Luftaufnahme: Geschlagene Stämme liegen aufgestapelt im Amazonas-Regenwald.
Fatal für Klima, Artenvielfalt und Gesundheit: Abholzung, hier illegal betrieben auf indigenem Gebiet in Brasilien. (Foto: Felipe Werneck/​Ibama/​Quapan/​Flickr)

Die Hoffnung, die Welt könne die Coronakrise nach der ersten Infektionswelle im Frühjahr in den Griff bekommen, hat sich zerschlagen. Rund 45 Millionen Menschen auf der ganzen Welt sind bisher infiziert worden, und es gab fast 1,2 Millionen Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19. Ob neue Lockdowns und ein Impfstoff die zweite Welle stoppen können, ist offen.

Führende Naturschutzexperten des Weltbiodiversitätsrats IPBES warnen in dieser Situation davor, dass der Ausbruch weiterer und möglicherweise noch gefährlicherer Pandemien nur vermieden werden könne, wenn Politik und Wirtschaft beim Natur-, Umwelt- und Klimaschutz umsteuern.

Das sei allerdings möglich – und deutlich billiger als eine nachträgliche Krisenbekämpfung. Der IPBES ist ein wissenschaftliches Beratergremium der UN analog zum Weltklimarat.

"Dieselben menschlichen Aktivitäten, die den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt antreiben, führen auch zu einem Pandemierisiko durch ihre Auswirkungen auf unsere Umwelt", sagte der US-Zoologe und Virenexperte Peter Daszak, Hauptautor des Berichts und Leiter eines Workshops mit 22 Experten, den der IPBES zum Thema eingerichtet hatte.

Als Ursachen benennt der Report Änderungen der Landnutzung, zum Beispiel Entwaldung und Verstädterung, die Ausweitung und Intensivierung der Landwirtschaft sowie nicht nachhaltige Handels-, Produktions- und Konsummuster. Dies störe die Natur und verstärke den Kontakt zwischen Wildtieren, Nutztieren, Krankheitserregern und Menschen. "Das ist der Weg zu Pandemien", sagte Daszak.

Der Ausbruch von Covid-19 wurde laut dem Report wie alle bisherigen Pandemien, darunter die Spanische Grippe, Aids und Sars, durch menschliche Aktivitäten ausgelöst, die dazu führten, dass die Erreger vom Wirtstieren wie Fledermäusen und andern Wildtieren auf den Menschen übersprangen. Insgesamt seien mehr als 70 Prozent der neu aufgetretenen Krankheitserreger wie Ebola-, Zika- und Nipah-Virus tierischen Ursprungs.

Das Potenzial für neue Pandemien schätzt der Rat als immens ein. Nach Schätzungen existieren noch 1,7 Millionen "unentdeckte" Viren in Säugetieren und Vögeln, von denen 500.000 bis 850.000 auf den Menschen überspringen könnten.

"Schutz von Gesundheit, Natur und Klima zusammendenken"

Als weiterer Faktor für neu auftretende Krankheiten gilt der legale oder illegale Handel mit Wildtieren. Der legale Handel habe sich in den letzten 15 Jahren auf einen Umfang von 107 Milliarden US-Dollar verfünffacht, so der Rat. Der illegale Markt wird auf sieben bis 23 Milliarden Dollar jährlich geschätzt.

Die Experten sehen durchaus Chancen, die Risiken für neue Pandemien zu verringern. Es sei bekannt, welche Tierarten besonders virenreich sind, ebenso kenne man die Übertragungswege. Das ermögliche es, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Dazu zählten ein Zurückfahren naturzerstörender Aktivitäten, die Ausweitung von Schutzgebieten und generell ein besserer Schutz der Biodiversität besonders in den Tropen. Man müsse Gesundheits-, Natur- und Klimaschutz zusammendenken, postulierte IPBES-Generalsekretärin Anne Larigauderie.

Zu den Handlungsempfehlungen für die Politik zählen die Einrichtung eines zwischenstaatlichen Rats für Pandemieprävention, der unter anderem jene Gebiete identifizieren soll, in denen das Risiko für eine Virenübertragung hoch ist, und die Besteuerung von Aktivitäten mit hohem Pandemierisiko.

Die Experten werben für ihre präventiven Ansatz auch mit einem ökonomischen Argument. Die Pandemie habe allein bis Juli weltweit Kosten zwischen 8.000 und 16.000 Milliarden US-Dollar verursacht, etwa durch Lockdowns, medizinische Behandlung und verlorene Arbeitsstunden, schreiben sie. Die Kosten wirksamer Vorbeugungsmaßnahmen hingegen lägen bis zu 100-mal niedriger. 

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