Der Golf II Citystromer war "eines der ersten alltagstauglichen Elektrofahrzeuge". Gebaut wurden 70 Exemplare. (Bild: VW)

Es geht um die Kipppunkte. Deswegen der ganze Aufwand, jetzt wieder beim UN‑Klimagipfel in Dubai. Es soll verhindert werden, dass zentrale Elemente des Klimasystems in einen neuen, irreversiblen, für die Menschheit gefährlichen Zustand geraten.

Amazonas-Regenwald, Grönland-Eisschild, indischer Monsun zum Beispiel. Das sind nur drei von 25 Kandidaten in dieser Kategorie. Doch es gibt auch positive Kipppunkte, nämlich solche in der Gesellschaft, die die physikalischen stoppen könnten. So zumindest die Hoffnung.

Ein Forscher, der dieses Thema am intensivsten beackert, ist der Brite Tim Lenton. Der Professor für Erdsystemwissenschaften an der Universität Exeter hat sich jetzt wieder als Popfan geoutet, in einer Studie von 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zum Stand der Kippelemente-Forschung, die in Dubai vorgestellt wurde.

Die "positiven sozialen Kipppunkte" haben darin ein eigenes Kapitel bekommen. Und die norwegische Popband A‑ha um Sänger Morten Harket spielt in Lentons Mutmach-Erzählung eine Rolle, als Musterfall.

Ist ja wirklich eine schöne Geschichte. Die Band, bekannt für Hits wie "Take On Me", "The Sun Always Shines on T.V." oder "The Living Dylights", war schon früh auf dem Ökotrip. Anno 1989 importierten Harket und Co einen von einem Bastler zum E‑Auto umgebauten Fiat Panda.

Offiziell ging nicht

Sie fuhren damit herum, immer nur 45 Kilometer, denn dann war die Batterie leer. Sie parkten illegal, zahlten die hohe Maut in Oslo nicht und schmissen die Strafzettel weg. Ein E‑Auto offiziell zu registrieren ging nicht.

Die Sache machte Schlagzeilen, und das trug laut Lenton dazu bei, dass Norwegen in der Autopolitik umschwenkte. E‑Autos wurden kräftig gefördert, Einfuhrzölle und Steuern sanken auf null, die Maut wurde erlassen, Busspuren freigegeben. Heute sind 80 Prozent der Neuwagen dort Stromer, Rekord weltweit.

Wer weiß, vielleicht wäre Deutschland heute E‑Auto-Pionier, wären Bundeskanzler Kohl und VW‑Chef Piëch vor drei Jahrzehnten Jahren A‑ha-Fans gewesen. Oder hätte Grönemeyer "E‑Autos im Bauch" gesungen ... Na ja, man darf ja mal spinnen.

Joachim Wille ist Co-Chefredakteur des Online-Magazins Klimareporter°.

Denn so simpel ist die Soziale-Kipppunkte-Theorie von Lenton und Co natürlich nicht gestrickt. Es braucht schon mehr als ein paar geniale Innovatoren.

Es braucht auch gute Politik – so wie das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz, das die Solarenergie zum Renner gemacht hat.

Aber es ist doch tröstlich zu wissen, dass die große, unbewältigbar erscheinende Transformation klein anfängt, aber ab einem gewissen Punkt zum Selbstläufer wird.