Ein Thermometer zeigt hohe Werte über 35 Grad.
In den letzten Sommern war es hierzulande oft überdurchschnittlich heiß. (Foto: Martin Prague/​Shutterstock)

Betreiber von Solaranlagen hatten 2022 Grund zur Freude. Das letzte Jahr war nämlich beim energieliefernden Sonnenschein ein "Traumjahr", bilanzierte Renate Hagedorn vom Deutschen Wetterdienst (DWD) am Dienstag in Berlin.

2022 sei das sonnenscheinreichste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gewesen, sagte die Chefin des DWD-Bereichs Wettervorhersage.

Insgesamt zählte der DWD 2.024 Sonnenstunden, 31 Prozent mehr als im Mittelwert der Referenzperiode von 1961 bis 1990. Seit Messbeginn 1951 nahm die Sonnenscheindauer im Schnitt um gut zehn Prozent zu.

Auch die für die Energiegewinnung wichtige Globalstrahlung erreichte 2022 mit etwa 1.230 Kilowattstunden je Quadratmeter einen neuen Höchstwert. Hier verzeichnet der DWD eine Zunahme von mehr als drei Kilowattstunden je Quadratmeter und Jahr. Die Globalstrahlung erfasst nicht nur die direkte, sondern auch diffus einfallende Sonnenenergie.

Für die Windkraft ermittelte der DWD ein eher durchschnittliches Jahr. In 100 Metern Höhe – der aktuell typischen Nabenhöhe von Windkraft – maß die Behörde für 2022 eine durchschnittliche Windgeschwindigkeit von 5,6 Metern je Sekunde. Das liegt nahe dem Schnitt der Vergleichsperiode von 1961 bis 1990.

Kein Trend zu abnehmenden Winden

Hagedorn wies hier auch Befürchtungen zurück, nach dem windarmen Jahr 2021 sei grundsätzlich mit abnehmenden Winden zu rechnen. Die Auswertungen seit 1950 zeigten keinen "ausgeprägten negativen Trend".

Unterm Klimawandel mit Hitze- und Dürrewirkungen sieht Hagedorn Wind und Sonne im Vorteil – beispielsweise gegenüber Kernkraftwerken mit ihren Kühlwasserproblemen. Schaue man auf die Potenziale wie auch auf den Betrieb selbst, sollte Deutschland auf erneuerbare Energien setzen, meinte Hagedorn auf Nachfrage.

Der Sonnenrekord blieb nicht ohne Folgen für die Temperaturen. Die Mitteltemperatur in Deutschland lag 2022 mit 10,5 Grad um 2,3 Grad über dem Mittel der 30-Jahres-Referenzperiode bis 1990. Deutschland komme damit aus der "Komfortzone" des Klimawandels, sagte Andreas Becker, Chef der DWD-Klimaüberwachung, am Dienstag.

Balken- und Kurvendiagramm: In Deutschland ist der Erwärmungstrend deutlich stärker als global.
Positive (rot) und negative (blau) Abweichungen der Lufttemperatur vom vieljährigen Mittel 1961–1990 für Deutschland (Balken) und weltweit (Kurve). Den linearen Trend zu 1,7 Grad bezeichnet der DWD als eher konservative Angabe. (Grafik: DWD; Daten weltweit: NOAA)

Beim langfristigen Trend bleibt der DWD weiter bei einer konservativen Angabe und veranschlagt die Temperaturerhöhung auf 1,7 Grad. Das bezieht sich, wie Becker erläuterte, auf den linearen Trend seit 1881 und den bekannten Umstand, dass die Erwärmung über Land stärker ausfällt als über den Meeren.

Der DWD-Experte räumte zugleich ein, dass sich der Erwärmungstrend in den letzten Jahrzehnten beschleunigte. Werde die Mitteltemperatur des Zeitraums 1881 bis 1910 mit derjenigen der jüngsten Dekade 2013 bis 2022 verglichen, so habe sich die Temperatur in Deutschland schon um 2,1 Grad erhöht.

Das 1,5‑Grad-Limit rückt näher

Becker prognostizierte, mit dem absehbaren Ende der La-Niña-Phase werde sich bereits 2023 der Abstand zum Pariser 1,5‑Grad-Limit verkürzen. Bezugnehmend auf den am Montag veröffentlichten Synthesebericht des Weltklimarats, der die Erderwärmung für 2020 auf 1,1 Grad taxiert, erklärte der DWD-Experte, man sei jetzt bereits bei 1,15 Grad. Drei La-Niña-Jahre und die Pandemie hätten der Welt nur eine kurze Atempause verschafft.

 

Becker hält es insofern für unwahrscheinlich, dass das 1,5‑Grad-Ziel von Paris noch eingehalten wird. Auch für fast ganz Deutschland drohten in diesem Jahr mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 85 Prozent wärmere Bedingungen als im Vergleichszeitraum 1991 bis 2020.

Gefahren aus Wetterextremen will der Wetterdienst unter anderem mit neuen Datensystemen begegnen. So könnten nunmehr für jeden Ort Deutschlands die typische Niederschlagsmenge und -dauer für bestimmte Zeiträume genauer vorausgesagt werden.

Beispielsweise könne Berlin-Mitte alle zehn Jahre mit einem Starkregen rechnen, der 60 Minuten dauert und 30 Liter pro Quadratmeter ausschüttet. Solche Kenntnisse seien für Städteplaner und Bauherren wichtig, ist sich der DWD sicher.