Kremdose für Männer mit der Aufschrift: Rough Nature – Deocreme – 24 Stunden Schutz und Pflege – ohne Aluminiumsalze – DM Alverde Naturkosmetik – klimaneutral.
Der Hype ist abgeebbt, doch einige Produkte wie diese Creme von DM werden nach wie vor als "klimaneutral" beworben. (Bild: Max Oettimaggl/​Open Beauty Facts, CC by‑sa 3.0)

Slogans wie "klimaneutral" finden Verbraucher:innen auf vielen Produkten. Auch Dienstleistungen werden damit beworben. Einige Firmen versprechen zudem, dass sie bis zu einem bestimmten Jahr Klimaneutralität erreicht haben werden, andere, dass sie ihre Treibhausgasemissionen durch Projekte wie die Aufforstung von Wäldern ausgleichen.

Nach Ansicht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sind viele dieser Werbeaussagen irreführend. Die Unternehmen erklären ihre Versprechen demnach nicht genug oder setzen auf fragwürdige Kompensationsprojekte, statt selbst den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern oder zu vermeiden.

Seit Mai 2022 geht die Umwelt- und Verbraucherorganisation deshalb gegen solche Werbeaussagen vor, indem sie die entsprechenden Firmen auffordert, diese zu unterlassen, und gegebenenfalls klagt. Eigenen Angaben zufolge hat die DUH seitdem 92 Verfahren geführt, darunter gegen Unternehmen wie BP, Total, Shell, Eurowings oder Tui.

In 48 Fällen hätten die Firmen dabei ihre Werbeaussagen geändert und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Sollten sie in Zukunft gegen die Vereinbarung verstoßen, droht ihnen eine Strafzahlung.

In zwölf Fällen hätten Gerichte der DUH Recht gegeben. Gegen diese Urteile legten die Unternehmen Eurowings, DM und die Edeka-Tochter Netto Berufung ein. Werden diese mit eingerechnet, gibt es derzeit elf laufende Gerichtsverfahren.

In 22 Fällen tausche sich die DUH noch mit Unternehmen aus. Sollte es zu keiner außergerichtlichen Einigung kommen, will die Organisation weitere juristische Schritte einleiten. In zwei weiteren Fällen seien die Werbeaussagen entfernt worden, weil es das Unternehmen nicht mehr gebe oder das betreffende Produkt nicht mehr verkauft werde.

Kritik an Kompensationsversprechen

Die DUH bemängelt, dass immer mehr Unternehmen "klimaneutrale" Produkte versprechen oder behaupten, bereits heute oder in Zukunft klimaneutral zu sein. Anstatt jedoch tatsächlich daran zu arbeiten, dass Produkte zum Beispiel durch eine andere Verpackung oder Zusammensetzung weniger zum Klimawandel beitragen, würden die betreffenden Firmen ihre Kundschaft mit solchen Versprechen täuschen, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch.

So komme es etwa vor, dass ein Unternehmen behauptet, für einen Aufpreis von ein paar Cent je Produkt den CO2-Ausstoß für dessen Nutzung auszugleichen. "Ob Heizöl, Benzin oder Flugreisen – mit wenigen Cent lässt sich kein Produkt und kein Firmenhandeln 'klimaneutral' zaubern", kritisiert Resch.

Die Kompensationsprojekte stützen sich laut der DUH zudem auf Projekte, die in den meisten Fällen ungeeignet seien, um fossile Treibhausgasemissionen auszugleichen. Das betreffe die Aufforstung von Wäldern genauso wie den Bau von Kochöfen oder von Wasserkraftwerken im globalen Süden.

"In Bäumen wird Kohlenstoff nur für Jahrzehnte zwischengeparkt, in der Atmosphäre verbleibt er wenigstens für Jahrhunderte", sagt die Biologin Jutta Kill.

Zudem haben Betreiber von Kompensationsprojekten Kill zufolge millionenfach "Phantomgutschriften" verkauft. So wäre beispielsweise ein Wasserkraftwerk auch ohne das zusätzliche Einkommen aus dem Kompensationsgeschäft gebaut worden. Das mache entsprechende Kompensationsversprechen unglaubwürdig.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) begrüßt das Vorgehen der Deutschen Umwelthilfe. Sie selbst habe zahlreiche eigene Unterlassungsverfahren wegen "irreführendem Greenwashing" angestoßen, seit 2017 in insgesamt 65 Fällen Anbieter abgemahnt und in 24 Fällen verklagt, darunter auch große Unternehmen wie Tesla und den Weltfußballverband Fifa.

"Vor Gericht ist das nicht immer einfach", teilt Stefan Schröter vom VZBV mit. "Deshalb freuen wir uns über jeden Erfolg anderer klagebefugter Verbände, denn jedes Urteil bringt mehr Rechtssicherheit für Verbraucher:innen und für Unternehmen."

Im Juli hatte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe die Anforderungen an Werbung mit dem Begriff "klimaneutral" deutlich verschärft. Hintergrund dieser Entscheidung war ein Rechtsstreit zwischen der Wettbewerbszentrale und dem Süßwarenhersteller Katjes gewesen.

EU will mehr Klarheit bei Umweltwerbung

"Dennoch: Die vielen Klagen zeigen sehr deutlich: Um Greenwashing langfristig zu verhindern, muss auch politisch mehr passieren", so Schröter weiter. "Hierzu braucht es eine Vorabverifizierung von Umweltwerbung, wie sie die derzeit auf EU-Ebene geplante Green-Claims-Richtlinie einführen wird."

Die "Richtlinie über Umweltaussagen" befindet sich noch im Gesetzgebungsverfahren. Sie soll Verbraucherinnen und Verbraucher besser schützen und dafür sorgen, dass Umweltaussagen von Unternehmen glaubwürdig, vergleichbar und überprüfbar sind. Die Firmen sollen dazu ihre Behauptungen unter anderem mit klaren, wissenschaftlich fundierten Belegen untermauern, und zwar vorab.

Ergänzend dazu ist bereits im März dieses Jahres die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel in Kraft getreten. Sie verbietet Unternehmen, mit allgemeinen Aussagen wie "klimaneutral" zu werben, wenn sie nicht eindeutig erklären, was dahintersteckt. Die 27 EU-Staaten haben bis September 2026 Zeit, die Richtlinie in eigenes Recht umzusetzen.

 

Der VZBV fordert indes ein klares Verbot jeglicher Werbung mit "Klimaneutralität" – unabhängig davon, ob sich der Claim auf ein einzelnes Produkt oder auf ein ganzes Unternehmen bezieht.

Die DUH will ab sofort Unternehmen, die planen, in Zukunft "klimaneutral" zu werden, noch stärker in den Blick nehmen. "Wir werden dafür sorgen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher klare und nachvollziehbare Informationen darüber erhalten, wie genau die Ziele erreicht werden sollen", sagt Agnes Sauter, die bei der Organisation die ökologische Verbraucherberatung und Marktüberwachung leitet.

"Darüber hinaus werden wir neben Wald- und Wasserkraftprojekten auch weitere Kompensationsprojekte überprüfen."