Küstenschutz in Schleswig-Holstein: Sicherheit hat viele Aspekte. (Bild: Dirk Ingo Franke/Wikimedia Commons)

Es gab Zeiten in Deutschland, da war die Milliarde die kleinste Ausgabeneinheit der Regierung. Das von der künftigen Regierungskoalition aus Union und SPD angekündigte Finanzpaket stößt in neue, noch nicht dagewesene Hunderte-Milliarden-Dimensionen vor.

Während die künftigen Aufwendungen für Verteidigung und Rüstung noch nicht genau abzusehen sind, soll ein genau beziffertes Sondervermögen von 500 Milliarden Euro zur Instandsetzung der Infrastruktur für eine Dauer von zehn Jahren geschaffen werden. 100 Milliarden Euro davon sollen an Bundesländer und Kommunen gehen.

Was alles unter "Instandsetzung der Infrastruktur" fällt, da halten sich die Koalitionäre bisher bedeckt. Aus vorbereitenden Unterlagen für das Sondervermögen geht nur hervor, dass Wirtschaftsberater ein weiteres Planungs- und Genehmigungsbeschleunigungs-Gesetz für nötig halten, damit das Geld "auf die Straße" kommt.

Unter Umweltfachleuten geht entsprechend die Befürchtung um, die Milliarden würden vor allem in Beton gegossen und die Infrastruktur werde nicht wirklich zukunftsfähig.

Für Klimaforscher Niklas Höhne ist es jedenfalls "erstaunlich", dass Klimamaßnahmen im Finanzpaket keine explizite Erwähnung finden. "Klimaschutz ist eine Jahrhundertaufgabe und braucht neben anderen politischen Instrumenten auch staatliche Investitionen", erklärt der Chef des New Climate Institute in Köln gegenüber Klimareporter°.

Unter den vorerst groben Begriff "Infrastruktur" sollten aus Sicht von Höhne auch konkrete, für den Klimaschutz wichtige Anliegen fallen, so die energetische Sanierung öffentlicher wie privater Gebäude, ein stärkerer Ausbau von Bahn und öffentlichem Nahverkehr sowie der Umbau zu begrünten, fußgänger- und radfahrerfreundlichen Städten. Straßen sollten, so Höhne, nur saniert und nicht neu gebaut werden.

Deutschland soll zukunftsfähig werden

Der Erneuerbare-Energien-Verband BEE begrüßt die grundsätzliche Einigung von Union und SPD auf eine massive Stärkung der Infrastrukturmittel. Schon lange sei klar, dass es mehr Zukunftsinvestitionen brauche, nicht zuletzt in Energiewende-Infrastrukturen sowie Digitalisierung, um den Standort Deutschland zukunftsfähig aufzustellen, betont BEE‑Präsidentin Simone Peter auf Nachfrage. Das sei in den weiteren Verhandlungen klar zu priorisieren und verfassungsfest zu sichern.

Simone Peter hat auch eine klare Vorstellung davon, wofür vorrangig Geld ausgegeben werden sollte: für den Aus- und Umbau der Netze, gerade auch im Wärmebereich, sowie zum Hochlauf von grünem Wasserstoff und anderer klimaneutraler Moleküle. Die Investitionen müssten auch dauerhaft bezahlbare Energiepreise, Versorgungssicherheit sowie flexible digitale Lösungen für Verbraucher und Speicher zu Ziel haben, betont Peter.

Der BEE hält auch rechtliche Beschleunigungen für nötig, darunter die Beseitigung administrativer Hemmnisse für Genehmigung und Bau von Erneuerbaren-Anlagen, Speichern und Netzanschlüssen.

"Das von Friedrich Merz formulierte Diktum 'Whatever it takes' muss auch für den Klima- und Naturschutz gelten – und damit nicht nur für die Landesverteidigung, sondern auch für die Verteidigung des Planeten", forderte Sascha Müller-Kraenner von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Deutschlands Freiheit und Sicherheit seien nur durch die Unabhängigkeit von fossilen Energien und ihren Lieferanten und durch den Schutz vor der Klima- und Biodiversitätskrise möglich.

"Klimaschutz und Resilienz zusammenbringen"

Besonders die Grünen in Bundestag und Bundesrat dürften der angestrebten Grundgesetzänderung nur zustimmen, wenn es auch die notwendigen Investitionen in Klimaschutz, Naturschutz und die ökologische Modernisierung der Wirtschaft gebe, so der DUH-Geschäftsführer.

Nach Angaben des Umweltverbandes BUND summiert sich der Bedarf an Klima- und Naturschutzmaßnahmen allein bis 2030 auf jährlich mindestens 77 Milliarden Euro. Vieles davon seien Infrastrukturinvestitionen, gebraucht würden aber auch sozial gestaffelte Förderprogramme für Haussanierungen oder Wärmepumpen.

Für die Chefin des Energie- und Wasserwirtschaftsverbandes BDEW, Kerstin Andreae, zeigen die Planungen eines Sondervermögens für Infrastruktur, dass der Investitionsbedarf konstruktiv in den Blick genommen wird. "Wichtig sind die Stärkung des Wirtschaftsstandorts und das Zusammenbringen von Klimaschutz und Resilienz", sagte Andreae. Entscheidend sei nun auch eine schnelle und unbürokratische Umsetzung.

 

Mit derselben Dringlichkeit wie für Verteidigung und Infrastruktur müssten auch die immensen Herausforderungen bei Klimaschutz und Klimaanpassung angepackt werden, denn auch das sei Sicherheitspolitik, erklärte am Mittwoch der schleswig-holsteinische Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne).

"Wir brauchen beispielsweise Investitionen in zukunftsfeste Küstenschutzanlagen, Wärme- und Wasserstoffnetze, Moorrenaturierungen und vieles mehr", zählte der Landesumweltminister auf und betonte: "All dies dient der Sicherheit der Menschen in unserem Land."

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