Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Kuratoriums erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Jens Mühlhaus, Vorstand beim unabhängigen Ökostrom-Anbieter Green City AG.
Klimareporter°: Herr Mühlhaus, der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder prescht beim Klimaschutz voran, die umstrittene 10-H-Abstandsregel will er aber nicht anpacken. Was ist davon zu halten?
Jens Mühlhaus: Solange Söder keine Beschlüsse und Maßnahmen präsentiert, die sofort greifen und wirken, bleibe ich skeptisch. Dass er jetzt plötzlich – nach jahrelangem Wettern gegen seinen Lieblingsgegner, die Grünen – seine Bestimmung als Klimaschützer gefunden haben soll, fällt mir doch sehr schwer zu glauben.
Warum koaliert er dann bitte mit den Freien Wählern und nicht mit den Wahlsiegern der Landtagswahl 2018, den Grünen? Nach Fukushima 2011 war der damalige Umweltminister Söder auch schon mal ganz grün – aber nur für ein paar Wochen.
Eines muss man Söder lassen: Er hat einfach ein Händchen für die Inszenierung. Ein klimaneutraler Freistaat bis 2040 plus x klingt erstmal toll. Wenn's aber ans Eingemachte geht, läuft Klimaschutz beim bayerischen Ministerpräsidenten doch eher nach dem Motto: "Wasch mich, aber mach mich nicht nass!"
Heißt im Klartext: Früherer Ausstieg aus der Kohle – gerne, denn davon sind wir Bayern eh nicht betroffen. E-Autos für die bayerischen Minister – prima, tut auch keinem weh. Ausbau der Windkraft – ja, aber bitte nur ganz langsam und schon gar nicht vor der Kommunalwahl im nächsten März!
Und bis dahin wird auch nicht an der bayerischen Abstandsregelung gerüttelt. Vielmehr versucht Söder jetzt mit seinem Plan, Windanlagen in den bayerischen Staatswäldern zu errichten, seine Kritiker zu besänftigen. Als ob da keine Abstandsregeln gelten würden.
So sehr ich an den Beweggründen für seine Klimaschutz-Offensive auch zweifle – ein Gutes hat das Ganze dann doch: Das Thema ist in den Schlagzeilen, die Leute reden drüber und der eine oder andere Politiker gerät durch das Vorpreschen des CSU-Chefs vielleicht sogar ein bisschen in Zugzwang, selbst tätig zu werden.
Und genau das ist es doch, was wir brauchen: Menschen, die jetzt anpacken und endlich was machen! Wie viel Macher allerdings im Ministerpräsidenten Söder steckt, das werden wir erst in den nächsten Monaten sehen.
Die Schülerinnen und Schüler von Fridays for Future treffen sich derzeit zum Sommerkongress in Dortmund. Das Bundeskabinett einigt sich währenddessen in der parlamentarischen Sommerpause auf ein milliardenschweres Subventionspaket für Elektro-Autos. Kommt die Politik endlich ins Handeln?
Schön wär's! Einige der am Mittwoch beschlossenen Subventionen sind sicherlich gut, die Verkehrswende werden sie so aber garantiert nicht in Schwung bringen. Für viele Deutsche sind E-Autos einfach immer noch absolut unattraktiv: sie sind teuer, brauchen ewig zum Laden und die Ladeinfrastruktur hier im Land ist noch weit vom Optimum entfernt.
Es ist meines Erachtens auch schlicht und ergreifend der falsche Ansatz. Statt seit Jahren Fördergelder in E-Autos zu pumpen, hätte man verstärkt in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs investieren müssen. Wenn wir eine echte Mobilitätswende wollen, dann müssen wir radikal umdenken.
Das ist nicht einfach für eine Autofahrernation wie uns. Aber die Zeiten, in denen jeder Einzelne von uns in seinem eigenem Wagen durch die Gegend fährt, sind ganz klar vorbei. Wir müssen die Mobilität der Zukunft ganzheitlich planen. Das eigene Auto hat in den Großstädten durch Dauerstau und Parkplatzsuche schon längst seinen Vorteil verloren.
Die Leute brauchen einen spürbaren Vorteil, wenn sie ihr Fahrverhalten ändern sollen. Den erleben sie beispielsweise bei Sharing-Angeboten, unter anderem für E-Roller. Die sind leise, sauber, flexibel – und geben einem auch gleich noch ein gutes Gefühl.
Dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Fridays-for-Future-Sommerkongresses mit einem guten Gefühl nach Hause fahren, würde ich ihnen – und uns – von Herzen wünschen. Denn deutlicher geht die Botschaft "Klimaschutz kennt keine Sommerpause" wirklich nicht mehr. Davon könnte sich so mancher Politiker eine Scheibe abschneiden – Förderprogramme hin oder her.
Und was war Ihre Überraschung der Woche?
Bei Green City bieten wir seit ein paar Wochen erstmals die Möglichkeit an, direkt in grüne Mobilität zu investieren. Und letzte Woche haben wir mit unserem Wertpapier die Eine-Million-Euro-Marke geknackt – in Rekordzeit.
Ich bin begeistert von der Resonanz. Das zeigt ganz deutlich, dass wir mit unserem Engagement im Mobilitätssektor den Nerv der Zeit getroffen haben. Die Menschen wollen die Verkehrswende. Und – das ist neu! – sie warten nicht auf die Politik, sondern sie nehmen es selbst in die Hand. So viel Tatkraft lässt mich dann doch hoffen, dass wir das Ruder noch rechtzeitig rumreißen können.
Fragen: Sandra Kirchner