Porträtaufnahme von Jens Mühlhaus.
Jens Mühlhaus. (Foto: Tobias Hase)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Jens Mühlhaus, Vorstand beim unabhängigen Ökostrom-Anbieter Green City AG.

Klimareporter°: Herr Mühlhaus, die endgültigen Abstimmungen zum neuen EEG sind offenbar weitgehend gelaufen. Eine Lösung für die Pionier-Windräder, die nach 20 Jahren aus der staatlich garantierten Förderung fallen, ist bisher nicht da. Wie groß ist das Problem für Unternehmen wie Green City?

Jens Mühlhaus: Auch wenn unsere Windräder davon nicht betroffen sind – unsere ersten Windanlagen gingen 2011 ans Netz –, sehe ich die Entwicklung doch mit Sorge. Der konkrete Aktionsplan, wie es mit den Anlagen weitergeht, fehlt noch immer. Und das Anfang Dezember. Wenige Tage, bevor die staatliche Vergütung ausläuft, wird um eine Lösung gerungen, für die man wie lange Zeit hatte? Ach ja, zwanzig Jahre ...

Selbst betroffen davon sind wir nur mit einer Solaranlage – eine 30-Kilowatt-Anlage auf unseren Büroräumen, die 1999 Teil der weltgrößten Bürgerbeteiligungsanlange war und die wir seitdem selbst betreiben. Mitte November kam nun der Hinweis, dass die staatliche Förderung ab 1. Januar entfällt. Damit gehören wir zu den rund 20.000 Solaranlagenbetreibern, die heute noch nicht wissen, wie die Einspeisung im neuen Jahr genau geregelt ist.

Das Gute: Wir sind ein Energieunternehmen und können für unsere Anlage Lösungen finden, weil wir Experten und Lösungsansätze im Haus haben. Aber was machen andere Betreiber? Jene, die vor 20 Jahren als Pioniere an die Energiewende geglaubt haben und die eine Schlüsselrolle im Transformationsprozess unseres Energiesystems gespielt haben?

Sie stehen so kurz vor dem Jahreswechsel wahrscheinlich ziemlich ratlos da. Genau wie andere Stromanbieter auch haben wir das Problem kommen sehen und frühzeitig Lösungen für die Post-EEG-Anlagen etabliert. Irgendwie haben wohl alle Branchenexperten schon erwartet, dass wir nun so kurz vor dem Jahreswechsel noch immer auf angemessene politische Lösungen warten.

Die erste Auktion, die das Stilllegen von Steinkohlekraftwerken entschädigt, ist vorbei. Der Andrang der Energiekonzerne war groß. Im kommenden Jahr werden nun mit Moorburg und Hamm auch neuere Kohleblöcke abgeschaltet. Überrascht Sie das?

Es ist doch so: Alle Kohlekraftwerke müssen vom Netz, besser heute als morgen. Dass jetzt ausgerechnet neuere Anlagen abgeschaltet werden, ist ein weiterer Folgefehler der Kohleausstiegsstrategie der Bundesregierung. Ausgerechnet die Kraftwerke, die zuletzt ans Netz gegangen sind, werden dieses nun als erste wieder verlassen – statt vieler alter Braunkohleschleudern. Erneutes Versagen auf ganzer Linie in diesem Prozess!

Die Bundesregierung hätte das alles deutlich kostengünstiger haben können, wenn man einen Blick auf den Strommarkt wirft. Kohlestrom ist schon lange kein rentables Produkt mehr. Niedrige Strompreise, geringe Nachfrage. Die Tage der Kohlekonzerne sind gezählt. Rentable Stromerzeugung geht anders.

Gerade im Fall Moorburg lohnt mal ein tieferer Blick: Vattenfall hatte mit dem Kraftwerk zusätzlich zu den äußeren Faktoren noch wirtschaftliche Schwierigkeiten aufgrund eines fehlenden Absatzmarkts – des Hamburger Fernwärmenetzes. Ein Schelm, wer jetzt vermutet, hinter der Bewerbung zur vorzeitigen Stilllegung könne also wirtschaftliches Kalkül stecken ...

Aber praktisch ist es schon, dass die Bundesnetzagentur eine günstige Möglichkeit geboten hat, die frühzeitige Abschaltung der Anlage mit einer Stilllegungsprämie zu veredeln!

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Die ist eigentlich schon zwei Wochen alt und bewegt mich doch noch sehr. Zum Jahresende brachten wir ein recht kleines Kapitalprodukt für zwei Solaranlagen in Sachsen auf den Markt. Uns beschäftigt seit Beginn der Pandemie aber auch die Frage, welche Rolle der Klimawandel noch in den Köpfen der Leute spielt. Wie viel Platz bleibt noch für die andere weltweite Krise? Wie hoch ist jetzt noch das Bewusstsein für die Energiewende?

Voller Erleichterung können wir feststellen: Das Thema ist bei unseren Anleger:innen präsenter denn je. Sie haben innerhalb von zwölf Stunden 2,2 Millionen Euro investiert, um den Bau von zwei Solarparks zu ermöglichen.

Das war ein deutliches Signal für die Energiewende und auch für unsere Arbeit. Wir befinden uns in einer der Zukunftsbranchen unserer Zeit. Auch wenn der Klimaschutz einige mediale Rückschläge einstecken musste, wissen viele: Es ist an der Zeit zu handeln. Nicht morgen oder übermorgen – heute!

Fragen: Susanne Schwarz

Anzeige