Bernie Sanders hat mit seinen linkssozialdemokratischen Positionen in den USA viele Anhänger, aber auch viele Feinde. (Bild: Andrew Cline/​Shutterstock)

Unter Applaus gehen Bernie Sanders, zweimaliger Kandidat in den demokratischen Präsidentschafts-Vorwahlen der USA, und die Fridays-for-Future-Aktivistin Carla Reemtsma auf die Bühne. Der kleine Veranstaltungsraum in der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin ist an diesem Freitagvormittag gut gefüllt.

Es soll in dem kurzen Vortrag von Sanders und einem anschließenden Gespräch zwischen den beiden um "Kapitalismus, Klima und gute Löhne" gehen, wie der Titel der Veranstaltung verspricht.

Der Moderator stellt Sanders als den Anführer der progressiven Bewegung in den USA vor. "Ich wünschte, ich könnte eine magische Lösung für all die Krisen, denen sich die Welt gegenübersieht, aus meiner Hosentasche zaubern. Kann ich aber nicht", beginnt der 82-Jährige seine Rede.

Ein guter Anfang sei es allerdings, die Wahrheit auszusprechen, fährt er fort. Das würde in der Politik nicht immer passieren.

Weltweit lässt sich, so Sanders, eine starke Tendenz hin zu Oligarchien beobachten. Diese reichen und politisch einflussreichen Oberschichten gewännen immer weiter an Reichtum und Einfluss. Und weil sie kein Interesse daran hätten, dass über diese Entwicklung gesprochen werde, passiere das viel zu selten.

Sanders macht diese Entwicklung an einigen Beispielen fest. Vor 50 Jahren haben Arbeiter:innen in den USA bei wesentlich geringeren Lebenshaltungskosten mehr verdient als heute. Über 60 Prozent der dortigen Arbeiter:innen leben von "paycheck to paycheck". Sie haben also keine Möglichkeit, Geld anzusparen, sondern ihr Monatslohn ist am Ende des Monats aufgebraucht.

Gleichzeitig geht es den oberen paar Prozent besser als je zuvor. Das Vermögen der drei reichsten US-Amerikaner ist ebenso groß wie das Vermögen der ärmeren Hälfte der gesamten US-Bevölkerung, etwas mehr als 160 Millionen Menschen.

Existenzangst als Einfallstor für demagogische Hetze

Ähnliche Zahlen existieren für Deutschland und weltweit. Eine Oxfam-Studie von 2017 zeigte, dass in Deutschland 36 Milliardär:innen so viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung. Weltweit betrachtet liegt diese Zahl bei 26 Milliardär:innen.

In dem neuesten Oxfam-Bericht "Survival of the richest" kommt der internationale Verbund von Hilfsorganisationen zu dem Schluss, dass eine Vermögenssteuer von fünf Prozent für alle Multimillionär:innen und Milliardär:innen 1,7 Billionen Dollar jährlich aufbringen würde.

Das wäre genug, um zwei Milliarden Menschen aus Armut zu befreien, und könnte auch einen großen Beitrag zur Finanzierung einer klimagerechten Transformation leisten.

Über all das müsse viel mehr diskutiert werden, mahnt Sanders energisch. Sonst würden Demagog:innen die Existenzängste und Unzufriedenheiten der Bevölkerung für ihre gefährliche Hetze und Verschwörungserzählungen ausnutzen.

Über die Klimakrise selbst spricht Sanders nicht. Sie scheint als eine von den vielen Krisen, die er anspricht, mitgemeint zu sein.

Der Moderator richtet die Frage an Carla Reemtsma: Wie hängen Kapitalismuskritik und Klimaschutz zusammen?

"Sowohl wenn wir über sozioökonomische Probleme als auch wenn wir über die Klimakrise reden, müssen wir über die Ursache sprechen", antwortet Reemtsma. "Und in der Tat, die Ursache ist Kapitalismus."

Das kapitalistische Wirtschaftssystem beute Menschen genauso wie die natürliche Umwelt aus, erklärt Reemtsma. Deshalb müssten diese Krisen zusammen gedacht und diskutiert werden.

Unsozialer Klimaschutz lässt die AfD erstarken

Aber auch die Lösungen für die gegenwärtigen Krisen müssten soziale Fragen und die Klimakrise zusammen denken, fährt sie fort. Eine klimagerechte Transformation sei nur dann gerecht, wenn sie soziale Aspekte mitdenke.

Anders als der Klimawandel, der bereits heute marginalisierte und von Armut betroffene Bevölkerungsgruppen stärker trifft, dürfe nicht auch der Klimaschutz auf Kosten dieser Gruppen gehen.

Als Beispiel, wo das nicht geklappt hat, nennt Reemtsma das vielfach als unsozial kritisierte Heizungsgesetz. Auch das Erstarken der AfD in den letzten Landtagswahlen in Bayern und Hessen führt sie auf die Heizungsdebatte zurück.

Reemtsma schließt: "Wir können die Klimakrise nicht angehen, ohne über Kapitalismus zu reden. Aber wir können auch nicht über eine gerechte Zukunft sprechen, ohne die Klimakrise zu thematisieren."

Bernie Sanders nickt während Reemtsmas Antwort immer wieder. Zu einer wirklichen Diskussion kommt es am Ende nicht.

Und das, obwohl es sicherlich genügend Punkte geben würde, an dem die Klimabewegung und Sanders Diskussionsbedarf hätten. Auch für Fragen bleibt keine Zeit mehr. Der Senator von Vermont hat wichtige Anschlusstermine.

 

In das letzte Kandidatenrennen der Demokraten ging Sanders mit durchaus ambitionierten Klimastrategien. Expert:innen warfen ihm allerdings Populismus vor.

Innerhalb eines Jahrzehnts wollte Sanders die CO2-Emissionen der USA um 71 Prozent senken. Viele Elemente, mit denen er das erreichen wollte, kritisierten Fachleute jedoch als unplausibel.

Sanders versuche mit seinem Plan aufzuzeigen, wie schnell und umfassend die Transformation sein muss, zitierte damals die New York Times Jesse Jenkins, einen Ingenieur für Energiesysteme und Assistenzprofessor an der Princeton University. Aber, so Jenkins: "Ich glaube nicht, dass das ein sehr nuanciertes Verständnis der Herausforderungen darstellt, vor denen wir stehen."

Wichtig ist der Austausch zwischen der Klimabewegung und progressiven Politiker:innen und Initiativen in jedem Fall. Vor wenigen Jahren tat sich Fridays for Future als größte Gruppe der Bewegung noch schwer, offen Kapitalismuskritik zu äußern. Diese Zeiten scheinen vorbei zu sein.