Das Wärmebild eines Neubaublocks Gebäudes wird in einem Smartphone sichtbar. Die Dämmung ist offenbar nicht besonders gut.
Sorgenkind Gebäudesektor: Viele Gebäude in Deutschland verlieren noch zu viel Energie. Das will die EU jetzt ändern. (Foto: Marco Verch/​Flickr, CC BY 2.0)

Drei von vier Gebäuden in der EU verbrauchen zu viel Energie. Wenn die Bewohner:innen eines nicht sanierten Hauses die Heizung aufdrehen oder heiß duschen gehen, wird dafür weit mehr Energie verbraucht, als es in einem sanierten oder effizient gebauten Haus nötig wäre.

Doch gerade mal ein Prozent aller Gebäude in der EU wird pro Jahr energetisch saniert – viel zu wenig. So lässt sich der Gebäudebestand Europas nicht schnell genug dekarbonisieren.

Die gesamte EU will aber Mitte des Jahrhunderts klimaneutral sein. Auch das Heizen oder Kühlen von Gebäuden darf dann keine Treibhausgase mehr verursachen. Expert:innen mahnen deshalb immer wieder, dass die Sanierungsrate deutlich erhöht werden muss.

Jetzt nimmt sich die EU den Gebäudesektor vor: Damit künftig mehr Gebäude energiesaniert oder gleich effizient gebaut werden, hat die Europäische Kommission heute einen Vorschlag zur Neufassung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) vorgelegt. Damit soll der Gebäudebestand bis 2050 klimaneutral werden.

Die geplante Reform ist Teil einer Reihe von Gesetzesvorschlägen der Kommission, mit denen die EU ihren Treibhausgasausstoß bis 2030 um 55 Prozent senken will. Einen ersten Teil des sogenannten Fit-for-55-Pakets hatte die EU-Kommission bereits im Juli dieses Jahres vorgelegt.

In der EU entfallen derzeit rund 40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der Treibhausgasemissionen auf den Gebäudebereich. Klar ist: Ohne politische Vorgaben wird die Sanierung nicht im großen Stil vorankommen und der Treibhausgasausstoß von Gebäuden nicht schnell genug sinken. Klimaneutralität bis zur Mitte des Jahrhunderts wäre dann nicht erreichbar.

Schwerpunkt bei ineffizientesten Gebäuden

Herzstück der überarbeiteten Gebäuderichtlinie sind neue Mindeststandards für die Gesamtenergieeffizienz. Gebäude sollen dann in unterschiedliche Effizienzklassen eingeordnet werden, die – wie in der EU üblich – mit Buchstaben gekennzeichnet sind. Vor allem für die unteren Effizienzklassen soll es dann Fristen für die energetische Modernisierung geben. Wie die Mitgliedsstaaten der EU die Mindeststandards durchsetzen wollen, entscheiden sie selbst.

"Ein Gebäude in der untersten Energieklasse verbraucht zehnmal mehr als ein Gebäude in der obersten Klasse. Die Menschen, die dort leben – und das sind meist die Ärmsten – zahlen also viel mehr, als sie könnten, wenn ihre Gebäude nur besser wären", sagte Frans Timmermans, Vizepräsident der Europäischen Kommission, bei der Vorstellung der Richtlinie.

So sollen etwa Gebäude der schlechtesten Klasse G bis 2030 mit Sanierungsmaßnahmen auf das Niveau F und bis 2033 auf E gebracht werden. Das würde in Deutschland wohl nur Bauten der Nachkriegsjahre treffen, die nicht teilmodernisiert wurden, heißt es bei der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff).

"Die Idee ist es, bei den allerschlechtesten Gebäuden anzusetzen, also dort, wo mit einer Sanierung schnell ein hohes Maß an Energie und am allermeisten CO2 eingespart werden kann", sagt Henning Ellermann, Gebäudeexperte bei der Deneff. In diesen Fällen sei die Sanierung besonders wirtschaftlich – und helfe auch Menschen, denen hohe Energierechnungen Sorgen bereiten.

Kostenneutral sind nur die ersten Schritte

Die Sanierung von Gebäuden mit geringer Effizienz – in denen also bislang keine energiesparenden Maßnahmen wie das Dämmen der Fassade oder der Austausch von Fenstern vorgenommen wurden – kann ohne zusätzliche Kosten für Eigentümer:innen oder Mieter:innen erfolgen, für letztere also warmmietenneutral. Die Investition lohnt sich wegen der sinkenden Energiekosten.

Demgegenüber brauchen Gebäude, die schon erste Effizienzmaßnahmen hinter sich haben, zusätzliche Fördermittel, um den Energiebedarf weiter zu senken, wie Patrick Biegon vom Verbraucherzentrale Bundesverband erläutert. "Wenn die Kommission die Gebäudesanierung im großen Maßstab voranbringen will, dann muss sie auch die Fördermittel deutlich aufstocken", meint der Verbraucherschützer. Gleichzeitig müssten Informations- und Beratungsangebote deutlich ausgebaut werden, damit die Nachfrage nach Renovierungen steigt.

Auch für Neubauten schreibt die neue Richtlinie Effizienzstandards vor. Wer 2030 in der EU ein Haus baut, muss dafür sorgen, dass das Gebäude keine klimaschädlichen Emissionen verursacht. Es muss also energieeffizient gebaut sein und seinen Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen decken. Gebäude in öffentlicher Hand müssen diese Vorgabe schon 2027 erfüllen.

Offen lässt die Richtlinie dagegen, was die Eigentümer nach 2033 tun müssen. "Das ist noch unklar, wie es danach weitergeht. Dabei wären möglichst frühzeitige Leitplanken sinnvoll, um allen Marktteilnehmern Klarheit zu bieten, was in den nächsten 20 Jahren passieren wird", sagt Effizienzexperte Ellermann.

Hier müsse in den weiteren Verhandlungen schnell nachgebessert werden, fordert die Deneff. Die neuen Vorgaben müssen vom EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten beschlossen werden – zu Streitfragen handeln die EU-Organe vorher Kompromisse aus.

Zudem will die Kommission die Mitgliedsstaaten dazu verpflichten, bis 2025 nationale Aktionspläne für den Gebäudesektor vorzulegen. Im Fünf-Jahres-Rhythmus sollen diese Pläne dann aktualisiert werden.

"Deutschland muss mehr tun"

Umwelt- und Effizienzverbände begrüßen den Vorstoß – er könne die Wärmewende beschleunigen. Die Richtlinie allein werde das von der Politik lang ignorierte Problem aber nicht lösen. "Die direkten, konkreten Maßnahmen aus der EPBD reichen allein sicher nicht aus für einen klimaneutralen Gebäudebestand", sagt Deneff-Experte Ellermann gegenüber Klimareporter°.

Aber die Richtlinie verlange jetzt, dass die Mitgliedsstaaten bis spätestens 2050 ihren Gebäudebestand energieeffizient und klimaneutral machen und dazu konkrete eigene Maßnahmen und eine belastbare Strategie beschließen. Außerdem seien die geplanten Mindeststandards für die energetisch schlechtesten Bestandsgebäude die einzige bekannte Maßnahme, die geeignet sei, den Klimazielen ein großes Stück näherzukommen.

"Das Öko-Institut hat berechnet, dass durch die Mindeststandards kombiniert mit bedarfsorientierter Förderung die große deutsche Klimaziellücke im Gebäudesektor zu knapp zwei Dritteln geschlossen werden könnte", so Ellermann weiter. Daneben brauche es weitere flankierende Maßnahmen.

Weil Deutschland aber schon fünf Jahre früher als die EU, nämlich 2045, klimaneutral sein will, muss die Bundesregierung ohnehin mehr Tempo machen. "Bundesklimaminister Habeck ist gefordert, schon jetzt den Startschuss für eine ambitionierte Umsetzung in Deutschland zu geben", sagt Verena Graichen vom Umweltverband BUND. Es sei bereits abzusehen, dass der Gebäudebereich erneut sein Sektorziel verfehlen werde.

Schon 2020 hatte der Gebäudesektor in Deutschland sein Klimaziel nicht erreicht. Zwar hatte die Bundesregierung entsprechend dem Klimaschutzgesetz ein Sofortprogramm nachgeschoben, doch ob das die erforderlichen Treibhausgasminderungen im Gebäudesektor bringt, bezweifelt der Expertenrat für Klimafragen.

Sozialer Klimafonds gegen Energiearmut

Darüber hinaus will die EU einen sozialen Klimafonds schaffen, um die Klimapolitik gerechter zu gestalten. Wenn die Energiepreise steigen, wie es derzeit der Fall ist, sollen einkommensschwache Haushalte, Verkehrsnutzer:innen und kleine Unternehmen unterstützt werden.

Sie könnten von der geplanten Einführung eines Emissionshandels auf Brennstoffe im Straßenverkehr und in Gebäuden besonders betroffen sein. Dafür will die EU-Kommission 72,2 Milliarden Euro bereitstellen.

Etwa 34 Millionen Europäer:innen sind schon heute von Energiearmut betroffen und können ihre Wohnung nicht angemessen heizen. Vor allem in süd- und ostmitteleuropäischen Ländern ist das der Fall.

Lesen Sie dazu den Gastbeitrag von Franz Alt: Wer die Sanierung der Häuser bezahlen soll

Interview mit Energieexperte Martin Pehnt: "Die Wärmewende muss eine soziale Wärmewende sein" 

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