Wer erinnert sich noch? Die letzte Bundestagswahl im Herbst 2021 war eine Klimaschutz-Wahl. Zwar durchgeführt in einer Ausnahmesituation, inmitten der hochlaufenden Corona-Pandemie, die die ganze Nation verunsicherte.
Doch Klima und Energiewende waren damals Topthemen, nach drei extremen Trockenjahren 2018 bis 2020 mit Rekordtemperaturen, die ein neuartiges Waldsterben auslösten, und nach Megafluten an Ahr und Erft im Juni des Wahljahres, die über 180 Menschen das Leben kosteten und 40 Milliarden Euro Schäden verursachten.
Das sowie die Großdemos von Fridays for Future, der "Green Deal" der EU und die Abwahl des Klimawandel-Leugners Donald Trump in den USA legten die Basis dafür, die bleierne Zeit der Merkel-Regierungen zu beenden und eine – selbsternannte – "Fortschrittskoalition" mit starker Öko-Komponente zu wählen.
Und diesmal? Man meint, in einer anderen Republik zu leben. Im aktuellen Wahlkampf spielen die Themen Klima und der nötige Abschied von den fossilen Energien bei Strom, Heizung, Verkehr und Industrieproduktion nur eine geringe Rolle.
So, als hätte die Klimakrise eine Pause eingelegt, nur weil sie zuletzt in anderen Ländern, in Osteuropa, in Spanien, in den USA, stärker zuschlug als hierzulande. Allenfalls, wenn AfD-Chefin Alice Weidel die Windkraft verschrotten will ("Windmühlen der Schande") und damit ein gutes Drittel der Stromproduktion vernichten würde, fühlen die anderen Parteien sich bemüßigt, auf das Thema einzusteigen.
Klimawende finanzieren oder Begüterte entlasten?
Doch welche positive Vision haben sie für einen ökologisch modernisierten Industriestaat Deutschland, der in 20 Jahren klimaneutral sein will? Das wird den meisten Wählerinnen und Wählern, die sich nicht durch die Parteiprogramme ackern wollen, kaum klar sein. In der öffentlichen Debatte ist da praktisch Fehlanzeige.
Wer in die Materie einsteigt, weiß immerhin: Union, SPD, Grüne und die wiedererstarkte Linke wollen am Ziel der Klimaneutralität 2045 festhalten, eine Festlegung, die die letzte Merkel-Groko traf, nachdem das Bundesverfassungsgericht ihre zu schwache Politik in diesem Bereich gerügt hatte.

Keine neue Regierung, ob Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün, kann dahinter zurückfallen. Doch darüber, wie das umgesetzt wird, dürfte es nach der Wahl heftige Auseinandersetzungen geben.
CDU und CSU bekennen sich zwar zum Klimaschutz, wollen aber zur Atomkraft zurückkehren sowie zentrale Maßnahmen wie das Heizungsgesetz und das Verbrenner-Aus abschaffen.
Hingegen planen SPD und Grüne, die bisherigen Klimaschutz-Konzepte weiterzuführen und für Haushalte mit geringem Einkommen sozial zu gestalten, etwa durch ein Klimageld, besseren ÖPNV und eine neu zugeschnittene E‑Auto-Förderung.
Beim weiteren Umbau der Stromversorgung – anzupeilen sind 100 Prozent CO2-freier Strom bereits für 2035 – dürften Kompromisse möglich sein.
Ein Koalitions-Juniorpartner SPD oder Grüne könnte sogar einem Prüfantrag zum Atomsektor zustimmen – ob die zuletzt stillgelegten AKW sich wieder mit vertretbarem Aufwand reaktivieren lassen und ob die international gehypten Mini-Reaktoren in einem stark von Ökostrom geprägten System sinnvoll sind, schnell genug gebaut werden können und finanzierbar sind. Denn das Ergebnis wird bei allen Fragen "Nein" lauten.
Viel schwieriger zu lösen ist die Frage nach der Finanzierung der zentralen Klimaschutzmaßnahmen wie Gebäude-Energiesanierung, Ladesäulenausbau oder Wasserstoff-Anschub in der Industrie. Bisher kommt sie aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung bei Heizung und Sprit.
Nur: Dieses Geld wird künftig gebraucht, um den sozialen Ausgleich dafür herzustellen, gerade bei stark steigenden CO2-Aufschlägen, wie sie ab 2027 zu erwarten sind. Da die Union aber gleichzeitig Steuererleichterungen für reiche Haushalte plant, was ein riesiges Finanzloch in den Bundeshalt reißen würde, wäre kaum noch Geld für die Klima-Maßnahmen da.
Bleibt nur zu hoffen, dass dieser Unsinn in Koalitionsverhandlungen gestoppt wird – und man sich gleichzeitig auf ein Energiewende-Sondervermögen über 100 Milliarden Euro einigt, um dem Umbau einen Push zu geben. Es wäre eine Klimaschulden-Bremse.