Arbeiter auf einer Baustelle
Je mehr sich die Temperaturen von der bisherigen Normalität entfernen, desto mehr leidet die Arbeitsproduktivität. (Foto: Joffi/​Pixabay)

Der Klimawandel verursacht weltweit immer mehr Schäden, deren Kosten in die Milliarden gehen – durch Hitzewellen, Dürren und Waldbrände, durch Stürme, Starkregen und Überschwemmungen, durch tauenden Permafrost und den Anstieg des Meeresspiegels.

Zwar wächst langsam das Bewusstsein, dass die steigenden Temperaturen ein krisenhaftes Geschehen darstellen, auf das entsprechend reagiert werden müsste, nämlich rasch und entschlossen. Doch beim Klimaschutz tut sich immer noch relativ wenig. Es wird viel geredet, aber kaum gehandelt. Der weltweite Ausstoß an Treibhausgasen nimmt nicht ab, sondern weiter zu.

Einer der Gründe für diese Diskrepanz könnte darin liegen, dass die Gefahren des Klimawandels nach wie vor unterschätzt werden. Vor allem die Industriestaaten sehen ihre Volkswirtschaften alles in allem gut gewappnet, um mit den steigenden Schäden und Schadenssummen fertig zu werden.

So schreibt beispielsweise das Umweltbundesamt in einer kürzlich vorgelegten Studie: "Gegenüber anderen Regionen der Welt ist die Bundesrepublik weniger klimavulnerabel – vor allem im Vergleich zu besonders betroffenen Regionen in Asien, Afrika oder Südamerika."

Als hochindustrialisierte Volkswirtschaft, so die Behörde, habe Deutschland "wesentlich mehr Ressourcen, um sich auf klimabedingte Risiken einzustellen und sich im Schadensfall schneller zu erholen".

Wirtschaftsleistung sinkt

Diese Einschätzung könnte jedoch zu optimistisch sein, zeigen neue Berechnungen, die vom Internationalen Währungsfonds sowie von Universitäten in den USA, Großbritannien und Taiwan durchgeführt wurden.

Graphische Darstellung der Verluste an Wirtschaftskraft weltweit bei moderatem Klimawandel
Prozentualer Verlust an Wirtschaftskraft pro Kopf bis 2100, falls das Paris-Abkommen eingehalten wird. Dies entspricht dem IPCC-Szenario RCP 2.6 (Grafik: aus der Studie)

Laut der Studie halten sich die wirtschaftlichen Einbußen langfristig nur unter einer Bedingung in Grenzen: wenn die Ziele des Pariser Klimaabkommens eingehalten werden und der Temperaturanstieg auf 1,5 bis zwei Grad begrenzt bleibt. Dann und nur dann sinkt die Weltwirtschaftsleistung bis 2100 nur um gut ein Prozent (Abbildung rechts).

Steigen die Emissionen aber weiter wie bislang, sinkt die globale Wirtschaftsleistung drastisch. Bis zum Ende des Jahrhunderts errechnen die Forscher einen Einbruch des Pro-Kopf-Weltinlandsprodukts um 7,2 Prozent.

Besonders stark trifft es dabei einige, aber nicht alle Industriestaaten. Ihre Einbußen liegen teilweise deutlich über dem weltweiten Durchschnitt (Abbildung unten).

Die USA müssen mit einem Minus von 10,5 Prozent an Realeinkommen rechnen, Japan mit rund elf Prozent, Südkorea und die Schweiz mit zwölf Prozent.

Diesen Zahlen liegt jeweils die Annahme zugrunde, dass sich die Länder relativ zügig an die Folgen des Klimawandels anpassen, nämlich in den nächsten 30 Jahren.

Verzögert sich der Anpassungsprozess um weitere zehn Jahre, fallen die Verluste noch erheblich höher aus. Für die USA etwa würden die Einbußen auf mehr als 14 Prozent steigen.

Vergleichsweise gut kommen die meisten europäischen Länder weg. Für Deutschland beispielsweise errechnen die Wissenschaftler ein Minus von lediglich knapp zwei Prozent. Für Frankreich sind es aber schon sechs Prozent.

Wie wurde gerechnet?

Um zu errechnen, wie sich steigende Temperaturen auf die Wirtschaftskraft der einzelnen Länder auswirken, hat das Team um den Umweltökonomen Matthew Kahn keine Abschätzung der künftigen Schadenssummen vorgenommen. Sie setzen vielmehr bei der Pro-Kopf-Arbeitsproduktivität und den Wirtschaftsinvestitionen an, also bei den Faktoren, die nach den gängigen ökonomischen Theorien Einkommen und Wohlstand generieren.

Graphische Darstellung der Verluste an Wirtschaftskraft weltweit bei stark steigenden Emissionen
Prozentualer Verlust an Wirtschaftskraft pro Kopf bis 2100, falls der Ausstoß von Treibhausgasen weiter steigt. Dies entspricht dem IPCC-Szenario RCP 8.5 (Grafik: aus der Studie)

Zunächst betrachteten die Forscher, wie sich der Temperaturanstieg zwischen 1960 und 2014 auf die Wirtschaftsleistung von 174 Ländern bemerkbar gemacht hat.

Demnach ließ ein Plus von 0,01 Grad pro Jahr das Wachstum beim Einkommen jährlich im Schnitt um 0,05 Prozent geringer ausfallen, als es ohne Klimawandel der Fall gewesen wäre.

Gelingt es, die Pariser Klimaziele einzuhalten, bleibt der weitere Temperaturanstieg laut den Berechnungen bis 2100 ungefähr auf dem bisherigen Niveau. Arbeitsproduktivität und Investitionen würden dann nur relativ leicht beeinträchtigt.

Bei einem Szenario mit hohen und weiter steigenden Emissionen ist mit einem jährlichen Anstieg der globalen Temperaturen um 0,04 Grad zu rechnen, also viermal so viel wie bislang. Bis 2100 wäre es auf der Erde dann durchschnittlich rund vier Grad wärmer als heute.

Dass sich solche überhitzten klimatischen Bedingungen negativ auf die Arbeitsproduktivität auswirken werden, ist leicht nachzuvollziehen. Überraschender sind andere Ergebnisse der Studie.

Kalte Regionen profitieren nicht

So konnten die Forscher keinen Hinweis dafür finden, dass heute noch "kalte" Länder wie Kanada und Russland von den steigenden Temperaturen profitieren werden. Kanada muss laut Studie bis 2100 mit einem Einbruch seiner Wirtschaftsleistung um 13 Prozent rechnen, Russland mit einem Minus von neun Prozent.

Für alle "kalten" Länder zusammen ergibt sich ein Verlust von mehr als sieben Prozent. Bei verzögerter Anpassung sind es sogar zehn Prozent.

Das ist jeweils mehr als der globale Durchschnitt. Offenkundig ist die entscheidende Größe nicht die gestiegene Temperatur selbst, sondern die Abweichung von der historischen Norm. Dass ein zuvor "kaltes" Land dann eine Durchschnittstemperatur hat, die als gemäßigt gilt, ist weniger bedeutend als der Unterschied zur früheren Normalität.

Das für heute schon "heiße" Länder errechnete Minus liegt hingegen bei fast sieben Prozent und damit – wiederum überraschend – unter dem für "kalte" Länder errechneten Minus.

Ähnlich kontraintuitiv sind die Ergebnisse, wenn reiche und arme Länder verglichen werden. Für Erstere ergeben die Berechnungen Einbußen von fast acht Prozent, für Letztere "nur" von sechs Prozent.

Bisherige Studien sahen die größeren Verluste hingegen eher bei den Entwicklungsländern und schätzten die Einbußen bei der weltweiten Wirtschaftskraft geringer ein. "Die Wohlstandseffekte des Klimawandels wurden erheblich unterschätzt", schreiben die Forscher in ihrem Papier.

"Unsere Ergebnisse zeigen", so die Autoren, "dass eine energischere politische Antwort auf den Klimawandel erforderlich ist." Nur die Einhaltung des Paris-Abkommens könne langfristig vor gravierenden wirtschaftlichen Verwerfungen schützen, heißt es in der Studie gleich an mehreren Stellen.

Allein oder vor allem auf Anpassungsmaßnahmen zu setzen ist demnach keine gute Option. Die negativen Effekte steigender Temperaturen auf die Volkswirtschaften lassen sich so laut Studie zwar abmildern, nicht jedoch ausgleichen.

Mit ihren Warnungen stehen die Wissenschaftler nicht allein. Auch der jüngste Nationale Klimabericht US-amerikanischer Regierungsbehörden prognostiziert massive ökonomische Einbußen. Bis 2100 kann die Erderwärmung die Wirtschaftsleistung der USA demnach um bis zu zehn Prozent senken.

Die Folgen wären damit doppelt so stark wie bei der vor zehn Jahren durch die Lehman-Pleite ausgelösten Weltwirtschaftskrise – und würden außerdem viel länger anhalten.

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