Es geht um Strafzölle auf Elektroautos, den Konflikt um Billigstahl, die Dumpingpreise bei Solarmodulen – die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und China sind derzeit nicht die besten.

Doch es droht ein weiterer Konflikt, dessen Tragweite in der Öffentlichkeit bisher noch kaum wahrgenommen wurde: Peking betrachtet den von Brüssel auf den Weg gebrachten Ausgleichsmechanismus für CO2-Emissionen – Kürzel: CBAM – als "grünen Protektionismus", der chinesische Hersteller auf den hiesigen Märkten benachteiligt. Das Klimaschutzinstrument wird dort wie eine Art zusätzlicher Zoll empfunden, den man ablehnt.

 

Aus europäischer Sicht ist das Konzept einleuchtend – und eigentlich sogar dringend notwendig: Der "Carbon Border Adjustment Mechanism", besagter CBAM, soll den bereits 2005 eingeführten EU-Emissionshandel ergänzen. Dieser versieht hierzulande den CO2-Ausstoß von Industrieunternehmen mit einem Preis, was die hergestellten Produkte entsprechend verteuert. Pro Tonne CO2 muss ein CO2-Zertifikat gekauft werden.

Der neue Mechanismus soll nun sicherstellen, dass für Importe die gleichen Emissionspreise anfallen wie für Produkte, die innerhalb der EU Union hergestellt wurden. Für sie soll eine entsprechende Abgabe anfallen. Motto: Im Ausland hergestellte Waren sollen nicht deswegen billiger sein, weil, dort Öko-Dumping herrscht. China als zweitwichtigsten Handelspartner der EU trifft das besonders.

In Deutschland fehlen noch viele Daten

Die CBAM-Verordnung der EU trat vor genau einem Jahr in Kraft, allerdings erst mit einer Pilotphase. Seit dem 1. Oktober 2023 unterliegen Unternehmen einer Berichtspflicht, wenn sie Produkte aus den CO2-intensiven Warengruppen Eisen, Stahl, Zement, Aluminium, Elektrizität, Düngemittel und Wasserstoff einführen.

Konkret: Sie müssen den in der Produktion direkt angefallenen CO2-Ausstoß sowie die indirekten Emissionen aus dem dabei verbrauchtem Strom melden, und zwar vierteljährlich. Gezahlt werden muss dafür bisher noch nicht. Dass die Importeure entsprechend CO2-Zertifikate kaufen müssen, ist ab Anfang 2026 geplant.

Rollen gewalzter Stahlbänder werden in den Laderaum eines Frachtschiffs geladen.
Viele Stahl- und andere Metallprodukte aus China sind vom CO2-Grenzausgleich der EU betroffen. (Bild: Paullawat Kittiwat/​Shutterstock)

Der Start des Systems verlief überaus holprig. Beim ersten Quartalsbericht hatten nur zehn Prozent der rund 20.000 berichtspflichtigen Unternehmen aus Deutschland ihre Zahlen bis zur Deadline Ende Januar 2024 eingereicht.

Die Anmeldung im CBAM-Portal der EU sei sehr kompliziert gewesen, teilte dazu zum Beispiel die IHK Frankfurt am Main mit. "Viele Firmen haben sich beklagt, dass schon der Registrierungsprozess nicht klappte", hieß es in einer Bewertung.

Besonders Kleinunternehmen belastete der zusätzliche bürokratische Aufwand. Inzwischen allerdings scheinen "zumindest die technischen Probleme größtenteils behoben zu sein".

Allerdings gib es nun neue Probleme. Denn seit dem 31. Juli sind die Unternehmen nun verpflichtet, den CO-Ausstoß für Importe nicht nur nach Durchschnittswerten aus der jeweiligen Branche zu melden, sondern aufgrund tatsächlicher Daten, die der Lieferant zur Verfügung stellen soll.

Das aber scheitert laut der IHK Frankfurt oft noch, da der Lieferant die Daten nicht oder nicht vollständig zur Verfügung stellt. Für die Unternehmen sei die Situation "sehr unbefriedigend, da sie den geforderten Berichtspflichten in vielen Fällen nicht nachkommen können".

Bislang seien noch keine Mahnungen seitens der EU bekannt. "Wir empfehlen den Unternehmen zu dokumentieren, dass sie sich bemüht haben, die geforderten Daten von den Lieferanten zu erhalten und in das System einzupflegen", heißt es dazu bei der IHK.

Viele betroffene Produkte aus chinesischen Staatsbetrieben

Dass vor allem China mit dem Projekt hadert, liegt nicht nur an der Bedeutung der dortigen Industrie. Das Land ist der größte Produktionsstandort der Welt und auch der mit Abstand größte globale CO2-Emittent.

Die im CBAM regulierten Waren kommen vor allem aus Konzernen, besonders aus Staatsbetrieben. "Diese werden in vielen Fällen keinen Grund sehen, die nötigen Emissionsdaten herauszugeben", glaubt die China-Expertin Corinne Abele. In Teilen von Chinas Wirtschaft gälten solche Informationen als Betriebs- oder sogar Staatsgeheimnis.

Abele äußerte sich jüngst auf einem Online-Seminar des renommierten Infodienstes China Table, sie ist Repräsentantin der Außenwirtschaftsagentur des Bundes, Germany Trade and Invest (GTAI), in Shanghai. Es stellt sich also die Frage, ob die Regierung in Peking überhaupt bereit ist, bei CBAM mitzumachen, oder ob sie das EU-Projekt blockiert.

Läuft es gut, könnten sich diese Probleme gerade im Fall China in absehbarer Zukunft verringern, da das Land selbst an einem Emissionshandel arbeitet und die beiden Systeme miteinander verschränkt werden könnten.

China will zwar erst 2060 klimaneutral sein, während die EU das für 2050 anpeilt, doch es versucht durchaus, seinen CO2-Ausstoß in den Griff zu bekommen, und der Emissionshandel ist neben dem rasanten Ausbau von Solar- und Windkraft ein wichtiges Instrument dazu.

Bisher umfasst der CO2-Handel in dem Land nur den Energiesektor, doch Peking plant eine Ausweitung auf Produkte wie Stahl, Zement und Aluminium. Vorbereitungen dazu laufen offenbar bereits bei Aluminium.

 

Es ist logisch: Sobald ein Partnerland einen eigenen, gut funktionierenden Emissionshandel für die im CBAM regulierten Warengruppen hat, ist die Berechnung des CO2-Preisunterschieds relativ einfach. Laut China Table gibt es auch bereits Projekte, um die Berichtspflichten digitalisiert und zum Teil automatisch abhaken zu können.

Für die China-Expertin Abele sind die Perspektiven für das EU-Projekt in China denn auch nicht so negativ: "China sieht eben auch den gemeinsamen Nutzen darin, die globalen CO2-Emissionen zu reduzieren."