Satelliten-Aufnahme einer von Fracking-Bohrstellen und Verbindungsstraßen schachbrettförmig durchzogenen grünen Landschaft in Texas.
Fracking-Anlagen fressen sich durch die Landschaft nahe der texanischen Kleinstadt Cotulla.  (Bild: NASA)

Auf dem Hafen der südtexanischen Stadt Corpus Christi liegen die Hoffnungen der Gas-Industrie. Der fünftgrößte Hafen der USA, der einstmals Agrarprodukte umschlug, verschifft heute vor allem Öl und Gas und gilt deshalb als der Umschlagplatz für Energie in den USA.

Und er soll weiter wachsen. Acht Milliarden Dollar will der texanische Energiekonzern Cheniere Energy in neue Anlagen investieren – auch um die Exportkapazitäten für verflüssigtes Erdgas (LNG) zu erhöhen.

Zu den drei bestehenden Gas-Verflüssigungsanlagen sollen weitere sieben hinzukommen. Damit würde sich die Verflüssigungskapazität von derzeit 15 Millionen Tonnen LNG pro Jahr auf etwa 25 Millionen Tonnen erhöhen.

Für die Bevölkerung von Corpus Christi hat das ernsthafte Konsequenzen. Immer wieder hat das LNG-Terminal von Cheniere Energy die Grenzwerte für Ruß, Kohlenmonoxid und flüchtige organische Verbindungen (VOC) überschritten.

Geahndet wurden die Verstöße nie, weder gab es Geldbußen noch andere Sanktionen. Stattdessen hat die zuständige Behörde die erlaubten Schadstoffmengen heraufgesetzt, wie eine Auswertung durch das Beratungsunternehmen Energy Comment im Auftrag von Greenpeace zeigt.

Längst gilt der Terminal als Hauptursache für die schlechte Luftqualität. "Es ist schädlich für die ganze Gegend", sagt Elida Castillo von der Umweltorganisation Chispa Texas, die selbst in Corpus Christi lebt und die Bevölkerung über die Folgen der Erdgaswirtschaft für Gesundheit und Umwelt informiert. Vor allem geht es dabei um das Fracking.

Um das Erdgas durch Fracking aus dem Gestein zu pressen, wird häufig mehrere tausend Meter tief gebohrt. In die Bohrlöcher werden große Mengen Wasser, Sand und Chemikalien gepumpt, um Risse zu erzeugen und das Gestein aufzubrechen. Das dabei frei werdende Gas strömt dann mit dem Wasser zurück zum Bohrloch. Das zurückbleibende Abwasser ist giftig und muss entsorgt werden.

Noch tiefer in den Wassernotstand

Die gesamte Prozedur geht mit umfangreichen Schwerlasttransporten einher – zuerst, um das Gerät sowie die benötigten Mengen an Wasser, Sand und Chemikalien anzuliefern, und dann, um das zurückbleibende Fracking-Fluid und das Abwasser abzutransportieren.

"Für Fracking braucht man Millionen Liter Wasser. Aber in Texas haben wir gerade eine enorme Wasserknappheit", sagt Castillo. Die Wasserkrise sei schlimm, die Menschen hätten nicht genügend Trinkwasser – und außerdem sei das Grundwasser durch das Fracking vergiftet. In Texas fehlten Behörden, die sich darum kümmern, dass das Grundwasser keinen Schaden nimmt.

"Sobald die Bohrlöcher kein Gas mehr liefern, werden sie einfach zurückgelassen", berichtet Castillo in einem Online-Seminar der EU-Abgeordneten Jutta Paulus von den Grünen. Es gebe auch keine Behörde, die dafür sorge, dass die Reste der Anlagen wieder abgebaut werden.

Und so breiten sich die Fracking-Landschaften immer weiter aus – wie etwa rings um die Stadt Odessa im Westen von Texas. Dort reiht sich ein Bohrplatz an den anderen. Odessa, das nach Öl-Funden in den 1930er Jahren rasch gewachsen war, liegt im texanischen Permbecken mit seinen riesigen Öl- und Gasvorkommen.

"Die Gasfelder wachsen einfach immer weiter", erzählt Castillo, die auch Verwandte in Odessa hat. "Jeden Tag brennen irgendwo Gasfackeln, und niemand wird alarmiert oder gewarnt." Tausende Haushalte seien deshalb täglich gesundheitsschädlichen Stoffen ausgesetzt: Kohlenmonoxid, Schwefelwasserstoffe, Isobutan und viele weitere.

Die Folgen sind dramatisch. "Viele meiner Freunde und Familienmitglieder haben Krebs", sagt Castillo. Studien bestätigen den Zusammenhang. Kinder, die in der Nähe von Bohrlöchern zur Gasförderung aufwachsen, erkranken zwei- bis dreimal häufiger an einer Form von Kinderleukämie als Gleichaltrige, die weiter entfernt wohnen.

Auch wenn ein Bohrloch zwei Kilometer oder mehr vom Wohnhaus entfernt liegt, ist das Risiko, an Leukämie zu erkranken, immer noch erhöht, ergab eine Studie der Yale School of Public Health in Pennsylvania, einem ebenfalls stark von Fracking betroffenen Bundesstaat.

Ältere Menschen, die in der Nähe von Bohrlöchern wohnten, haben ein um 2,5 Prozent höheres Sterberisiko als Gleichaltrige ohne Bohrlöcher im Wohnumfeld, zeigte eine weitere Studie.

Neue Energieabhängigkeit

Die Fracking-Industrie mit ihren Bohrtürmen, Pipelines, Aufbereitungs- und Reinigungsanlagen frisst sich wie ein Krebsgeschwür durch die Landschaft. "Wir in Deutschland unterschätzen total, dass Fracking eine massive Industrialisierung der Landschaft bedeutet", meint Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe.

Der Energieexperte hat sich in Pennsylvania selbst ein Bild von den Auswirkungen der Technologie gemacht. "Jedes einzelne dieser Bohrlöcher ist eine Industrieanlage", sagt er. Diese Anlagen verteilten sich nun flächendeckend über die Landschaft.

Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Gasindustrie in Gegenden frackt, wo viele einkommensschwache oder eingewanderte Menschen oder Minderheiten leben – Menschen, die es schwerer haben, an Informationen zu kommen, und sich nicht so einfach wehren können, wenn in ihrer Nähe gebohrt werden soll.

Eine Forschungsgruppe der Clark University hat die Bevölkerungsstruktur in der Nähe der Bohrlöcher analysiert. In Pennsylvania müssen demnach vor allem arme und ältere Menschen damit rechnen, dass in Wohnortnähe Fracking-Anlagen entstehen. Die Wissenschaftler:innen bezeichnen das als "Umwelt-Ungerechtigkeit".

"Besonders klimaschädlich"

Auch mit Blick auf die Klimakrise ist Flüssigerdgas ein Problem. "LNG ist nicht nur teurer, sondern auch erheblich umweltschädlicher als Gas, das durch Pipelines transportiert wird", sagt die grüne Europapolitikerin Jutta Paulus. Das hänge mit den energetischen Umwandlungsverlusten und mit den unvermeidbaren Methanemissionen zusammen.

Erdgas und damit auch LNG besteht größtenteils aus Methan, das über einen Zeitraum von 20 Jahren mehr als 80-mal so klimaschädlich wie CO2 ist. Die Mengen des freigesetzten Methans beim Fördern, Umwandeln und Transportieren von Flüssigerdgas werden nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen systematisch unterschätzt.

Die Nachfrage nach dem Flüssigerdgas aus den USA ist riesig. Die USA sind der größte Gasproduzent weltweit. Der neue Förderboom wird auch von Europa angeheizt. Zwar steigen die EU-Importmengen schon seit 2018, doch nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine erreichen sie jetzt ein neues Niveau. Auch deutsche Energiekonzerne wie EnBW und RWE setzen auf LNG aus den USA und wollen Lieferverträge schließen.

Gerade in Deutschland wird bei der LNG-Infrastruktur nun Tempo gemacht. Elf neue Projekte zum Anlanden und Aufbereiten von Flüssigerdgas sind in der Entwicklung. "Wir brauchen eine plausible Abschätzung, wie viel LNG-Kapazität tatsächlich benötigt wird", fordert Umweltschützer Zerger. Das habe die Bundesregierung bislang versäumt. Auch könne sie nicht darlegen, wie sich die neuen LNG-Terminals mit den Klimazielen vereinbaren lassen.

Temporäre Anlagen könnten zwar in der aktuellen Energiekrise die Lücke schließen helfen. "Aber die Anlagen müssen in ihrer Nutzungsdauer von Anfang an begrenzt werden", stellt der Experte klar. Geht es nach der Deutschen Umwelthilfe, müsste die Betriebsgenehmigung für das LNG-Terminal in Wilhelmshaven auf zehn Jahre begrenzt werden. Anderenfalls riskiere Deutschland, von der alten Abhängigkeit in eine neue zu geraten.

Stimmen für Fracking in Deutschland

Laut dem LNG-Beschleunigungsgesetz dürfen die Anlagen noch bis Ende 2043 für fossiles Erdgas genutzt werden. Doch LNG-Terminals künftig auf grünen Wasserstoff umzurüsten, ist nicht so einfach wie vielfach behauptet, denn für den extrem kalten Flüssig-Wasserstoff gelten viel höhere Anforderungen.

Auch das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe kommt in einer Studie zu dem Schluss, dass es nicht möglich ist, Komponenten von Terminals gleichzeitig mit verschiedenen Energieträgern zu betreiben oder ohne Anpassung zwischen LNG und Wasserstoff zu wechseln.

Die FDP will neben den LNG-Importen sogar noch weiter gehen. Die Regierungspartei möchte auch das hierzulande geltende Fracking-Verbot aufheben, weil sie es für "ideologisch motiviert" hält. Es sei Heuchelei, wenn Deutschland gefracktes Gas aus den USA oder Kanada importieren wolle, sich aber weigere, Fracking im eigenen Land zu akzeptieren, erklärte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai.

Für Konstantin Zerger von der Umwelthilfe ist das vor allem politische Taktiererei, um den grünen Koalitionspartner vor sich herzutreiben. "Ich glaube, die wissen nicht, worüber sie reden", meint Zerger. Es fehle eine Vorstellung, welche Folgen für Mensch und Natur das Fracking habe.

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