Ein starkes Signal für einen "klimafreundlichen Stahl" in Deutschland sende die Bundesregierung mit dem in dieser Woche beschlossenen "Handlungskonzept Stahl", erklärte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).
Das Ziel, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen, sei nur zu erreichen, wenn sich auch eine Schlüsselindustrie wie Stahl rechtzeitig transformiere, so der Minister.
2018 emittierte die deutsche Stahlindustrie fast 59 Millionen Tonnen CO2, knapp sieben Prozent der inländischen Emissionen. Das ist so viel, wie die beiden größten Braunkohlekraftwerke – die RWE-Anlagen in Neurath und Niederaußem – zusammen ausstoßen.
Durch Umstellung von Koks auf Ökostrom ist es möglich, Stahl klimaneutral zu erzeugen – die entsprechenden Schlagwörter im Handlungskonzept sind Wasserstoff, aber auch CCS, also die unterirdische Verpressung von abgeschiedenem CO2.
Bei der Vorstellung des Handlungskonzepts verlor der Chef der Wirtschaftsvereinigung (WV) Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, zunächst aber kein Wort über den grünen und klimafreundlichen Stahl, sondern verwies darauf, dass die kommende vierte Periode des EU-Emissionshandels von 2021 bis 2030 eine deutliche Mehrbelastung von fast vier Milliarden Euro für die deutsche Stahlindustrie mit sich bringe. Im Konzept selbst stehen zwar nur 3,5 Milliarden – aber was sind schon ein paar hundert Millionen mehr oder weniger.
Gratis-Zertifikate und volle Kompensation
Jedenfalls muss, das steht für Kerkhoff fest, diese Belastung verhindert werden, "am besten durch eine ausreichende Ausstattung mit kostenlosen Zertifikaten sowie eine vollständige Strompreiskompensation". Und sollte das nicht reichen, könne noch ein CO2-Grenzausgleich erwogen werden.
Auch wenn die bezifferte Mehrbelastung, gemessen am aktuellen Jahresumsatz der Stahlbranche von 33 Milliarden Euro, nur bei etwas mehr als einem Prozent liegt, ließ Kerkhoff keinen Zweifel daran, dass die Branche die Zuteilung kostenloser Zertifikate sowie die Preiskompensation als unverzichtbare Voraussetzungen dafür ansieht, dass sie sich dem Thema grüner Stahl überhaupt widmet.
Hauptbefürchtung der Branche ist, dass die EU ab 2020 die Menge der bisher gewährten kostenlosen Zertifikate um etwa ein Fünftel kürzt. Eine freie Zuteilung der Emissionsrechte auf dem Niveau der effizientesten Anlagen sei eine "unabdingbare Voraussetzung", um einen finanziellen Spielraum für Klimaschutz-Investitionen zu erhalten, bekräftigt auch ein Sprecher der Wirtschaftsvereinigung gegenüber Klimareporter°.
Die Bundesregierung wird sich denn auch bei einem möglichen Revisionsprozess zur EU-Emissionshandels-Richtlinie im kommenden Jahr "für eine entsprechende Fortführung der kostenlosen Zuteilung einsetzen", erklärt sie im Handlungskonzept schwarz auf weiß.
Mit kostenlosen Emissionsrechten handeln
Wie in der Vergangenheit wollen sich die Stahlunternehmen auch künftig nicht vorschreiben lassen, was sie mit den kostenlosen Zertifikaten anfangen.
"Über die Verwendung der Zertifikate entscheidet jedes Unternehmen selbst", betont der WV-Sprecher auf Nachfrage und beruhigt mit dem Hinweis, dass in der Stahlindustrie die freie Zuteilung unter den tatsächlichen Emissionen liege und somit ein Zukauf von Zertifikaten ohnehin nötig sei. Im EU-Emissionshandel sei aber auch ausdrücklich vorgesehen, dass effiziente Anlagenbetreiber nicht benötigte Zertifikate handeln könnten, sagt er.
In den Vorjahren ist die Praxis, nicht benötigte kostenlose Zertifikate an der Börse zu verkaufen, allerdings ein "Goldesel" für die Branche gewesen, kritisiert der Umweltverband BUND.
Obgleich es schon die Zertifikate zum Nullpreis geben soll, mahnt die Branche im Handlungskonzept Stahl zudem eine angemessene Kompensation der CO2-bedingten Strompreissteigerungen an. Begründung: Auch die fossilen Stromerzeuger müssten Zertifikate erwerben, was den Strom teurer mache.
Dabei ist noch gar nicht ausgemacht, ob der Strompreis an der Börse, wo sich die Industrie mit Strom eindeckt, in den nächsten Jahren wirklich steigt.
Wenig Begeisterung für CO2-Zölle
Den Vorschlag des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz, regionale Produkte mit CO2-Zöllen zu schützen – der sogenannte Grenzausgleich –, betrachtet die deutsche Stahlbranche höchstens als Ergänzung zu den kostenlosen Zertifikaten und der vollen Strompreiskompensation.
"Falls diese herkömmlichen Instrumente zum Schutz vor Carbon Leakage nicht ausreichen, sollte ein Grenzausgleich in Erwägung gezogen werden, um die verbliebenen Zusatzkosten auszugleichen", erläutert der WV-Sprecher. Dieser Grenzausgleich solle die freie Zuteilung von Zertifikaten und die Strompreiskompensation ergänzen, dürfe diese jedoch nicht ersetzen.
Diese Sicht der Dinge teilt die Bundesregierung, muss aber offenbar noch die EU-Kommission von ihrem Stahlkonzept überzeugen. Die Kommission gehe davon aus, dass mit einer CO2-Grenzausgleichsabgabe die Strompreiskompensation entfallen solle, beschwerte sich Altmaier bei der Präsentation des Handlungskonzepts. "Davon sind wir nicht überzeugt."