50-Hertz-Angestelle im Kontrollzentrum in Berlin-Marzahn
50-Hertz-Angestelle im Transmission Control Centre in Berlin-Marzahn: Aus- und Weiterbildung ist das A und O beim Übergang in die neue Energie-Arbeitswelt. (Foto: 50Hertz)

In der Koalitionsvereinbarung 2018 wurde festgehalten, dass die "Handlungslücke" zum Erreichen des Klimaziels für 2020 so weit wie möglich verringert werden soll. Außerdem soll sichergestellt werden, dass die Ziele für 2030 und 2050 erreicht werden.

Dazu, dass diese Klimaziele erreicht werden, bekennen wir uns als Gewerkschaft Verdi, die wohlgemerkt die Beschäftigten in der Energieversorgung organisiert. Doch wir sagen auch: Der Strukturwandel muss sozialverträglich vonstatten gehen. Allen betroffenen Beschäftigten in der Kohleverstromung ist eine positive berufliche Zukunftsperspektive zu bieten – nach der Kohle.

Die zentrale Aufgabe der Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" ist und muss sein, einen "Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung einschließlich eines Abschlussdatums und der notwendigen rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen und strukturpolitischen Begleitmaßnahmen" zu erarbeiten, wie es im Koalitionsvertrag steht. Ein derartiger Plan soll laut dem Vertrag – unter Einbeziehung der Gewerkschaften – bis Ende 2018 einvernehmlich vereinbart sein.

Parallel soll im besonders problematischen Verkehrssektor eine ähnliche Kommission gebildet werden, sodass im Jahr 2019 ein entsprechend verbindliches Klimaschutzgesetz verabschiedet werden kann, das für alle betroffenen Bereiche verbindliche Sektorziele setzt. Das ist so notwendig wie ehrgeizig, aber machbar.

Der eingeschlagene Weg ist richtig. Jeder weiß: Kohleverstromung ist ein Auslaufmodell, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Das sagt nicht nur Verdi, das sagen auch die Stromkonzerne. Eurelectric, der Verbund der europäischen Stromerzeuger, hat für seine Mitglieder erklärt, zukünftig keine neuen Kohlekraftwerke mehr zu bauen.

Ein genauer Plan für jedes einzelne Kraftwerk

Nun kommt es darauf an, den Prozess klug zu strukturieren und einen Konsens zwischen Politik, Gewerkschaften, Unternehmen, Umweltverbänden und den Regionen zu erreichen. Dazu kann die Kommission ein geeignetes Instrument sein.

Wir werden uns als Verdi natürlich aktiv an dieser Kommission beteiligen. Und wir werden darauf drängen, dass ein entsprechend konkreter und verbindlicher Plan für jedes einzelne Kohlekraftwerk vereinbart wird. Denn natürlich brauchen die Unternehmen, die Kohlekraftwerke betreiben, Planungssicherheit, um rechtzeitig und umfassend ihre Erzeugung umstrukturieren zu können. Das betrifft die Ausbauplanung für die erneuerbaren Energien, aber vor allem auch für die als Ersatz für das jeweilige Kohlekraftwerk neu zu errichtenden Gaskraftwerke, Speicher und den Ausbau der Netzinfrastruktur.

Reinhard Klopfleisch
Foto: ver.di

Zur Person

Reinhard Klopfleisch ist Energieexperte aus dem Bereich Ver- und Entsorgung der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi).

Planungssicherheit brauchen aber natürlich auch die Beschäftigten in den betroffenen Anlagen. Viele Betroffene – unsere Mitglieder – berichten, dass die Diskussion um das Kohle-Aus schon längst an ihren Nerven zerrt. Die Einschläge kommen schließlich immer näher, viele Kraftwerke rechnen sich nicht mehr und werden verkauft oder stillgelegt, andernorts werden sogar relativ saubere Kraft-Wärme-Kopplungs-Kohleanlagen, die sich über die Wärme noch rechnen, infrage gestellt.

Keiner kann mehr sicher sein, obwohl mancherorts vollmundige Versprechungen das Gegenteil zu suggerieren scheinen. Was sind die noch wert, wann trifft es mich und mit welcher Unterstützung kann ich dann rechnen? Und: Ist es nicht besser, mich frühzeitig woanders zu bewerben, statt am Ende als letzter an Bord zu sein und mit meinem Kraftwerk unterzugehen?

Das sind die ganz konkreten Fragen, die die Kolleginnen und Kollegen an uns, ihre Gewerkschaft, stellen. Und diese Fragen lassen sich präzise nur beantworten, wenn ein zwischen allen Beteiligten verbindlicher Kompromiss erarbeitet worden ist.

Strukturwandelfonds ausreichend ausstatten

Selbstredend ist für uns klar: Die zu vereinbarende geordnete Beendigung der Kohleverstromung muss umfassende Maßnahmen enthalten, um den Strukturwandel in den betroffenen Regionen zu fördern – so sieht es auch die Koalitionsvereinbarung vor. Sie schlägt hierfür einen "Fonds für Strukturwandel aus Mitteln des Bundes" vor. Der soll vor allem den Strukturwandel in den Braunkohleregionen unterstützen.

Doch sind auch etliche Regionen zu berücksichtigen, in denen Steinkohlekraftwerke bislang Kern industrieller Entwicklung sind – die Region zwischen Bremen und Wilhelmshaven beispielsweise oder Mannheim. Und für uns ist dabei ebenfalls ganz wichtig, dass jede und jeder einzelne Beschäftigte ebenfalls umfassend abgesichert wird. Vor allem sind Aus- und Weiterbildung zu organisieren und finanzieren, aber auch Frühverrentung für Ältere muss finanziert werden.

Verdi hat frühzeitig mit den Berliner Energieexperten von Enervis ein Konzept zum sozialverträglichen Kohlekonsens erarbeitet und es bereits im Jahr 2016 vorgestellt. Wir schlagen einen ausreichend dotierten Fonds vor für alle Maßnahmen, die notwendig sind, damit keiner der betroffenen Beschäftigten um seine Zukunft bangen muss.

Wir werden unser Konzept in die Kommission einbringen, als unerlässliche Maßnahme, um zu einem verlässlichen Kohleausstiegskonzept zu kommen. Ein derartiger Fonds könnte auch aus dem Aufkommen des Emissionshandels gespeist werden. Das würde den Staatshaushalt und damit die Steuerzahler nicht belasten, es wäre verursachergerecht. Denn dann müssten diejenigen zahlen, die weiter Kohlendioxid in die Luft blasen.

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