In Lemgo haben viele Häuser keinen Schornstein. Denn die örtlichen Stadtwerke beliefern die Bürgerinnen und Bürger der Stadt in Ostwestfalen-Lippe mit Fernwärme.
Die wird unter anderem aus den Lemgoer Abwässern erzeugt. Eine Wärmepumpe – eine der größten in Deutschland – entzieht dem Abwasser Wärme und hebt damit die Fernwärme-Temperatur auf ein höheres Niveau. Über das Fernwärmenetz erreicht die Wärme in Form von heißem Wasser die Häuser in Lemgo.
Bisher bezieht die Großwärmepumpe den notwendigen Strom aus einem Blockheizkraftwerk, in dem Erdgas verbrannt wird. Zwar fließt die Abwärme des Blockheizkraftwerks ebenfalls ins örtliche Wärmenetz – sinnvoller wäre es jedoch, den Strom für die Wärmepumpe in Windkraft- und Solaranlagen zu erzeugen. Doch weil für den erneuerbaren Strom Netzentgelte und Steuern anfallen, wäre das für die Stadtwerke Lemgo weniger wirtschaftlich.
Anderen Wärmeproduzenten geht es ähnlich: Noch immer ist der Anteil erneuerbarer Energien im Wärmebereich viel zu gering. Im vergangenen Jahr lag er bei 17 Prozent. Dabei handelt es sich größtenteils um feste Biomasse, die verbrannt wird – also Holz. Zu deutlich geringeren Teilen erzeugten auch Solarthermie, Geothermie oder Wärmepumpen die Raumwärme und das Warmwasser.
Noch immer entscheiden sich Eigentümer:innen und Wohnungsgesellschaften beim Neubau oder bei der Sanierung für fossile Heizungen. "Im vergangenen Jahr wurden über 600.000 Gasheizungen in Deutschland verkauft, dazu kommen 50.000 Ölheizungen", sagt Martin Pehnt, Geschäftsführer des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu).
Wärmewelt auf Erdgas-Basis am Ende
"Bis vor Kurzem haben wir in einer fossilen, gasbasierten Welt gelebt", umreißt Pehnt die Lage. Jede Investition in eine neue Gasheizung schreibe dort das fossile Heizen für die nächsten 20 Jahre fest – das führe in eine Klima-Sackgasse und sorge für eine nicht endende Abhängigkeit von Erdgaslieferungen.
Unter den gegenwärtigen Bedingungen mit hohen Gas- und Ölpreisen kommt die fossile Abhängigkeit die Verbraucherinnen und Verbraucher teuer zu stehen. Auch deshalb muss sich Deutschland im Wärmebereich ebenfalls von den fossilen Brennstoffen lösen.
In den nächsten acht Jahren soll der Anteil grüner Energien im Wärmebereich erheblich steigen, 2030 soll er bei 50 Prozent liegen. Das hat sich die Ampel-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen. Der Einbau von neuen, ausschließlich auf Öl oder Gas basierenden Heizungen soll spätestens 2025 der Vergangenheit angehören. Dann muss jede neue Heizung mindestens 65 Prozent Erneuerbare einkoppeln.
Aus Sicht von Fachleuten gehört den Wärmepumpen die Zukunft. "Wir brauchen einen massiven Hochlauf bei Wärmepumpen. Der deutsche Absatzmarkt wächst bereits merklich. 2021 war der Absatz in Deutschland um knapp 30 Prozent höher als im Vorjahr", sagt Barbara Saerbeck von der Denkfabrik Agora Energiewende.
Die Funktionsweise einer Wärmepumpe ist mit der eines Kühlschranks vergleichbar – allerdings umgekehrt: Ein Kühlschrank entzieht seinem Innenraum Wärme und gibt sie nach außen ab, eine Wärmepumpe entzieht dem Außenbereich – der Luft, dem Erdreich oder dem Grundwasser – Wärme und überträgt sie auf ein Heizungssystem.
Während sie schon häufiger in Neubauten installiert werden, weil die gut gedämmt sind und deshalb nur wenig zugeführte Wärme brauchen, hält sich das Vorurteil, dass Wärmepumpen in älteren, unsanierten Gebäuden nicht verwendbar sind. "Wärmepumpen können sowohl in Bestandsgebäuden als auch in Neubauten eingesetzt werden und dort die Gas- oder Ölheizung ersetzen", betont Saerbeck.
"Grüne Fernwärme ist entscheidend"
Wie Martin Pehnt erläutert, genügen oft schon einfache Maßnahmen, um gute Voraussetzungen für Wärmepumpen im Altbau zu schaffen. "Manchmal reicht es, einzelne Heizkörper auszutauschen oder kleinere Dämm-Maßnahmen vorzunehmen, dann sind diese Gebäude vorbereitet für den effizienten Betrieb von Wärmepumpen", sagt der Energieforscher.
Wie ein Energiesystem ohne Fossile aussehen kann
2035 soll der Strom in Deutschland erneuerbar sein, zehn Jahre später die gesamte Energie. Damit das klappt, muss sich einiges ändern: bei den Stromnetzen, bei unserem Stromverbrauch, bei den Kraftwerken, bei unseren Heizungen. Was konkret passieren muss, beschreibt Klimareporter° in dieser Serie.
Die Themen der weiteren Teile:
- 100 Prozent Ökostrom
- Biogas statt Erdgas gegen die "Dunkelflaute"
- Strom aus Wasserstoff statt aus Erdgas?
- zentrale Großspeicher und dezentrale Heimspeicher
- Vor-Ort-Versorgung mit mehr Effizienz und Suffizienz
Wo viele Menschen dicht beieinander wohnen, ist es in jedem Fall effizienter und kostengünstiger, sie über zentrale Systeme mit Wärme zu versorgen – also über Fernwärmenetze. "Grüne Fernwärme ist insbesondere in Städten entscheidend, um den Erdgasverbrauch zu senken", sagt Saerbeck. "In Ballungsgebieten sollten deshalb die Wärmenetze ausgebaut und verdichtet werden, indem Häuser an schon bestehende Wärmenetze angeschlossen werden."
Während bislang noch häufig Erdgas- oder Kohlekraftwerke für die Fernwärme sorgen, braucht es auch hier CO2-freie Alternativen. "Auch die Wärmenetze müssen grün werden", stellt Barbara Saerbeck klar. Neben Großwärmepumpen, Solar- und Geothermie lasse sich Wärme auch aus Ökostrom in Elektrodenkesseln erzeugen oder aus industriellen Prozessen gewinnen. Die technischen Möglichkeiten seien vorhanden, sie müssten nur endlich wirtschaftlich gemacht und genutzt werden.