Ein junger und ein alter Mann stehen auf einem Balkon und schrauben zwei Solarmodule an.
Balkonkraftwerke sind keine Gefahr für die Allgemeinheit, im Gegenteil. (Foto: Astrid Gast/​Shutterstock)

Das Interesse an Solarenergie ist seit Beginn der Energiekrise und vor allem mit dem Ukraine-Krieg stark gestiegen. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 7.200 Megawatt Photovoltaik-Kapazität neu geschaffen, fast so viel wie in den Rekordjahren 2010 bis 2012.

Bei den Privatleuten sind solche mit Eigenheim hier im Vorteil, aber auch in der Mietwohnung kann man mit sogenannten Balkon-Solaranlagen selbst aktiv werden. Verbraucherschutz-Organisationen fordern nun, die Installation dieser Geräte deutlich zu vereinfachen, um den Umstieg auf Ökostrom zu erleichtern und Stromkosten zu senken.

Die "Steckersolargeräte" boomen seit einigen Jahren. Sie bestehen aus ein oder zwei Solarmodulen und einem Wechselrichter, der aus dem Gleichstrom der Module 230-Volt-Wechselstrom macht, der ins Hausnetz eingespeist werden kann. Kleinere Stromverbraucher im Haushalt wie Kühlschrank, Radio oder Laptop können damit tagsüber klimafreundlich versorgt werden.

Aktuell wird die Zahl der Balkonanlagen von Experten wie dem Betreiber der Online-Plattform Machdeinenstrom.de, Christian Ofenheusle, auf rund 600.000 geschätzt, wobei die Nachfrage seit Frühjahr 2022 durch den Ukrainekrieg steil angestiegen ist. "Bis Ende 2023 könnten rund eine Million erreicht werden", sagte Ofenhäusle gegenüber Klimareporter°.

Die technische Installation der Steckeranlagen ist einfach, die konkrete Umsetzung bislang durch Vorgaben von Behörden und Netzbetreibern aber oft umständlich. So muss ein neues Gerät nicht nur beim lokalen Netzbetreiber, sondern auch bei der Bundesnetzagentur im sogenannten Marktstammdatenregister eingetragen werden.

Da beide Anmeldungen fast gleiche Daten enthalten, müsse mindestens eine davon entfallen, fordert jetzt die Verbraucherzentrale NRW. Bei einzelnen Solarmodulen mit nur begrenzter Leistung sei sogar ein vollständiger Verzicht auf die Anmeldung sinnvoll – oder zumindest eine vereinfachte, deutschlandweit einheitliche Anmeldung.

In anderen EU-Ländern, etwa den Niederlanden, können Anlagen bis 800 Watt ganz offiziell ohne Anmeldung betrieben werden.

"Elektroherde müssen auch nicht angemeldet werden"

Ein weiterer Streitpunkt ist die Verwendung eines normalen Schuko-Steckers zum Anschluss der Balkonanlage ans Hausnetz. Einige Netzbetreiber fordern noch immer den Einbau einer Spezialsteckdose für die Einspeisung, einer sogenannten Wieland-Steckdose, obwohl ein Großteil der bisher installierten Steckersolargeräte per Schukostecker betrieben wird, ohne dass Probleme in nennenswerter Zahl auftraten.

Die Verbraucherzentrale kritisiert: "Das ist für uns nicht nachvollziehbar, denn der Einbau einer speziellen Einspeisesteckdose ist aufwändig, teuer und teils sogar ein Spießrutenlauf, weil viele Elektriker derzeit gar keine Zeit für diese kleinen Aufträge haben." Zurück blieben gefrustete Interessenten, die sich durch solche Regelungen gegängelt fühlen.

Vom Balkon zum Solarbalkon

Balkonsolaranlagen bestehen aus wenigen Komponenten: ein bis zwei Solarmodule mit Nennleistung von je 300 bis 400 Watt, ein Wechselrichter mit maximal 600 Watt Anschlussleistung, der entweder in das Solarmodul integriert oder separat befestigt ist, sowie ein Anschlusskabel, das vom Wechselrichter zu einer geeigneten Außensteckdose führt. Die Preise für Komplettanlagen bewegen sich je nach Leistung zwischen 400 Euro und 1.000 Euro.

Die Amortisierung einer Balkonanlage hängt von der Ausrichtung zur Sonne, dem Neigungswinkel, der Höhe des Stromverbrauchs tagsüber und dem Netzstrom-Preis ab. Wer zum Beispiel eine Anlage für 800 Euro installiert, kann damit rechnen, dass er die Kosten nach etwa fünf Jahren wieder hereinholt. Die CO2-Einsparung beträgt rund 400 Kilogramm pro Jahr.

Bemerkenswert ist, dass unlängst auch die Bundesnetzagentur und der Vorstand der Technikorganisation VDE die Freigabe des Haushaltssteckers zur Einspeisung befürwortet haben.

Verbraucherzentralen-Vorstand Wolfgang Schuldzinski sieht hier akuten Handlungsbedarf, damit sich möglichst viele Menschen an der Energiewende beteiligen könnten. "Da werden überflüssige bürokratische Hürden aufgebaut, die einen schnelleren Energieumbau verhindern." Der Gesetzgeber solle zügig für eine Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen sorgen – bei den Anmeldeformalitäten genauso wie bei den technischen Voraussetzungen.

Ähnlich argumentiert die Initiative "Klimaschutz im Bundestag" (KiB), die bei den Abgeordneten Druck für Maßnahmen zur Einhaltung des 1,5‑Grad-Limits der Erderwärmung machen will. Die Organisation hält zehn Millionen Balkonanlagen bis 2030 für möglich.

Dazu müsse die Politik die bürokratischen Hürden bei der Netzbetreiber-Anmeldung und der Registrierung im Marktstammregister beseitigen. Diese könnten auch ganz wegfallen, schließlich müssten viel Strom ziehende Wasserkocher oder E‑Herde auch nicht gesondert registriert werden, argumentiert KiB.

Weitere Forderung: Die maximale Wechselrichter-Leistung solle von bisher 600 auf 800 Watt erhöht werden, wie das in der einschlägigen EU-Richtlinie vorgesehen sei und etwa in Österreich auch praktiziert werde.

Schon fast Strategie, aber noch nicht Gesetz

Die Chancen, dass die Ampel-Bundesregierung diese Forderungen erfüllt, haben sich verbessert. Der vom Wirtschaftsministerium im März vorgelegte Entwurf für eine neue Photovoltaik-Strategie nennt Punkte wie "Meldepflichten vereinfachen oder streichen" sowie "Schukostecker als 'Energiesteckvorrichtung' ebenfalls zulassen" immerhin als "nächste Schritte und Maßnahmen".

Allerdings sieht das Ministerium nur ein "geringes" Potenzial bei den Solarsteckgeräten im Verhältnis zu Freiflächenanlagen oder Dachanlagen.

Im Strategieentwurf finden sich auch eine Anhebung der 600-Watt-Grenze sowie eine Aufnahme der Balkonanlagen als privilegierte Maßnahmen ins Wohnungseigentumsgesetz und ins Bürgerliche Gesetzbuch. Letzteres würde klarstellen, dass die Installation der Steckeranlagen in einer Eigentums- oder Mietwohnung nicht mehr verweigert werden kann.

Zuständig ist hierfür allerdings nicht das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne), sondern das Haus von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Buschmann ist einer entsprechenden Forderung, die auch von den Länder-Justizministern aufgestellt wurde, noch nicht nachgekommen.

Was von den Pro-Balkon-Maßnahmen tatsächlich umgesetzt wird, wird man wohl auf dem zweiten "Solargipfel" erfahren, zu dem Habeck für diese Woche eingeladen hat.