bilanz nur bis zum Ende der 1960er Jahren gewesen.
Seither rückte der Tag fast immer weiter nach vorne. Deutlich unterbrochen wurde dieser Trend nur durch große ökonomische Verwerfungen wie etwa die Ölkrisen in den 1970er Jahren, die Weltfinanzkrise 2008/2009 und zuletzt die Corona-Pandemie, als durch die Lockdowns die Industrieproduktion und der Verkehr heruntergefahren wurden.
Verbesserte Berechnungsgrundlage
Diesmal basiert allerdings die Verschiebung des Datums in die positive Richtung zum größten Teil auf einer optimierten Berechnung durch verbesserte Datensätze. Wären dieselben Datensätze bereits 2022 verwendet worden, wäre der Überlastungstag damals statt auf den 28. Juli auf den 1. August gefallen. Vier der fünf Tage Verbesserung sind darauf zurückzuführen.
Trotzdem ist festzustellen, dass es zumindest keine weitere Erhöhung der Belastung gegeben hat, sondern sogar eine leichte Entlastung. Ob das eine Trendumkehr andeutet, ist freilich noch offen.
Das Global Footprint Network folgt dem von seinem Gründer und Präsidenten, dem Schweizer Ingenieur Mathis Wackernagel, entwickelten Konzept des ökologischen Fußabdrucks, das quasi ein Buchhaltungssystem für die natürlichen Ressourcen darstellt.
Der ökologische Fußabdruck stellt zwei Größen einander gegenüber: einerseits die biologische Kapazität der Erde zum Aufbau von Biomasse und anderen Rohstoffen sowie zur Aufnahme von Emissionen und Müll – andererseits den Gesamtbedarf an Ressourcen wie Ackerland, Wäldern oder Wasser, die die Menschheit für ihre Lebens- und Wirtschaftsweise in Anspruch nimmt.
Nach den Berechnungen des Global Footprint Network wären derzeit etwa 1,7 Planeten Erde notwendig, um den Ressourcenhunger der Weltwirtschaft zu stillen. Nach dem Erdüberlastungstag am 2. August folgen noch gut 40 Prozent des Jahres, für die eigentlich keine Ressourcen mehr vorhanden sind.
Würden alle Länder so wirtschaften und konsumieren wie Deutschland, wären sogar drei Erden nötig. Der deutsche Erdüberlastungstag war in diesem Jahr denn auch schon am 4. Mai.
Bei einer Lebensweise wie in den USA bräuchte die Menschheit sogar fünf Erden, beim Modell des Schwellenlandes China wären es mehr als zwei. Es gibt jedoch durchaus Länder, deren ökologischer Fußabdruck noch nicht zu groß ist, darunter ist Indien mit 0,7 Erden.
"Wir beschneiden die Rechte künftiger Generationen"
Umweltverbände werten den "Overshoot Day" als Signal zum Umsteuern. "Klimakrise, Artenverlust und knappe, begrenzte Ressourcen wie Wasser, fruchtbare Böden, Holz, Rohstoffe sind Fakt, Kipppunkte stehen vor der Tür", sagte Susanne Walter von den Parents for Future Bonn. Es müsse jetzt gehandelt werden. "Je schneller und konsequenter, desto besser kann unsere Zukunft noch sein."
Immerhin sei es "erfreulich, dass die Überlastung seit einigen Jahren kaum noch zunimmt und in diesem Jahr sogar ganz leicht abnimmt", kommentierte Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. "Aber nach wie vor nehmen wir ungefragt einen massiven ökologischen Kredit bei jüngeren und kommenden Generationen auf und schränken ihre künftigen Freiheitsrechte ein", sagte er.
Die Industrienationen und stark emittierende Schwellenländer wie China hätten wegen ihrer besonders hohen Ressourcennutzung und entsprechender Emissionen eine besondere Verantwortung – gerade im Klimabereich, der global rund die Hälfte des ökologischen Fußabdrucks ausmacht.
Germanwatch erinnerte daran, dass die weltweiten CO2-Emissionen laut Weltklimarat IPCC bis 2030 um 43 Prozent im Vergleich zu 2010 sinken müssen, um das 1,5-Grad-Limit langfristig einhalten zu können. Bisher ist das nicht in Sicht.
Nur während der Corona-Lockdowns sind die Emissionen deutlich gesunken, im Jahr 2020 um rund sieben Prozent. Inzwischen ist das Vor-Corona-Niveau aber wieder erreicht.
Das Global Footprint Network hat mehr als 100 Lösungen zusammengetragen, die laut der Organisation ein enormes Potenzial haben, um den Erdüberlastungstag weiter nach hinten zu verschieben. Mehr als zwei Monate – 63 Tage – könne man allein mit einer global umgesetzten Bepreisung des Treibhausgases CO2 erreichen, und zwar mit 100 US-Dollar pro Tonne.
Weitere 29 Tage würde es danach bringen, "intelligente Städte" zu entwickeln, also moderne Technologien für Gebäude, Industrieprozesse und Stromverteilung zu nutzen, und die Abhängigkeit von energieintensiven Transportmitteln zu reduzieren.
Um sieben Tage nach hinten wanderte der Overshoot Day, wenn 50 Prozent des weltweiten Fleischkonsums durch pflanzliche Ersatzstoffe ersetzt würden, und zwar allein durch den geringeren CO2-Ausstoß und die geringere Landnutzung. Werden die dadurch reduzierten Methanemissionen einbezogen, wäre die Wirkung sogar noch größer.
Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Der Mensch als Pleitier