Wellen
Die Ozeanströmung von der Karibik in den Norden sorgt für das milde europäische Wetter. (Foto: AWI)

Die Atlantische Umwälzströmung, zu der auch der Golfstrom gehört, könnte vor dem Kollaps stehen. Dafür hat der Physiker Niklas Boers Hinweise gefunden, der am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, an der Freien Universität Berlin und der Universität Exeter forscht. Seine Studie erschien am heutigen Donnerstag im Fachmagazin Nature Climate Change.

Schon länger zeigen Messungen, dass die Strömung schwächer wird. Unsicher ist, ob das wirklich schon der Klimawandel ist – es passt aber zu dem, was mit zunehmender Erderhitzung zu erwarten ist.

Das liegt daran, dass Süßwasser aus stärkeren Niederschlägen und schmelzendem Arktiseis den Motor des ozeanischen Förderbands zum Stottern bringt, das Wärme aus der Karibik in höhere Breiten transportiert.

Der Motor funktioniert vereinfacht so: Ein Teil des warmen Wassers verdunstet auf dem Weg durch den Atlantik in den Norden, dadurch steigt der Salzgehalt des verbleibenden Wassers und macht es schwerer. Es sinkt ab und fließt in der Tiefe des Ozeans zurück gen Süden. Zusätzliches Süßwasser kann den Prozess also durcheinanderbringen und die Strömung abschwächen.

Hinzu kommt aber, dass die Umwälzströmung als Kippelement gilt. Sprich: Ab einem gewissen Punkt könnte sie nicht nur in dem Maße schwächer werden, in dem die Erde sich aufheizt – sondern sie könnte sich abrupt und unwiederbringlich destabilisieren.

Das wäre eine Katastrophe. Europa zum Beispiel verdankt sein mildes Wetter dem warmen Wasser aus dem Süden. In vielen Regionen auf der Südhalbkugel prägt die Strömung den Monsun. Für die Landwirtschaft und damit die Welternährung hätte ein Kollaps der Umwälzströmung dramatische, unabsehbare Folgen.

Boers' Ergebnisse deuten allerdings darauf hin, dass genau das passieren kann – weil es im vergangenen Jahrhundert eine "fast vollständige Destabilisierung" der Strömung gegeben haben könnte.

Das zu untersuchen ist nicht einfach, denn direkte Messdaten zur Strömungsstärke gibt es noch gar nicht so lange, erst ungefähr zwei Jahrzehnte. Deshalb muss man sozusagen nach den Fingerabdrücken suchen, die die Strömung durch Salzgehalt und Temperatur hinterlässt.

"Ich hätte nicht erwartet, dass die zusätzlichen Mengen an Süßwasser, die im Laufe des letzten Jahrhunderts in den Ozean flossen, bereits eine solche Reaktion der Atlantischen Umwälzströmung hervorrufen würden", sagte Boers. "Wir müssen unsere Modelle dringend mit den vorliegenden Beobachtungen in Einklang bringen, um zu beurteilen, wie weit die Atlantische Umwälzströmung tatsächlich noch vom kritischen Schwellenwert entfernt ist."