Innogy
Eon schluckt die RWE-Tochter Innogy – unter der Oberfläche entsteht ein Quasi-Monopol in weiten Teilen des Landes. (Foto: Innogy)

Wer wissen will, was ihm Stromanbieter so offerieren, kommt ohne eine Angabe nicht aus: Ob man beim Service anruft, auf die Website des Unternehmens geht oder eines der Vergleichsportale bemüht – ohne Postleitzahl geht nichts.

Tatsächlich bieten bisher nur vier Stromanbieter einen bundesweiten "Einheitspreis" an: EWS Schönau, Greenpeace Energy, Lichtblick und Naturstrom.

Diese Ökostromer jedenfalls zählte Ben Schlemmermeier von der Energieberatungs­gesellschaft LBD letzte Woche auf einer Tagung des Instituts für Energie- und Wettbewerbsrecht in der kommunalen Wirtschaft (Ewerk) in Berlin auf.

Alle anderen Stromverkäufer würden in den sogenannten Grundversorgungsgebieten, denen Haushaltskunden durch ihre Postleitzahl zugeordnet werden, sehr selektive Tarife mit "starker Spreizung" anbieten, so Schlemmermeier.

Dies sei abhängig davon, ob der Anbieter dort ein Grundversorger sei (höherer Preis), ob ein anderer Anbieter dem Grundversorger dort Kunden abnehmen will (viel Rabatt und Kundenboni) oder ob der Grundversorger solche "Angriffstarife" seinerseits mit Sonderkonditionen (mäßig Rabatt und Boni) abwehren will.

Die LBD hatte dafür beim Vergleichsportal Verivox für mehrere Regionen jeweils ein Angebot für Haushaltskunden mit einem Jahresverbrauch von 2.500 Kilowattstunden abgerufen.

Laut Schlemmermeier nutzen noch knapp 30 Prozent der Stromkunden von Haushalten und kleinem Gewerbe den jeweiligen Grundversorgungstarif, rund 40 Prozent einen Sondertarif des Grundversorgers sowie weitere 30 Prozent den Tarif eines anderen Anbieters.

Wo alles Mögliche draufsteht, ist immer wieder Eon drin

Der Strommarkt für Haushalte und kleines Gewerbe ist tatsächlich ein lokaler, wie Schlemmermeier betonte. Anders gesagt: Wer die lokalen Märkte in der Hand hat, hat auch bundesweit das Sagen.

Wer das künftig sein wird, daran ließ Schlemmermeier nach der Analyse keinen Zweifel: die neue Eon AG, die sich über die Fusion mit Innogy weitere Tochterunternehmen einverleibt samt einiger Strommarken und -anbieter wie Eprimo, Süwag und Envia M.

In den Gebieten, wo Eon Energie schon jetzt Grundversorger ist, werde die neue AG dann Marktanteile um 75 Prozent erzielen. Die Position von Eon werde durch die Fusion "deutlich" gestärkt, so der LBD-Experte.

Auch Vergleichsportale können daran nicht viel ändern, ist sich Schlemmermeier sicher. Von den 6,2 Millionen Kunden, die in Deutschland jährlich den Stromanbieter wechselten, erledigten das 3,5 Millionen über Vergleichsportale.

Um diese Kunden zu gewinnen, müsse man aber im Ranking unter den Top Fünf sein, sagte der Energieberater. Gut 80 Prozent der Suchenden würden auf den Portalen nicht viel weiter nach unten scrollen.

Diese relevanten Plätze werde sich gerade die neue Eon AG dank ihrer Finanzkraft und der Vielzahl der übernommenen Marken sichern können, betonte Schlemmermeier. Auf Marktplätzen wie Verivox und Check 24 könne Eon dann Wettbewerber aus dem Markt drängen.

Deutschlandkarte mit den künftigen Gebieten mit Eon-Vormachtstellung, die etwa zwei Drittel ausmachen.
Eon erlangt durch die Fusion eine dominierende Stellung im deutschen Energiemarkt, zeigt LBD-Experte Nellen. (Grafik: LBD)

Parallel dazu könne mit der Fusion auch RWE auf der Erzeugerseite seine Position bei den konventionellen Kraftwerken ausbauen, führte der LBD-Experte weiter aus. "RWE wird von einem marktmächtigen zu einem marktbeherrschenden Unternehmen."

Daran ändere auch der Kohleausstieg nichts. RWE verliere zwar Kraftwerke, aber weil gleichzeitig die gesamte Stromerzeugung in Deutschland schrumpfe, bleibe der Marktanteil von RWE in etwa gleich.

Auch bei Technologien, die den Strommarkt der Zukunft bestimmen, werde die neue Eon eine beherrschende Stellung innehaben, ergänzte LBD-Prokurist Ralf Nellen die Übersicht. So werde der Konzern nach der Fusion mit seinen dann etwa 130 Beteiligungen über 50 Prozent der Verteilnetze im Strommarkt bestimmen.

Dank der Netzmacht könne die neue Eon dann bundesweit über 55 Prozent der EEG-Anlagen disponieren, so Nellen weiter. Nehme man Netze und EEG-Anlagen zusammen, böten sich für Eon große Möglichkeiten, Kapazitätsmanagement mittels virtueller Kraftwerke zu betreiben.

Selbst bei der Elektromobilität werde Eon der mit Abstand größte Anbieter sein und bundesweit über mehr als 20 Prozent der Ladesäulen verfügen, so Nellen. Größe und Präsenz in der Fläche – genau das biete Eon auch Vorteile bei der Dekarbonisierung und der Sektorkopplung.

"RWE wird eine starke Position in der neuen Eon AG haben"

"Wenn sich die zwei Größten der Branche zusammentun, ist eine beherrschende Marktmacht keine Überraschung – künftig gibt es einen integrierten Konzern, der zwei Namen trägt", kritisierte Lichtblick-Geschäftsführer Gero Lücking auf der Tagung die Fusionspläne.

Für Lücking werden durch die Fusion mehrere schon lange bestehende Probleme offengelegt. Weil die Netze nicht konsequent per Unbundling von Erzeugung und Vertrieb getrennt worden seien, würden "Erfolge im Netz genutzt, um andere Geschäftsfelder querzusubventionieren".

Lücking stellte auch die Rolle der Grundversorger infrage. Mit den 30 Prozent der Kunden ließen sich immer noch Erlöse erzielen, die "weit oberhalb" dessen lägen, was sonst möglich sei. Zudem würden den Grundversorgern immer wieder Kunden insolventer Wettbewerber automatisch zufallen. Auch dieses Privileg müsse geändert werden.

Aus rechtlicher Sicht zeigte Christian von Hammerstein von der Anwaltskanzlei Raue auf der Tagung, dass RWE nach der Fusion kein Anhängsel der neuen Eon AG sein wird, sondern in dem Konzern eine starke Stellung erhält. Der künftige 16,67-Prozent-Anteil sichere RWE dabei nicht nur einen Sitz im Eon-Aufsichtsrat.

Tagungsdokumentation

Das Ewerk-Institut, das zur Berliner Humboldt-Universität gehört, hat das komplette Sondersymposium zur Eon-RWE-Fusion in Form von drei Videos (Vormittag, Nachmittag, Abend) auf seinem Youtube-Kanal veröffentlicht.

Auch als Präsentationen im PDF-Format sind die Vorträge der LBD-Experten Schlemmermeier und Nellen dokumentiert.

Entscheidend bei Eon sei, so der Fachanwalt, welchen Einfluss man in der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft habe. Da dort im Schnitt der letzten Jahre nur 43 Prozent der Anteilseigner anwesend waren, seien die knapp 17 Prozent von RWE nicht nur als eine "Sperrminorität", sondern sogar als "beherrschend" anzusehen, sagte von Hammerstein.

Von Hammerstein verglich die in Brüssel anstehende Eon-Innogy-Entscheidung mit der Entscheidung der EU-Kommission, als Vattenfall 2009 den niederländischen Versorger Nuon übernahm. Vattenfall musste dazu gemäß den Vorgaben der EU-Kommission das deutsche Stromgeschäft von Nuon verkaufen.

Entsprechend rechnet von Hammerstein jetzt mit "Bedenken" der EU-Kommission gegen die Eon-Innogy-Fusion. Um diese auszuräumen, sei eine Zusage von Eon vorstellbar, eine seiner überregionalen Marken in Deutschland zu verkaufen.

Redaktioneller Hinweis: Lichtblick-Geschäftsführer Gero Lücking ist Kuratoriumsmitglied von Klimareporter°.

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