Rasend schnell breiteten sich die Brände in Indonesien aus, hunderttausende Hektar Regenwald brannten in den vergangenen Monaten ab. Tausende Feuerwehrleute versuchten vergeblich, die Feuer einzudämmen, die illegal immer wieder neu gelegt wurden, um neue Ackerflächen für den Anbau von Ölpalmen zu erhalten.
Die Brände setzten täglich fast genauso viel Kohlendioxid frei wie die verheerenden Waldbrände 2015. Wie der europäische Copernicus-Atmosphärenüberwachungsdienst Cams mitteilte, betrug der CO2-Ausstoß zwischen dem 1. August und dem 18. September über 360 Millionen Tonnen. 2015 hatten die Brandrodungen im gleichen Zeitraum 400 Millionen Tonnen CO2 verursacht.
"Etwa die Hälfte der Brandsaison ist vorüber, und es ist klar, dass diese Feuer ungewöhnlich stark sind und Anlass zu großer Sorge geben", sagte Mark Parrington vom Cams vor zwei Wochen. Die Torfbrände in Indonesien schwelen bei niedrigen Temperaturen im Erduntergrund. Das ist dem Wissenschaftler zufolge besonders beunruhigend, da sie CO2 freisetzen, das bis zu mehreren zehntausend Jahren gespeichert war.
Die Folge: sehr hohe Werte verschiedener, schwer abbaubarer Schadstoffe in der Luft über Indonesien und ganz Südostasien. Das gefährdet die Gesundheit der Bevölkerung sowie die Tier- und Pflanzenwelt.
Dabei gab die Entwicklung in dem Inselstaat Anlass zur Hoffnung. In den vergangenen zwei Jahren waren die Waldverluste in Indonesien stark zurückgegangen. 2017 und 2018 lag die Entwaldungsrate um mehr als 30 Prozent unter dem Durchschnitt der Jahreswerte von 2002 bis 2016.
Mehrere Maßnahmen, die in den vergangenen Jahren ergriffen wurden, trugen dazu bei, die massiven Waldverluste Indonesiens zu begrenzen – darunter die internationalen Verpflichtungen des Landes zur Emissionsreduzierung, ein bilaterales REDD-plus-Abkommen mit Norwegen, die Reaktion der Regierung auf die Brände von 2015 – darunter ein landesweites Torf-Moratorium – sowie Initiativen des Privatsektors. Die Brände der vergangenen Monate stellt nun die ergriffenen Maßnahmen auf den Prüfstand.
Waldverlust hat sich trotz Wald-Erklärung beschleunigt
Ein jetzt vorgelegter Bericht von 25 Umweltorganisation zum weltweiten Zustand der Wälder beurteilt die Situation in Indonesien "verhalten optimistisch". Damit ist der Inselstaat aber die Ausnahme. Weltweit haben die Verluste von Wäldern stark zugenommen, heißt es in dem Report.
Dabei sollen die globalen Waldverluste eigentlich bis 2020 halbiert und bis 2030 vollständig gestoppt werden. Das ist Ziel der New Yorker Wald-Erklärung, die vor fünf Jahren auf dem Klima-Sondergipfel des damaligen UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon vorgestellt wurde. 41 Staaten – darunter Chile, Deutschland, Frankreich, Kanada, Kenia, Thailand und die USA – sowie multinationale Konzerne und Nichtregierungsorganisationen haben die Erklärung bislang unterzeichnet.
Funktionieren soll das Abkommen über bilateral transferiertes Geld. Norwegen, Großbritannien und Deutschland haben gemeinsam mehr als fünf Milliarden US-Dollar bis 2020 zugesagt – sofern Länder mit Regenwald-Vorkommen Pläne vorlegen, um die Entwaldung zu stoppen und den Trend umzukehren.
Allerdings hat die Wald-Erklärung einen entscheidenden Mangel. Sie ist freiwillig und völkerrechtlich nicht bindend. Ihr Zwischenziel für 2020 wird denn auch krachend verfehlt. "Seit dem Start der New Yorker Erklärung vor fünf Jahren hat sich die Entwaldung nicht nur fortgesetzt, sie hat sich sogar beschleunigt", sagt Charlotte Streck von der Denkfabrik Climate Focus, die den Wald-Bericht koordiniert und mitverfasst hat.
Wurden vor 2014 – also bevor die New Yorker Erklärung der Öffentlichkeit vorgestellt wurde – jährlich etwa 18 Millionen Hektar Wald abgeholzt, sind es heute mehr als 26 Millionen Hektar. Das entspricht ungefähr der Fläche von Großbritannien und Nordirland.
Die meisten Waldbestände gehen dabei in Lateinamerika verloren. Zu den Staaten mit dem höchsten Waldverlust seit 2014 gehören Brasilien, Bolivien, Kolumbien und Peru. Im Juni dieses Jahres stiegen die Entwaldungsraten im brasilianischen Amazonasgebiet sogar um 88 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.
"Aufforstung kann Rodungen nicht ausgleichen"
Weitere Krisenzonen mit hohem und zunehmendem Waldverlust dokumentiert der Bericht in Westafrika und im Kongobecken. In der Demokratischen Republik Kongo hat sich die Entwaldung in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt. In abgelegenen Regionen gelingt es der kongolesischen Regierung nicht, der sinkenden Produktivität im Agrarsektor und der Arbeitslosigkeit etwas entgegenzusetzen.
Hinzu kommen hohe Geburtenraten. Die Abwesenheit des Staates schafft ein Vakuum, in dem die Menschen für sich selbst sorgen müssen, was häufig nicht nachhaltige Landnutzungspraktiken bedingt.
Einen starken Anstieg der Waldverluste verzeichnet in jüngster Zeit auch Westafrika. Hier liegen mit Kamerun, Ghana, Äquatorialguinea, Liberia, Nigeria und Sierra Leone gleich sechs der zehn Tropenländer mit den am stärksten steigenden Entwaldungsraten.
Tropische Regenwälder sind gigantische Kohlenstoffspeicher. Deshalb ist der Verlust von Tropenwald besonders besorgniserregend. "Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, um den Waldverlust vor allem in tropischen Primärwäldern zu stoppen und so viele Wälder wie möglich wiederherzustellen, bevor die irreversiblen Auswirkungen der Waldverluste unser Klima und unsere Ernährungssicherheit noch mehr gefährden", sagt Streck.
Wälder können einen entscheidenden Beitrag zum Erreichen des Ziels aus dem Pariser Klimaabkommen leisten, die durchschnittliche globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad, am besten auf 1,5 Grad, zu begrenzen. Dafür müssen die weltweiten Waldbestände jedoch erhalten bleiben. "Die zehn Ziele der New Yorker Erklärung sind richtig, aber es fehlt an dem gemeinsamen Ehrgeiz, den Trend des Waldverlusts bis 2030 umzukehren", sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze aus Anlass der Fünf-Jahres-Bilanz.
Auch Aufforstung könne den Verlust von Primärwäldern nicht kompensieren, betont Charlotte Streck. "Es kann Jahrzehnte bis Jahrhunderte dauern, bis die Wälder ihre volle Fähigkeit zur Kohlenstoffaufnahme und zur Regulierung des Wetters wiedererlangt haben." Deshalb seien Fortschritte bei der Wiederaufforstung, aber vor allem beim Erhalt von Wäldern notwendig.