Smog über der Stadt
Ist der Point of no Return tatsächlich schon überschritten? (Foto: Johannes Plenio/​Pixabay)

Es kommt nicht oft vor, dass Fachzeitschriften so etwas wie einen Shitstorm auslösen. Letzte Woche ist genau das geschehen.

Das Magazin Scientific Reports der Verlagsgruppe Nature veröffentlichte eine neue Klimastudie und verschickte dazu eine Pressemitteilung mit dem Titel: "Den Ausstoß von Treibhausgasen zu beenden dürfte die globale Erwärmung nicht aufhalten".

Führende britische Klimaforscher:innen übten heftige Kritik. So werde "unnötige Verzweiflung" verursacht, lautete einer der Vorwürfe. Zudem sei die Studie "sehr unplausibel", stehe "im Widerspruch" zu dem, was die Klimawissenschaft weiß, und sei "nicht annähernd stark genug, um eine so furchterregende Botschaft glaubhaft zu machen".

Die Zeitschrift schob eine zweite Pressemitteilung mit einer Klarstellung nach. Die Studie, hieß es darin, basiere auf einem bestimmten Computermodell, die Ergebnisse müssten durch andere Modelle getestet werden.

Ausgelöst hat den ungewöhnlichen Vorgang die neue Arbeit von Jørgen Randers. Der norwegische Physiker und emeritierte Professor für Klimastrategien war 1972 Mitautor des ersten Club-of-Rome-Berichts "Die Grenzen des Wachstums" und hat seitdem zahlreiche weitere Berichte des Thinktanks mitverfasst.

Gemeinsam mit dem deutschen Systemmodellierer Ulrich Golüke hat Randers nun untersucht, wie sich das Klima bis zum Jahr 2500 entwickeln könnte. Dafür verwendeten die beiden ein stark vereinfachtes Klimamodell namens "Escimo".

Studie sieht Kipppunkt bei 0,5 Grad Erwärmung

Die Ergebnisse sind tatsächlich äußerst beunruhigend. Beim Klimawandel ist der Point of no Return demnach längst überschritten.

Selbst wenn die Menschheit einen großen Schalter umlegen könnte und ab sofort keine Treibhausgase mehr verursachen würde, würde die Erwärmung weitergehen und die Temperaturen würden in den knapp 500 Jahren um etwa drei Grad gegenüber vorindustrieller Zeit ansteigen.

Und mehr noch: Dies würde sogar dann passieren, wenn die CO2-Konzentration in der Atmosphäre wieder auf das ursprüngliche Niveau sinkt, nachdem das Klimagas von Ozeanen, Biomasse und Boden absorbiert wurde.

Um die Entwicklung zu verhindern, hätte man bereits vor 50 Jahren den CO2-Ausstoß beenden müssen, da der Kipppunkt laut Modell bereits bei einer Erwärmung von nur 0,5 Grad erreicht wurde. Die Autoren sprechen selbst von "unerwarteten Resultaten".

Drei Mechanismen sind der Studie zufolge dafür verantwortlich. Erstens steigt durch höhere Temperaturen der Wasserdampfgehalt der Atmosphäre, und dies ist für den Treibhauseffekt enorm wichtig. Zweitens schrumpft die Meer- und Landeisbedeckung in der Arktis, dadurch wird die Erdoberfläche dunkler und erwärmt sich stärker.

Drittens setzen die tauenden Permafrostböden Treibhausgase frei. Dies ist, so die Studie, ein sich selbst erhaltender Prozess, der sich nur stoppen ließe, wenn Jahr für Jahr mindestens 33 Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernt würden.

"Erhebliche Zweifel an der methodischen Gründlichkeit"

Fachkollegen sehen zahlreiche Ungereimtheiten in der Studie. "Mehr Wasserdampf in der Atmosphäre erhöht nicht nur den Treibhausgaseffekt, es erhöht auch die Wolkenbedeckung", sagt Stefan Hagemann vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht. Dadurch kann mehr Sonnenstrahlung ins All zurückgeworfen werden.

Dasselbe gilt für die Ausbreitung von Wüsten, die dem Dunklerwerden der Erdoberfläche regional entgegenwirkt und in dem Klimamodell von Randers und Golüke nicht berücksichtigt wurde.

Nicht oder nicht ausreichend erfasst wird auch die Menge an Kohlenstoff, die in der Vegetation gebunden wird, die sich auf dem früher gefrorenen Permafrostboden bildet. Die starken Vereinfachungen des Modells hält Hagemann, der selbst Modellierer ist, für ungeeignet, um komplexe, nicht lineare Rückkopplungseffekte adäquat darzustellen.

Auch Helge Gößling vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven hat "erhebliche Zweifel an der methodischen Gründlichkeit dieser Studie". Zwar kommen in den letzten Jahren publizierte Studien zu dem Schluss, dass Emissionen aus Permafrostböden das verbleibende CO2-Budget der Menschheit "spürbar reduzieren" könnten, sagt Gößling.

Dass das Budget dadurch ganz ausgeschöpft wird, dafür gebe es bislang aber keine Evidenz. "Wir sollten weiter darauf setzen, die menschengemachten Treibhausgasemissionen schnellstmöglich zu senken, um die globale Erwärmung in Grenzen zu halten."

Ist das Randers-Papier also zu pessimistisch? Oder sind die Fachkollegen zu vorsichtig, weil sie nicht den Eindruck erwecken wollen, es sei schon zu spät, um noch die Pariser Klimaziele zu erreichen?

"Wir hoffen inständig, dass wir falsch liegen und dass uns die Gemeinde der Klimaforscher widerlegt", sagt Randers selbst. "Wir appellieren dringend an sie, das alles mit ihren komplexen Klimamodellen zu überprüfen."