Braunkohlekoxberg Boxberg mit dampfenden Kühltürmen an einem Sommertag von der Landstraße aus betrachtet.
Das Kraftwerk Boxberg in der Oberlausitz soll bis Ende 2038 Braunkohle verstromen. Die Bundesstraße 156 wird ausgebaut. (Foto: Jan-Herm Janßen/​Wikimedia Commons)

Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten – und einen Wirtschaftsaufschwung. An die Regel fühlt man sich erinnert, liest man die Ergebnisse einer neuen Verkehrsstudie zur Lausitz.

Gegenüber früher, als praktisch nur neu betonierte Straßen als erfolgreicher Strukturwandel zählten, wird heutzutage die Bahn nicht ganz vergessen.

"Schlüsselprojekte, welche die Konkurrenzfähigkeit der Lausitz stärken sollen", so wird im besten Studiendeutsch formuliert, sind zum Beispiel die Wiederinbetriebnahme der Bahnlinie von der sächsischen Landeshauptstadt Dresden über Kamenz nach Hoyerswerda sowie der Ausbau der Bahnstrecken Dresden–Cottbus und Cottbus–Görlitz auf Tempo 160.

Im Straßennetz hält die Studie einen Ausbau bei den Bundesstraßen 87, 97, 115, 156, 168 und 169 für nötig, einschließlich zusätzlicher Ortsumfahrungen. Die Autobahn nach Berlin wird sechsspurig.

Das Geld für diese Projekte fließt aus den 40 Milliarden Euro, die der Bund für den Strukturwandel in den Kohleländern bis 2038 zugesagt hat.

Strukturhilfen für neun Bereiche

In einem ersten Topf befinden sich dabei 14 Milliarden Euro, mit denen der Bund, den Wünschen der Länder folgend, die unterschiedliche Wirtschaftskraft ausgleichen und das wirtschaftliche Wachstum in den Braunkohlerevieren fördern will.

So steht es jedenfalls im Klimareporter° vorliegenden Entwurf der Bund-Länder-Vereinbarung zu den Strukturwandelhilfen.

Ausgegeben werden können die 14 Milliarden für neun Bereiche. Nach der Sanierung und Nachnutzung nicht mehr benötigter Kohleinfrastruktur und der Verbesserung des Verkehrs sind auch Investitionen in Gesundheit, Pflege und Kultur, für Städtebau, Digitalisierung und Tourismus aufgeführt.

Erst auf Platz acht kommen Klima- und Umweltschutz, einschließlich der energetischen Sanierung, und auf dem neunten und letzten Platz Naturschutz und Landschaftspflege.

Verteilt wird das Geld des Bundes hierbei direkt vom Bundeswirtschaftsministerium an die jeweiligen Länder, die es entweder in ihre Haushalte einstellen oder Sondervermögen anlegen können.

Die letzten Cent können die Länder bis zu drei Jahre nach Ende des Kohleausstiegs 2038 ausgeben – also spätestens 2041. Positiv für finanzschwache Kommunen ist, dass die öffentliche Hand, also Bund und Länder zusammen, Projekte bis zu 100 Prozent fördern können.

Eigene Projekte des Bundes

Deutlich andere Schwerpunkte setzt die sogenannte zweite Säule des Strukturwandels. Dort stellt der Bund laut Entwurf 26 Milliarden Euro bereit, um "Maßnahmen in seiner eigenen Zuständigkeit in den Kohleregionen" durchzuführen.

Dazu soll auch ein Bundesförderprogramm gehören, das – so steht es in der Vereinbarung – mit Blick auf das Primärziel "Klimaschutz" dazu beitragen soll, die Kohleregionen zu Modellregionen einer "treibhausgasneutralen, ressourceneffizienten und nachhaltigen Entwicklung zu machen".

Weiter will der Bund vor allem Maßnahmen zur Unterstützung der Wärmewende und des Klimaschutzes durchführen. Dazu sollen beispielsweise ein Kompetenzzentrum Wärmewende, die Forschungsinitiative "Reallabore der Energiewende" sowie zwei zusätzliche DLR-Institute gehören.

Von den 26 Milliarden werden aber auch all die Straßen- und Schienenprojekte bezahlt, die die eingangs erwähnte Lausitzer Studie als unabdingbar ansieht.

Bund-Länder-Gremium entscheidet

So gut das Anliegen zumindest teilweise ist, so unklar bleibt, wie die 26 Milliarden finanziert und eingesetzt werden.

Die Gelder werden zunächst im sogenannten Einzelplan 60 des Bundeshaushalts eingestellt. Der Plan hat den Titel "Allgemeine Finanzverwaltung" und versammelt so unterschiedliche Dinge wie den Energie- und Klimafonds der Regierung, die Überleitung der DDR-Renten oder die Versorgung ehemaliger Wehrmachtssoldaten.

Aus dieser "Resterampe" des Bundeshaushalts sollen die 26 Milliarden dann nach und nach "auf Grundlage der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Rahmen des Koordinierungsgremiums abgestimmten Aufteilung" vergeben werden.

Das Koordinierungsgremium besteht aus dem Bund und den Kohle-Ländern Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Hier sollen die Projekte "im Dialog" von Bund und Ländern entwickelt werden.

Ist man sich einig geworden, fließen die Gelder dann aus dem Plan 60 an die einzelnen Ressorts, also die Ministerien, zur Bewirtschaftung. Am Ende entscheidet also der jeweilige Minister über Wohl und Wehe der Projekte.

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