Kohlekraftwerk Grevenbroich RWE
CO2-Ausstoß ist nicht der Verbrauch eines Verbrauchsguts. Wenn man ihn besteuern will, muss man sich etwas einfallen lassen. Angesichts einer schweren Krise sollte das vielleicht möglich sein. (Foto: Patrick Pekal/​Flickr)

"CO2-Steuer: umstritten – und verfassungswidrig", titelte gestern die Wirtschaftswoche. Der Focus zog heute nach und schrieb: "Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages: CO2-Steuer ist verfassungswidrig". Auch der Deutschlandfunk meldete: "Bundestagsexperten sehen CO2-Steuer als verfassungswidrig an". Und der Tagesspiegel sprach von "verfassungsrechtlichem Zweifel".

Ist die CO2-Steuer also schon wieder vom Tisch, noch bevor das Klimakabinett im September dazu einen Beschluss fassen könnte? Und obwohl die Wirtschaftsweisen vor vier Wochen der Bundesregierung dringend angeraten haben, klimaschädliches Verhalten über einen Preis auf CO2 zu verteuern?

"Eine Besteuerung einer CO2-Emission scheidet aus verfassungsrechtlichen Gründen aus", zitieren die Magazine das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. Der Staat dürfe keine neue Steuer erfinden. Eine neue Steuer müsse sich in die vorhandenen Steuerarten einfügen.

"Das bedeutet", schreibt der Focus, "sie müsse den Charakter einer Ertrags-, Verkehrs-, Aufwands- oder Verbrauchssteuer annehmen. Die CO2-Steuer würde aber unter keine dieser Kategorien fallen."

Ganz so einfach ist es nicht.

Das lässt sich auch nachlesen. Das Gutachten steht seit dem 30. Juli auf der Website des Deutschen Bundestags zum Download bereit. Es umfasst elf Seiten und trägt den Titel "Einzelfragen zur steuersystematischen Einordnung einer CO2-Steuer".

Genau darum handelt es sich. Das Papier legt dar, wie eine CO2-Steuer ausgestaltet sein müsste, um rechtlich wasserdicht zu sein. Sowohl national als auch auf EU- und internationaler Ebene.

Einfach eine neue Steuer erfinden, das geht nicht, schreiben die Gutachter, wie die Magazine korrekt wiedergeben.

Nicht einfach, aber möglich

Wörtlich heißt es in dem Gutachten: "Die Verfassung gibt einen gewissen Rahmen vor, wie und in welcher Art Steuern ausgestaltet werden können. Dafür ist der – nach herrschender Meinung – abschließende Steuertypenkatalog des Artikels 106 des Grundgesetzes entscheidend, der ein Steuerfindungsrecht, aber gerade kein Steuererfindungsrecht vorsieht."

Und weiter: "Eine neu konzipierte Steuer muss sich daher unter die vorhandenen Steuerarten des Artikels 106 Grundgesetz subsumieren lassen. Ihr kann dabei – seit dem Ökosteuerurteil – auch ein lenkender Charakter zukommen. In Betracht kommt damit die Schaffung einer CO2-Steuer als Verbrauchs-, Aufwands- oder Verkehrsteuer."

Dies ist möglich, aber nicht ganz einfach. Das liegt an dem besonderen Charakter des CO2-Ausstoßes. Dieser ist, so die Bundestagsjuristen, "weder der Verbrauch eines Verbrauchsguts (CO2 wird emittiert und nicht verbraucht), noch ist es ein Rechts- bzw. Wirtschaftsvorgang oder der Besitz einer Sache".

Die Folgerung: "Eine Besteuerung einer CO2-Emission lässt sich keinem bestehenden Steuertypus zuordnen und ist mithin steuerverfassungsrechtlich ausgeschlossen."

Allerdings könnte man eine CO2-Steuer an den Verbrauch CO2-intensiver Güter anknüpfen zu lassen, so das Papier. Dann würde es sich nicht um eine – von den Gutachtern ausgeschlossene – unmittelbare Besteuerung von CO2-Emissionen handeln. Sondern um eine Verbrauchssteuer auf den Verbrauch von Kohle, Erdgas, Benzin, Diesel.

Auch als Aufschlag auf die bestehende Energiesteuer wäre eine CO2-Steuer laut Gutachten möglich. Ein solches Modell wird etwa vom Umweltbundesamt vorgeschlagen. Auch die Wirtschaftsweisen haben ihre Vorschläge in dieser Richtung formuliert.

Zudem gäbe es die Möglichkeit, die Verfassung mit der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit entsprechend zu ändern.

Fazit: Eine CO2-Steuer so auszugestalten, dass sie einerseits dem Klimaschutz nützt und andererseits juristisch einwandfrei ist, ist keine leichte Aufgabe. Unmöglich ist es aber nicht.

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